Jüdisches Museum

"Jeder und jede Tote ist eine und einer zu viel"

Seit Oktober 2023 herrscht in Gaza Krieg. In seiner neuesten Ausstellung "Who Cares?" beschäftigt sich das Jüdische Museum mit Empathie.

Magdalena Zimmermann
"Jeder und jede Tote ist eine und einer zu viel"
Georg Ehrlichs Bild "Der Blinde und der Lahme" wird im Zuge der Ausstellung "Who Cares?" gezeigt.
Kunsthandel Widder, Wien/Ouriel Morgensztern

Mit Empathie setzt sich das Jüdische Museum im Zuge seiner neuen Ausstellung "Who Cares?", die am Mittwoch in der Dorotheergasse eröffnet, auseinander: "'Who Cares?' ist eigentlich doppeldeutig", erklärt Museumsdirektorin Dr. Barbara Staudinger im Gespräch mit "Heute", "denn auf der einen Seite verweist es darauf, wer sich um andere kümmert, aber es ist auch eine Frage an uns alle. Kümmern wir uns wirklich? Ich glaube, es ist Zeit für eine Wende hin zu mehr Empathie." Die Schau rückt Gewalt, Krankheit, Armut und Depression in den Mittelpunkt und zeigt in Form von historischen Artefakten wie Abzeichen und Postkarten, aber auch Gemälden, wie diese im jüdischen Leben Einzug finden.

Ich glaube in unserer aufgeregten Zeit, sind differenzierte Meinungen und Blicke oft zu leise
Dr. Barbara Staudinger
Direktorin Jüdisches Museum Wien

Dass diese Art der Ausstellung gerade in der aktuellen geopolitischen Lage des vorherrschenden Krieges in Gaza eine sehr schwierige ist, ist der Direktorin des Jüdischen Museums Dr. Barbara Staudinger durchaus bewusst. Aber: "Ich glaube, in unserer aufgeregten Zeit, sind differenzierte Meinungen und differenzierte Blicke oft zu leise. Daher wird das Ganze reduziert auf 'für Israel' und 'für Palästina'", erklärt Staudinger im Gespräch mit "Heute", "das trägt dazu bei, dass dieser Konflikt auch dort, wo er eigentlich nicht stattfindet, zu einer Polarisierung beiträgt." So prägen seit dem Kriegsbeginn im Herbst 2023 Pro-Palästina-Märsche gleichermaßen die Stadtbilder der westlichen Welt, wie auch Pro-Israel Demonstrationen. Dass es jedoch auf beiden dieser Seiten vor allem Zivilisten und Zivilistinnen sind, die mit ihrem Leben für die Auseinandersetzungen der terroristischen Organisation der Hamas und des Staates Israel bezahlen müssen, scheint in diesen Leitbildern der Extreme keinen Platz mehr zu finden.

Bildstrecke: "Nie Wieder" - Gedenkmarsch in Wien zu den Novemberprogromen

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    Am Donnerstag gedachte man in Wien der Novemberpogrome.
    Am Donnerstag gedachte man in Wien der Novemberpogrome.
    ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

    Direktorin plädiert für Differenziertheit

    Dagegen plädiert nun Museumsdirektorin Staudinger und will genau diesen Blick der Empathie durch ihre neue Ausstellung verstärken: "Wir müssen unsere Gesellschaft, unsere Demokratie schützen und wir müssen unseren Frieden schützen. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die eine relativ aufgeregte und undifferenzierte Stimmung erlebt, die dann dazu führt, dass Menschen einander nicht mehr zuhören, mehr oder weniger auf ihre menschliche Empathie vergessen und es nur darum geht, zu wem man hält." Israel habe das Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen, plädiert die eine Seite. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, läge an der rigorosen Siedlungspolitik Israels selbst, meinen die anderen. Und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, scheint so in immer weitere Ferne zu rücken. 

    Zivilistinnen und Zivilisten sind zu schützen
    Dr. Barbara Staudinger
    Direktorin Jüdisches Museum Wien

    Was dagegen helfen soll, ist neben dem Ruf nach Empathie, wie bereits von Direktorin Staudinger dargelegt, vor allem auch die Sicht der Differenziertheit: "Ich denke mir, es ist ganz wichtig als jüdisches Museum gerade heute darauf zu verweisen, dass Krieg nicht das Aufeinanderprallen von Staaten und Interessen bedeutet, sondern immer heruntergebrochen werden kann auf Menschen", so Staudinger, "auf menschliches Leid und ich glaube darauf müssen wir uns fokussieren, das es hier um Menschen geht. Zivilistinnen und Zivilisten sind zu schützen, jede und jeder Tote ist einer zu viel - auch hier müssen wir wieder Empathie lernen." Dabei ist sich Staudinger aber auch ihrer bedingten Handlungsmacht in der Rolle als Museumsdirektorin bewusst: "Leider kann ein Museum nicht die Welt retten, aber wir können unseren Teil dazu beitragen und in der Gesellschaft ein bisschen was verändern."

    Bildstrecke: "Who Cares?" - Jüdische Antworten auf Leid und Not

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      Das jüdische Museum zeigt Jüdische Antworten auf Leid und Not.
      Das jüdische Museum zeigt Jüdische Antworten auf Leid und Not.
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