Nach 105 Jahren ist Schluss

Kultcafé pleite – Service galt als "legendär grantig"

Wiens Kultcafé Bräunerhof steht vor dem Verkauf. Die einen lieben den Charme – andere sprachen von "unhöflichstem Kellner Wiens".
Christoph Weichsler
06.08.2025, 17:51
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Der Bräunerhof im ersten Bezirk galt als eines der letzten echten Alt-Wiener Kaffeehäuser – ein Ort, an dem Thomas Bernhard einst täglich saß und Stammgäste grüßend hinter Zeitungen verschwanden. Doch neben Gulasch und Atmosphäre war das Café auch für etwas anderes berüchtigt: seine unnachahmlich grantigen Kellner.

Betreiberin untergetaucht

Nun ist das Traditionslokal insolvent. Die Chefin soll verschwunden sein, der Mietzins über Monate ausständig, die Buchhaltung ein Fiasko – "chaotisch", wie Insolvenzverwalterin Ulrike Bauer berichtet. Seit Mitte Juli läuft das Verfahren, bis Ende August soll das Lokal verkauft werden – so berichtet der "Standard".

Laut Insolvenzverwalterin Ulrike Bauer fehlt es dem Bräunerhof an allem, was einen geregelten Weiterbetrieb ermöglichen würde: Weder gibt es liquide Mittel, noch eine funktionierende Buchhaltung. In einem Schreiben an den Gläubigerschutzverband Creditreform heißt es daher klar, dass der Betrieb nicht fortgeführt werden könne. Stattdessen soll das Traditionscafé rasch verkauft werden – möglichst an Investoren, die das "gut eingeführte Unternehmen" übernehmen und wieder auf Kurs bringen wollen.

Ein Becher zu viel für den Bräunerhof

Viele Gäste schwärmen von Charme, Diskretion und dem zeitlosen Flair der Stallburggasse. Andere erinnern sich vor allem an belehrende Ober und wortlose Ablehnung.

So berichtet etwa eine Familie auf Google, wie der Kellner den mitgebrachten Becher der Tochter ungefragt an sich nahm – als sie protestierten, habe es nur geheißen: "Der Becher hat auf dem Tisch nichts zu suchen." Als die Mutter sich entschuldigte, folgte dieselbe Antwort noch einmal – diesmal mit einem besonders scharfen Ton. Die Familie verließ das Lokal mit dem Eindruck: "So geht man nicht mit Gästen um."

Auch auf TripAdvisor finden sich ähnliche Anekdoten. Ein Chor, der sich nach dem Gottesdienst auf mehrere Tische verteilen wollte, wurde ignoriert und später deutlich aufgefordert, künftig bitte nicht mehr wiederzukommen.

Alt-Wiener Theater oder Zeit für neues Personal?

Und doch: Für viele war das genau der Bräunerhof – ein Kaffeehaus, das nie gefallen wollte. Kein WLAN und keine Kartenzahlung. Dafür Zeitungspapier, leise Konversation und ein grantelnder Kellner, der für manche zum Erlebnis gehörte.

Aber auch Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch sagt: Es müsse nun investiert werden. Und das könnte bald passieren. Denn das Interesse an einer Übernahme ist groß. Unter den Interessenten sollen sein: das Café Hummel, das Hawelka, die Familien Querfeld und Diglas – und Daniel Jelitzka mit seiner Firma JP Immobilien, der bereits das Café Prückel übernommen hat.

Nur ein Kaffeehaus darf hier rein

Ganz unkompliziert wird der Neustart jedoch nicht: Das Lokal steht unter Denkmalschutz, Eigentümerin der Räume ist die Amisola, Teil der Karl-Wlaschek-Stiftung. Laut Mietvertrag darf das Objekt ausschließlich als Kaffeerestaurant betrieben werden.

Ein kompletter Neustart mit Umbau und hipper Gastronomie ist damit ausgeschlossen. Aber wer weiß – vielleicht kommt der Bräunerhof ja wieder. Mit neuem Konzept. Oder einfach mit einem Lächeln mehr.

{title && {title} } CW, {title && {title} } 06.08.2025, 17:51
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