Belgrad in den frühen 90er Jahren: Erzählerin Vanja, ihr Bruder Marko und Kasandra aus der Roma-Siedlung wachsen in den Betonburgen einer Vorstadt auf. Im 2021 erschienen Pop-Roman "Das verschissene Leben" der österreichisch-serbischen Schriftstellerin Barbi Marković erleben die jungen Menschen einen Teufelskreis aus Armut, Gewalt, Verrohung und Perspektivenlosigkeit. Im zerfallenden Jugoslawien lassen sie sich vom Turbokapitalismus verführen. Für neue Marken-Jeans sind sie bereit, sehr weit zu gehen.
Nun kommt das erfolgreiche Balkan-Buch als Uraufführung erstmals auf die Bühne: Die Autorin bringt den wilden Mix aus Coming-of-Age, Science Fiction und Krimi gemeinsam mit Dramaturgin Anna Laner ab 11. Dezember ins Wiener Kosmos Theater.
"Ich bin als Siebenjährige aus Serbien nach Österreich emigriert, weil es schon spürbar war, dass der Krieg beginnen wird", blickt Schauspielerin Simonida Selimović im "Heute"-Gespräch zurück. Sie hat selbst Roma-Wurzeln, wie ihre Bühnenrolle Kassandra. Ihre Mutter gab den Kindern früh vor, wie sie ihre Identität im neuen Land definieren sollten. "Wir mussten sagen, dass wir aus Jugoslawien kommen. Als der Krieg begonnen hat, waren wir dann wieder Roma."
Rassismus hat Selimović immer wieder erlebt, noch mehr aber in Ex-Jugoslawien. "Ich kannte das Wort Zigeuner vorher nicht, das ist ja eine Fremdbezeichnung, so wie das N-Wort. Ich habe es immer wieder in der Schule gehört und es hat mich total verletzt." Ihr Fokus lag jedoch woanders: "Ich konnte noch kein Deutsch, ich war voll die Außenseiterin und habe versucht Freundinnen zu gewinnen. Ich wollte dazugehören."
Im Stück begibt sie sich gemeinsam mit Tamara Semzov (als Vanja) und Aleksandar Petrović (als Marko) auf eine Zeitreise in die 90er Jahre im ehemaligen Jugoslawien. Rückblickend sagt die Gründerin des Roma-Theatervereins Romano Svato: "Es gibt viel gemeinsames Trauma, das nicht bewältigt wurde, sondern normalisiert. Es war eine ziemlich raue Zeit, in der Gewalt verherrlicht wurde. Du konntest nur dazugehören, wenn du einen gewissen Jargon von dir gibst und dich nicht beeindrucken lässt, wenn dir selbst auch Gewalt angetan wird."