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Letsch vor Bullen-Kracher: "Geld nicht entscheidend"

Heute Redaktion
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Thomas Letsch kehrt als Austria-Trainer zu Ex-Klub Red Bull Salzburg zurück. Geld lässt er nicht als Ausrede gelten. Das große "Heute"-Interview.

"Heute": Herr Letsch, seit ihrem Amtsantritt als Trainer der Wiener Austria holten sie in zwei Spielen sechs Punkte, das Torverhältnis lautet sechs zu null. Kann man von einem Einstand nach Maß sprechen?

Thomas Letsch: "Wenn man rein die Ergebnisse nimmt, auf jeden Fall. Aber unabhängig von den Resultaten haben sich die ersten beiden Wochen richtig gut angelassen. Dass hat damit begonnen, dass ich mich vom ersten Tag an hier sehr wohl gefühlt habe. Alle im Verein haben mir den Einstieg hier sehr leicht gemacht. Die Mannschaft versucht, die Dinge schnell umzusetzen. Man hat schon ein bisschen was gesehen, was wir vor haben. Das Wichtigste war, die beiden Spiele zu gewinnen. Das war alles andere als selbstverständlich. Von dem her sind wir schon nah dran an einem Einstand nach Maß."

Wo haben Sie in der kurzen Zeit die Hebel angesetzt?

"Ich habe bereits im Vorfeld gesagt, dass es falsch wäre, alles über den Haufen zu werfen und komplizierte Dinge zu machen. Wir haben extrem viel über die Themen Mentalität und Intensität gesprochen. Ich will eine Mannschaft sehen, bei der jeder im Stadion spürt, dass sie gewinnen will. So haben wir auch die Trainingseinheiten gestaltet, immer war eine hohe Spannung drinnen. Gleichzeitig wollte ich eine hohe Intensität haben. Das heißt, wenn wir nach vorne spielen, dass wir schnell umschalten, dass wir schnell ins Gegenpressing gehen. In der zweiten Woche ging es dann konkret um taktische Dinge. Wann wir den Gegner anlaufen wollen, wie wir den Spielaufbau gestalten wollen. Ich habe hier eine Mannschaft, die sehr willig ist, die Dinge richtig schnell aufsaugt."

Welche Spielweise soll eine Elf unter ihrem Kommando auszeichnen?

"Am liebsten wäre mir, wenn die Leute sagen, wir spielen einen erfolgreichen Fußball. So ehrlich muss man sein, am Schluss geht es um Punkte und Ergebnisse. Wenn wir es dabei noch schaffen, einen vermeintlichen schönen, attraktiven Fußball zu spielen, ist es gut. Attraktiver Fußball heißt für mich schnell nach vorne spielen, mit Risiko nach vorne spielen. Auf die Gefahr hin, dass ein Ball mal zu hektisch nach vorne gespielt wird, dass auch mal ein Fehler passiert. Lieber kommt der Ball zwei Mal nicht an, beim dritten Mal ist es dafür eine Torchance. Wir hatten in den letzten beiden Spielen viele Torchancen, das ist mir wichtig. Darüber hinaus müssen wir die richtige Balance finden, wir müssen hinten trotzdem stabil sein. Es ist ja nicht so, wenn wir beispielsweise hoch attackieren, wenn wir den Gegner pressen, dass das riskant ist. Wenn wir das konsequent mit der gesamten Mannschaft machen, dient das auch dazu, dass wir hinten wenig zulassen. Da müssen wir jetzt intensiv dran arbeiten. Das Spiel in Salzburg ist doch noch einmal ein ganz anders Kaliber als die bisherigen beiden Gegner."

Bei der Austria schwebt aus der Historie heraus immer der "schöne Fußball" über allen Dingen. Wie haben Sie diese Philosophie bis jetzt kennen gelernt?

"Das ist immer relativ. Was ist schöner Fußball? Wenn man ein Spiel gewinnt, gibt es eine Grundzufriedenheit bei den Fans. Wenn man es schafft, dass man das auf eine attraktive Weise macht, ist es umso besser. Wenn ich an das zweite Tor gegen den WAC denke, wo wir schnell nach vorne gespielt haben, ohne Querpässe, direkt in die Tiefe, dann ist das für mich auch ein schöner Fußball. Und wenn der von Erfolg gekrönt ist, dann ist es perfekt. Ich weiß, dass wir hier den Anspruch haben nicht nur erfolgreich zu sein, sondern auch schön zu spielen. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Ich glaube, dass wir das hinbekommen und bereits auf einem guten Weg sind."

Eine ihrer ersten Maßnahmen war, dass sie Raphael Holzhauser auf dem Feld weiter nach vorne beordert haben. Was zeichnet ihn als Fußballer aus? Welchen Stellenwert hat er für die Mannschaft?

"Ich habe Raphael als absoluten Vorzeigeprofi kennengelernt. Er lebt für den Fußball, für diesen Verein. Er ist der erste, der morgens da ist und am Abend einer der letzten, der geht. Er legt sehr viel Wert auf das Drumherum, er ist ein absolutes Vorbild für alle Kollegen. Er hat speziell mit Ball so eine hohe Qualität, das hat er jetzt auch gezeigt. Er war bei den letzten sechs Treffern an vier direkt beteiligt. Das war der Grund, warum ich ihn weiter vorne sehen möchte. Er hat eine hohe Qualität, um entscheidende Bälle zu spielen. Das ist mir wichtiger, als wenn er die doppelte Anzahl an Ballkontakten hätte, dafür aber keine entscheidenden. Er ist ein Spieler, der den Unterschied in der Offensive ausmacht."

Neben Holzhauser – wer sollen die tragende Figuren in ihrer Mannschaft sein?

"Sicherlich Michael Madl. Trotz seiner langen Verletzungspause gab er der Mannschaft in drei Spielen sofort eine große Stabilität. Er ist nicht der klassische Lautsprecher, trotzdem kann er die Jungs auf dem Platz enorm gut führen. Er marschiert vorne weg. Florian Klein ist ein Spieler, der aufgrund seiner Historie in der Nationalmannschaft viel erlebt hat. Er ist auch nicht der klassische Leadertyp, aber er muss in so einer Phase die Mannschaft natürlich unterstützen. Dann wird es schon schwierig. Robert Almer wäre prädestiniert, Alex Grünwald kommt bald zurück. Das müssen Spieler sein, die schon Erfahrung haben. Solche Spieler haben wir aktuell nicht, da müssen wir einen klaren Plan machen und uns genau daran halten. Ein Tarkan Serbest kann das in gewisser Weise auch schon auf seiner Position. Gerade die zentralen Spieler sind sehr wichtig. Aber die Mannschaft muss sich gegenseitig unterstützen und wir als Trainer-Team müssen da auch logischerweise großen Einfluss nehmen."



Franz Wohlfahrt ließ mit Kritik an der Mannschaft aufhorchen, als er eine mangelhafte Einstellung bei einigen Spielern öffentlich kritisierte. Was zeichnet einen professionellen Spieler in ihren Augen aus? Und wann ist der Bogen überspannt?

"Fußball ist ein Spiel. Und ein Spiel soll Spaß machen. Aber es ist wichtig, dass dieser Spaß zum richtigen Zeitpunkt kommt. Dass die Spieler in ihrer Zeit, in der sie trainieren oder spielen zu hundert Prozent konzentriert sind und ihren Job machen. Aber es gehört zu einem Profit auch dazu, dass er sich gut ernährt, dass er ausreichend Schlaf hat, dass er seinen Körper optimal vorbereitet. Der ist sein Kapital. Unser aller Job, egal ob Trainer- oder Betreuerstab, ist es, ein optimales Umfeld zu schaffen, die Jungs anzuleiten, ihnen zu helfen. Trotzdem sind wir aber auch darauf angewiesen, dass sie auch selber die Motivation haben und alles dafür tun. Über die Vergangenheit kann ich nicht viel sagen. Ich kann nur über das sprechen, was ich jetzt hier erlebe und da habe ich bei jedem den Eindruck, dass er das zu hundert Prozent tut."



Haben es die Spieler durch die sozialen Netzwerke schwieriger als in der Vergangenheit? Es bleibt quasi kein Schritt unkommentiert.

"Die Gesellschaft insgesamt hat sich verändert. Es ist sicher nicht leichter derzeit. Aber da ist es wichtig, dass die Spieler mit diesen Medien gut umgehen, dass sie auch vom Verein gut betreut werden. Leichter ist es dadurch sicher nicht. Holzhauser ist auch in dieser Hinsicht ein absoluter Musterprofi. Oder wenn wir in den ganz großen Fußball gehen: Cristiano Ronaldo ist auch so ein Spieler, der polarisiert. Aber bei ihm weiß man auch, dass er für seinen Sport alles macht, dass er ein Musterprofi ist. Dann sind solche Dinge nebenher auch nicht entscheidend."



Sie kennen ja einige Austria-Spieler bereits aus ihrer Zeit in Salzburg. Wie sehr hilft Ihnen das heute?

"So viele sind es gar nicht. Natürlich hat der eine oder andere eine Salzburg-Vergangenheit. Aber es gibt zwei Spieler, mit denen ich wirklich direkt zusammen gearbeitet habe. Das ist zum einen Florian Klein, den ich in dem Jahr als Co-Trainer miterlebt habe. Und das ist Patrick Pentz, den ich in der U16 hatte. Es hilft, wenn man die Spieler kennt. Man weiß, dann ein bisschen, wie die Spieler ticken. Aber wenn man Patrick hernimmt, der hat sich auch entwickelt, das ist ja schon ein paar Jahre her. Er ist jetzt auch, ich will nicht sagen erwachsen, aber sagen wir mal ein bisschen älter geworden."

Am Sonntag (14.30 Uhr) steht in der Liga für Sie die Rückkehr nach Salzburg an. Wie blicken Sie dieser Partie entgegen?

"Ich freue mich darauf. Wir hatten hier einen guten Start, haben ordentliche Leistungen gezeigt, gegen zwei Mannschaften, die ganz unten in der Tabelle sind. Wir hatten eine lange Woche, Zeit um uns auf das Spiel vorzubereiten. Jetzt können wir dort zeigen, dass wir auch gegen eine Mannschaft wie Salzburg bestehen können. Das hat gar nichts mit meiner Vergangenheit in Salzburg zu tun."

Was muss man abrufen, um in Salzburg bestehen zu können?

"Die Salzburger haben es gegen Dortmund ganz gut vorgemacht. Dortmund ist individuell stärker besetzt. Aber Salzburg ist dort als Mannschaft aufgetreten, die einen klaren Plan hatte. Die Salzburger haben die richtige Mentalität und Bereitschaft gezeigt, den absoluten Siegeswillen. Das ist die Grundvoraussetzung. Wenn wir in Salzburg schaffen, dass sich jeder voll reinhaut, jeder an die Chance glaubt, kann man auch diesen Gegner schlagen. Dann kann man viele Mannschaften schlagen, die vom Papier her vielleicht stärker sind. Wohlwissend, dass Salzburg eine Ausnahmestellung in der Liga hat. Aber es wäre fatal, wenn wir sagen ‚Ja, die großen Salzburger'. Ich möchte, dass wir Selbstbewusstsein haben. Wir sind Austria Wien und müssen uns vor niemanden verstecken."

Teamchef Franco Foda meinte im "Heute"-Interview, dass es sich viele zu leicht machen, wenn sie sagen, dass Salzburg aufgrund des höheren Budgets immer Meister wird. Das Geld ist laut Foda im Fußball nicht entscheidend – auch wenn es eine wichtige Rolle spielt. Stimmen Sie ihm zu?

"Ich sage mal so: Das Geld ist nicht entscheidend, aber es hilft natürlich. Wenn ich mehr Geld habe, kann ich Spieler mit mehr Qualität holen. Aber das bringt nicht automatisch Erfolg. Das Geld bringt nur etwas in Kombination mit guter Arbeit. Wenn ich diese Mittel nicht zur Verfügung habe, muss ich anders an die Sache rangehen. Man muss die richtigen Spieler finden, die in ihrer Karriere noch nicht ganz so weit sind, aber großes Potential haben. Es macht überhaupt keinen Sinn zu schauen, was andere haben. Wir wissen, dass wir bei der Austria gute Voraussetzungen haben und da müssen wir das Maximale rausholen. Aus meiner Sicht haben wir einen sehr guten Kader, aus dem wir schon was machen können. Auch am Sonntag."

Mit ihrem Amstantritt wurde die Parole ausgegeben, dass im Kampf um die Europacup-Startplätze nur noch Siege zählen. Birgt das nicht die Gefahr, dass der Druck zu groß wird, dass die Mannschaft diese Spannung nicht bis zum Ende halten kann?

"Diese Aussagen kamen nicht von mir. Jeder kann die Tabelle sehen. Als wir eingestiegen sind, war der Reiz dieser Aufgabe, dass wir aus den letzten zwölf Spielen das Maximale rausholen. Ich schaue nicht jeden Tag auf die Tabelle und rechne. Wir schauen auf jedes einzelne Spiel und das gelingt der Mannschaft bisher ganz gut. Theoretisch können wir zwölf Spiele gewinnen, noch sind wir im Soll. Über alles andere müssen wir unsere keine Gedanken machen. Das klappt bisher gut, die zwei Siege sind abgehakt. Jetzt konzentrieren wir uns auf Salzburg. Die anderen spielen auch noch gegeneinander, am Schluss wird man sehen, was rauskommt. Es wäre schlimm, wenn sich da irgendwas abnützen würde. Jeder, der hier arbeitet, ist ein Profi. Und unser Job ist es, das Maximale rauszuholen. So gesehen habe ich keine Sorge, dass der Druck zu groß ist. Druck haben wir immer, wir machen ihn uns auch selber."



Wie planen Sie ihre persönliche Zukunft? Sie sind bis Saisonende als Interimstrainer bestellt. Wann wollen Sie Gewissheit haben, wie es weitergeht?

"Ich sehe mich nicht als Interimstrainer, sondern als Trainer der Austria. Jeder Vertrag, den man unterschreibt, hat ein zeitliches Ende. Der Wunsch des Vereins war es, ich sehe darin auch viel Sinn und Positives, dass man sich auf diesen Block an Spielen konzentriert. Logischerweise geht es irgendwann auch mal um die Zukunftsplanung. Aber der Zeitpunkt wird kommen. Ich sage nicht, in vier, sechs oder acht Wochen müssen wir reden. Das Thema steht bei mir völlig hinten an. Aber es macht mir schon Riesen-Spaß, hier zu arbeiten. Ich denke aber nicht dauernd nach, hoffentlich geht es hier weiter. Es passt so wie es ist."

Die Regierung will Pyro-Technik in den Stadien verbieten. Die Fans steigen auf die Barrikaden. Wie sehen Sie das?

"Es hat ja was im Stadion. Wenn ich mich an den Besuch der Fans bei uns vor dem Abschlusstraining erinnere, war auch ein bisschen Qualm und dergleichen, dann pusht das. Das gehört ja auch zum Fußball dazu. Es gibt viele Dinge, wo man beim Verhalten der Fans aufpassen muss. Dinge wie Gewalt oder Drohungen, wie jetzt beim HSV. Das verurteile ich absolut, aber man muss schon unterscheiden. Die Ausnahmeregelung bei der Pyro-Technik, die Stimmung erzeugt und ein reiner Support ist, da spricht meiner Meinung nach nichts dagegen. Aber sobald es in Richtung Gewalt geht, wenn Spieler angegriffen werden, wie wir es in Österreich auch bereits erlebt haben, müssen klare Sanktionen her."



Was sagen Sie zu den jüngsten Skandalen (PAOK-Boss stürmt mit Pistole auf den Platz) rund um den griechischen Fußball?

"Wenn wir solche Zustände haben, ist es weder für Zuschauer noch Spieler sicher. Fußball ist ein Spiel, das für Unterhaltung sorgen soll. Da kann das nicht toleriert werden. Wenn ein Präsident mit der Waffe auf das Spielfeld stürmt, sollte der nie wieder irgendwo einen Fuß auf einen Platz setzen dürfen. In anderen Ländern gibt es da Riesenprobleme. Da haben wir es in Österreich schon deutlich angenehmer."

(Heute Sport)

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