Gesundheit

Helfen Piercings wirklich bei Migräne und Allergien?

Sich ein Piercing stechen lassen und für immer von Migräne und Allergien befreit sein? Das versprechen derzeit Tiktok-Videos. Experten sind skeptisch.

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Piercings sollen Beschwerden wie Migräne oder Stress lindern können.
Piercings sollen Beschwerden wie Migräne oder Stress lindern können.
Getty Images/iStockphoto

Bisher waren Piercings vor allem ein beliebter Körperschmuck. Nun rücken sie aber in den Fokus, weil sie angeblich auch Beschwerden lindern können. So kursieren auf TikTok unzählige Videos von begeisterten Personen, die durch ein Piercing von Migräne, Allergien, Stress oder von ihren Angstzuständen und Depressionen befreit worden sein sollen.

So sieht man etwa eine Frau, wie sie Apfelstücke isst, auf die sie allergisch reagiert. Dann wird ihr ein Piercing gestochen – sofort sind die Beschwerden weg. Unter Tränen sagt sie: "Oh mein Gott, es ist weg! Nach so vielen Jahren!"

Es gibt verschiedene Stellen, wo solche Piercings gestochen werden. Das "Shen Men Piercing" wird etwa im oberen Teil des Ohrs platziert und soll einen Akupunktur-Punkt stimulieren, wo zahlreiche Energiebahnen zusammenlaufen. Dadurch soll unter anderem Stress verschwinden.

Das "Daith Piercing", das durch den Ohrknorpel direkt über dem Gehöreingang gestochen wird, soll Migräne-Attacken und andere Kopfschmerzen lindern. TikTokerin Livia berichtet in einem Video, dass je ein Piercing auf jeder Seite ihre ständigen Kopfschmerzen gelindert habe: "Ich habe die Piercings seit fünf Wochen und muss sagen, dass ich einen krassen Unterschied merke", sagt sie. "Ich hatte früher jeden Tag Kopfschmerzen, jetzt ist es viel weniger."

Solche Aussagen wecken Hoffnung für viele Betroffene. Fachleute sind jedoch weniger euphorisch. Lisa Yuan von der Schweizer TCM-Praxis TongTu sagt: "Es gibt bisher keine Studien, welche einen heilenden Effekt bestätigen."

Auch Piercing-Studios selbst sind vorsichtig. So schreibt etwa das Tattoo- und Piercingstudio 2nd Skin auf seiner Webseite nicht von Medizin-Piercings, sondern von "Wohlfühlpiercings". Außerdem heißt es, dass diese Piercings "manchen Menschen helfen können" und dass dafür möglicherweise der Placebo-Effekt verantwortlich sein könnte. Und 2nd Skin stellt klar: "Dieser Körperschmuck ist kein offiziell anerkanntes medizinisches Heilmittel."

Der Placebo-Effekt

Auch die TCM-Expertin Lisa Yuan sagt: "Möglicherweise kann der Placebo-Effekt tatsächlich für eine Verbesserung sorgen. Aber im klinischen Alltag sehe ich keinen direkten Zusammenhang zwischen Piercings und dem Verschwinden von Beschwerden." Die Deutsche Migräne- und Kopfwehgesellschaft schreibt auf ihrer Webseite ebenfalls, dass es bisher keine entsprechenden Studien gebe, und rät dringend von der Behandlung mit Piercings ab.

Seriöse Anbieter

Willst du dennoch testen, ob ein solches Piercing gegen deine Beschwerden helfen kann, gilt es – wie bei allen Körpermodifikationen –, unbedingt auf ein professionelles Studio und gut ausgebildete Piercerinnen oder Piercer zu achten, welche sich an die geltenden Hygiene-Vorschriften halten. Trotzdem besteht immer ein Risiko: "Wird der Knorpel verletzt, kann das sehr schmerzhaft sein und zu Komplikationen führen", sagt Lisa Yuan. Außerdem können Infektionen auftreten. Im Zweifelsfall solltest du bei Beschwerden nicht lange warten, das Piercing entfernen und eine Fachperson aufsuchen.