Science

Nach vier Jahren – so geht es den "Gentech-Babys" heute

Vor vier Jahren verkündete He Jiankui die weltweit erste Geburt von genmanipulierten Babys. Die Kinder sollen heute ein "normales Leben" führen.

Christine Scharfetter
Vor rund drei Jahren hat He Jankui Gentech-Babys geschaffen. Jetzt hat er sich zurückgemeldet.
Vor rund drei Jahren hat He Jankui Gentech-Babys geschaffen. Jetzt hat er sich zurückgemeldet.
Wei liang / AP / picturedesk.com

Im November 2018 hat der chinesische Forscher He Jiankui die Welt erschüttert: "Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt." So verkündete He Jiankui von der Universität Schenzen damals in einem auf Youtube-Video die Geburt der weltweit ersten genmanipulierten Babys. Der Forscher gab an, das Erbgut der Kinder mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 so manipuliert zu haben, dass die Kinder vor einer Ansteckung mit HIV geschützt seien. Kurz darauf musste er seine Arbeit einstellen.

Trotzdem verkündete er zwei Monate später, dass ein weiteres Designerbaby auf dem Weg sei. Ende 2019 wurde dann bekannt, dass der Schöpfer der "Gen-Babys" zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt worden war – und dass Baby Nummer drei mittlerweile ebenfalls das Licht der Welt erblickt habe. Nun gibt He Jiankui erstmals ein Update.

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    Den Gentech-Babys, die He Jankui vor drei geschaffen hat, gehe es gut.
    Den Gentech-Babys, die He Jankui vor drei geschaffen hat, gehe es gut.
    Mark Schiefelbein / AP / picturedesk.com

    Das Leben der Kinder

    In einem Interview mit der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" erklärte der umstrittene Wissenschaftler, dass die von ihm geschaffenen Kinder heute ein "normales, friedliches und ungestörtes Leben" führen würden. Das sei ihr Wunsch und diesen gelte es zu respektieren. "Das Glück der Kinder und ihrer Familien steht an erster Stelle."

    "Glück der Kinder steht an erster Stelle."

    Auf die Frage, ob er sich Sorgen um die Zukunft der Kinder mache, antwortete He Jiankui laut der Zeitung, er habe die gleichen Erwartungen und Sorgen wie jeder Vater um die Zukunft seiner Kinder. Man wolle aber alles unternehmen, dass es den Kindern gutgehe. So hätten er und sein Team den Eltern versprochen, die Gesundheit der Kinder konsequent zu überwachen. "Nach dem 18. Lebensjahr werden die Kinder entscheiden, ob sie medizinische Nachsorge für ihre individuellen Bedürfnisse in Anspruch nehmen wollen."

    Man habe sich auch um private Zusatzversicherungen bemüht. Doch keine Versicherung habe einsteigen wollen. Nun sei geplant, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, um Geld zu sammeln.

    Zwei große Kritikpunkte

    In der Kritik stand He Jiankui vor allem aus zwei Gründen – wegen der von ihm gewählten Methode, aber auch, weil er bei seinen Aussagen zum Erfolg des Experiments "massiv gelogen" hat. Er und sein Team hatten behauptet, die Gene der Zwillingsmädchen "erfolgreich" so editiert zu haben, dass sie vor einer Ansteckung mit HIV geschützt seien.

    Beweisen konnten sie die Behauptung aber nicht, wie externe Fachleute damals in der "MIT Technology Review" schrieben: He Jiankui "hat die angestrebte Mutation nicht wirklich reproduziert. Vielmehr schuf er neue Mutationen, die zu einer HIV-Resistenz führen könnten, es aber auch nicht tun." In anderen Worten: Die erzeugte Genmutation ähnele jener, die immun gegen HIV mache, sei mit dieser aber nicht identisch.

    All diese Punkte sorgten für Kritik

    Die Verkündung He Jiankuis im Jahr 2018 hatte global für einen Aufschrei gesorgt. Kritiker sprachen von "GAU", "Wahnsinn", "unverantwortlichen Menschenversuchen" oder davon, dass die "Büchse der Pandora" geöffnet worden sei. Kritisiert wurden unter anderem folgende Punkte:
    ➤ Weder die Hochschule von He Jiankui noch das beteiligte Spital wussten offenbar von seinen Experimenten.
    ➤ Es lag keine Genehmigung der Behörden vor.
    ➤ He Jiankui soll «Jahrzehnte an Sicherheitsforschung einfach übergangen» haben. «Die Technik ist zwar ausgereift, aber niemand weiss, welche Langzeitfolgen die Anwendung bei menschlichen Embryonen hat», erkläre Martin Jinek von der Universität Zürich damals.
    ➤ He Jiankui hat laut Nikola Biller-Andorno, Leiterin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich, eine heikle Grenze überschritten: «Die DNA der Zwillinge wurde so verändert, dass die Modifikationen – die gewollten und gegebenenfalls unabsichtlich herbeigeführten – an die nächste Generation vererbt werden können – mit unklaren Folgen.»
    ➤ Das Vorgehen gilt als unethisch, zwei Kinder seien ungefragt instrumentalisiert worden.
    ➤ Intransparentes Vorgehen: Niemand weiss, wie die Familien rekrutiert wurden.

    He Jiankui forscht weiter

    Laut "South China Morning Post" forscht He Jiankui wieder: Er habe in Peking ein neues Labor eingerichtet, um an erschwinglichen Gentherapien für seltene genetische Krankheiten wie die Duchenne-Muskeldystrophie zu arbeiten – eine tödliche Krankheit, die vor allem Jungen und junge Männer im Teenageralter betrifft. Zudem soll er die Eröffnung einer gemeinnützigen Forschungsorganisation vorbereiten. "Ich habe eine langfristige Vision, nämlich, dass jeder von uns frei von Erbkrankheiten sein sollte."

    Im März 2023 sei außerdem ein Besuch der Universität Oxford geplant, wo er über den Einsatz der Crispr-Geneditierungstechnologie in der Reproduktionsmedizin sprechen werde, so der Forscher. Ob er noch einmal genau so handeln würde wie 2018? "Die Frage ist zu komplex, und ich habe noch keine Antwort darauf", zitiert ihn die "South China Morning Post". Er habe aber sicher "zu schnell gehandelt". Seither habe er sich stark verändert und viel dazugelernt.