Albtraum im Urlaubsparadies

Mallorca: Einheimische müssen in Wohnwägen leben

Während reiche Europäer auf Mallorca bei Luxusimmobilien die Qual der Wahl haben, können sich immer mehr Einheimische die Mieten nicht mehr leisten.
Nick Wolfinger
12.06.2025, 08:12
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Mit 13,4 Millionen Besuchern verzeichnete Mallorca in Vorjahr erneut einen neuen Tourismusrekord. Damit legten auch die Einnahmen, die die Branche auf der spanischen Urlaubsinsel lukriert, nocheimal um 12 Prozent zu – auf unglaubliche 22,38 Milliarden Euro. Und das bei einer Einwohnerzahl von gerade einmal 950.000.

Reiche Zuwanderer verdrängen Einheimische

Doch das Geld wird nicht gleichmäßig auf alle Einwohner verteilt. Zwar leben 80 % der Einwohner direkt oder indirekt vom Tourismus – profitieren aber nur wenig bis gar nicht davon. Und weil die Nachfrage nach Ferienwohnungen auf der sonnigen Mittelmeerinsel nicht nachlässt, steigen auch für die Einheimischen die Mieten für Wohnraum: Von 8 auf 17 Euro pro Quadratmeter allein in den letzten zehn Jahren.

Jetzt boomen Trailer Parks

Das führte nun zu einem Boom der ganz anderen Art: Auf Mallorca wachsen die Wohnwagensiedlungen! Und damit sind nicht Campingplätze für Touristen gemeint. "Ich verdiene am Flughafen als Reinigungskraft genau 1.200 Euro netto im Monat. So viel kostet mittlerweile die Miete einer Zweizimmerwohnung für mich und meine Frau. Wovon sollen wir da bitte schön leben?", beschreibt der 43-jährige Miguel seine aussichtslose Lage in einer Reportage der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).

Ein Wohnwagen mit Blumenkästen in Calvia nahe der Inselhauptstadt La Palma
EPA-EFE

Also kaufte er sich mit seinen Ersparnissen einen gebrauchten Wohnwagen und zog damit auf den Parkplatz des städtischen Schwimmbades San Hugo – eine wilde Wohnwagensiedlung für Einheimische. Dort lebt auch die Peruanerin Gily mit ihrem Mann und ihrem Sohn, der mit seinem bescheidenen Supermarktgehalt ebenfalls keine Wohnung für seine Familie finden kann. Da sie auch keinen eigenen Wohnwagen besitzen zahlen sie für das vier Meter lange Gefährt 300 Euro Miete im Monat.

Zuvor lebte sie in einer heruntergekommen Wohnsiedlung in Son Gotleu – doch selbst dort schießen die Mieten mittlerweile in der Höhe, weil gutsituierte Zuwanderer aus Deutschland, Schweden und den Niederlanden nun bereits in alteingesessene Wohnviertel ziehen, was zu weiteren Verdrängungseffekten führt.

Arm trotz Vollzeitjob im Rathaus

Zu den Nachbarinnen zählen auch Ana García und Begoña Iglesias, die Vollzeit für die Stadtverwaltung als Parksheriffs arbeiten – mit 1.140 Euro netto aber keine Wohnung finden. Noch schlimmer hat es der 75-jährige Miguel Mas, ein Nachbar der beiden. Er kann sich mit seiner 850-Euro-Pension nicht mal einen Wohnwagen leisten. Er leidet an Knochenkrebs und "haust" mit seinen zwei Hunden Rocky und Betty in einem nicht mehr fahrtüchtigen Opel.

Der Politik ist das Ganze natürlich ein Dorn im Auge – also setzte der rechtskonservative Bürgermeister die Polizei auf die "Wildcamper" an und versuchte sie mit hohen Strafen zu vertreiben. Da sich García und Iglesias nicht selbst Strafzettel ausstellen wollten, starteten sie eine Unterschriftensammlung – und fanden Unterstützung in der Anti-Tourismus-Bewegung, die seit Jahren Demonstrationen organisiert, und bei der Opposition. Bis auf Weiteres dürfen die sonst obdachlosen Berufstätigen weiterhin auf dem Parkplatz leben.

Nur leere Versprechen von der Politik

Von der Politik fühlen sich die Menschen komplett im Stich gelassen. Selbst die von 2016 bis 2024 regierende Linkskoalition hat von ihren versprochenen 500 Sozialwohnungen pro Jahr nur 500 in acht (!) Jahren insgesamt errichtet – während die Baubranche fast ausschließlich Luxuswohnungen und -appartmentanlagen errichtet, bei Kaufpreisen von 10 Millionen Euro aufwärts, wie etwa im Luxusviertel San Vida in den Hügeln von La Palma.

"Mallorca steht nicht zum Verkauf" hieß es auf dem Front-Transparent einer Demonstration gegen Übertourismus und Wohnungsnot am 25. Mai 2024
REUTERS

Die wilde Siedlung von Son Hugo ist übrigens icht die einzige auf der Insel. Es gibt auch welche in Calvià, Andratx oder Magaluf. Also kämpfen die Mallorquiner weiter. Am Sonntag, den 15. Juni, rufen sie zur nächsten Großdemo auf. Das Motto dieses Mal: "Für ein würdiges Leben der Mallorquiner".

{title && {title} } NW, {title && {title} } 12.06.2025, 08:12
Jetzt E-Paper lesen