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"Thiem wurde in Österreich unfair behandelt"

Tennis-Ass Lucas Miedler ist mit Alex Erler Österreichs größte Hoffnung in Paris. Mit "Heute" spricht er über Kellerwohnungen, Geld und Dominic Thiem.  

Martin Huber
Miedler: "Die Wohnung im Keller gibt es noch."
Miedler: "Die Wohnung im Keller gibt es noch."
GEPA

"Ich bin arbeitslos und lebe bei meiner Mama im Keller. Ich habe mich beim AMS gemeldet, Einnahmen habe ich derzeit keine."

Lucas Mieder war der fünftbeste Tennisspieler in Österreich als er am Beginn der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 in "Heute" seinen schwierigen Alltag als Tennisprofi schilderte. Leben konnte der 23-Jährige damals nicht von seinem Beruf. 323 Euro hatte er bei seinem letzten Turnier in Südafrika verdient. "1.000 Euro bekam ich vom Härtefond, das war es", erinnert er sich. 

    Dominic Thiem setzt bei der Rückkehr in die Weltspitze auf ein neues Team. 
    Dominic Thiem setzt bei der Rückkehr in die Weltspitze auf ein neues Team.
    GEPA

    Geringe Fixkosten, kein Trainer

    In der Saison vor Corona hatte Miedler als Profi noch knapp 75.000 Euro verdient – vor Steuer. Dazu kamen Start- und Preisgelder aus nationalen Liga-Spielen, die plötzlich flach fielen. Er war froh, dass er sich in einem Keller-Apartment im Haus seiner Mutter die Miete ersparte und sich wenige Wochen zuvor von seinem Trainer Werner Eschauer getrennt hatte.

    "Meine Fixkosten hielt ich immer gering", sagt er. Dass die Mama einen Stock drüber wohnte, störte ihn nicht. "Mit ihr verstehe ich mich gut."

    Fast alles anders

    Das war 2020. 2023 ist bei Miedler fast alles anders. Er hat keine Existenzsorgen, 160.000 Euro hat er bis Mitte Mai allein an Preisgeld erspielt. Der 26-Jährige schlägt im Doppel statt im Einzel auf. Und er hat bessere Chancen auf den Gewinn der French Open in Paris als Dominic Thiem.

    Miedler bildet mit Alexander Erler das rot-weiß-rote Erfolgsdoppel. Das Duo schrieb Sport-Geschichte, weil sie als erste Österreicher die ATP-Turniere in Kitzbühel (2021) und Wien (2022) gewannen. In Acapulco und München legten sie heuer noch zwei ATP-Titel drauf. Wenige Tage vor dem ersten Aufschlag in Roland Garros sind der Tiroler und Niederösterreicher die Nummer 34 und 35 der Welt. Sie stehen also mitten in der Weltspitze, genau dort, wo Thiem wieder hin will.       

      Dominic Thiem präsentiert seine Brillen-Kollektion.
      Dominic Thiem präsentiert seine Brillen-Kollektion.
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      Alcaraz besiegt, dann doch Doppel

      "Die Wohnung im Keller gibt es noch", schmunzelt Miedler auf "Heute"-Nachfrage. "Aber ich habe jetzt eine Freundin und lebe mit ihr zusammen und nicht mehr im Keller." Nachsatz: "Persönlich hat sich sonst nicht viel verändert. Ich glaube, ich bin der gleiche Mensch geblieben."

      Sportlich hat der Turniersieg in Kitzbühel aber eine Lawine ins Rollen gebracht. "Wir haben aus dem Nichts gewonnen." Reiner Zufall sei es gewesen, dass sie am Platz zu einem Paar wurden. "Ich konnte aus vier Doppelpartnern wählen und habe mich für den Alex entschieden. Das war auch Ballgefühl."

      Auch nach dem emotionalen Kitz-Triumph war nicht klar, dass ihre Zukunft im Doppel liegt. Logisch, denn Erler schlug in dieser Turnierwoche in der Gamsstadt im Einzel einen gewissen Carlos Alcaraz.

      "Wir haben erst vier Tage spezifisch Doppel trainiert"

      "Der Alex hat Waffen, er ist mit seiner enormen Power von hinten gefährlich. Ich habe die Übersicht, ein bisschen mehr Gefühl. Ich bin der solidere Part, der ihn in Positionen bringt, damit der Alex richtig abfackeln kann." So beschreibt Miedler das Erfolgsrezept am Platz. "Diese Mischung macht es bei uns aus, sie macht es schwierig für die Gegner."

      Von der landläufigen Meinung, dass sie als unbeschriebenes Duo viele Top-Teams überraschten, hält er wenig. "So läuft es nicht. Auf diesem Level setzt sich Qualität durch."

      Miedler sieht noch viel Luft nach oben. "Wir haben ja erst vier Tage spezifisch Doppel trainiert. Das war im letzten Winter mit Alex Peya. Von seiner Erfahrung können wir profitieren. Es geht dabei nicht darum, Dinge komplett neu zu erfinden, sondern Abläufe zu perfektionieren. Wir können uns überall verbessern und das wird auch nötig sein."

      Miedler (l.) mit Doppel-Partner Erler: "Es gibt natürlich Reibungspunkte."
      Miedler (l.) mit Doppel-Partner Erler: "Es gibt natürlich Reibungspunkte."
      GEPA
      "Wir machen nicht alles gemeinsam, weil wir nicht eine Person sind."

      Das Leben als Doppel-Team sei nicht immer einfach. "Es gibt natürlich Reibungspunkte", sagt Miedler. "Wir arbeiten zusammen, aber das ist anders als ein Bürojob von neun bis 17 Uhr. Wir machen auch nicht alles gemeinsam, weil wir nicht eine Person sind. Jeder hat seine eigenen Interessen. Ich bin sicher der geselligere Typ, habe das Würfelbrett immer mit dabei."

      "Thiem hat mich zu einem besseren Tennisspieler gemacht"

      Zwischen den Turnieren gehen beide bewusst getrennte Wege. Erler trainiert in Kufstein, Miedler mit seinem aktuellen Trainer Wolfgang Thiem in Traiskirchen. "Er hat mich zu einem besseren Tennisspieler gemacht", sagt Miedler, der 2014 als 17-Jähriger als Junior die Australian Open im Doppel gewann. "Unser Training war am Anfang nicht auf das Doppel ausgelegt. Aufschlag, Return, die Grundschläge ziehen – das alles ist besser geworden und hilft mir jetzt."

      Miedler mit Thiem beim Davis Cup: "Es gibt Länder, die mehr für Sport überhaben als Österreich."
      Miedler mit Thiem beim Davis Cup: "Es gibt Länder, die mehr für Sport überhaben als Österreich."
      GEPA

      Schwieriges Comeback

      In Traiskirchen hat Miedler auch das Comeback von Dominic Thiem genau verfolgt. "Er hatte eine unheimlich schwere Verletzung, ein kaputtes Handgelenk ist bei seinem Zug auf der Vorhand eine Katastrophe. Dominic wurde unfair behandelt. Er war einer der Besten, das sollte geschätzt werden. Die Leute sollen ihm Zeit geben." Überrascht hätte ihn das Abschreiben eines Grand-Slam-Siegers nicht wirklich. "Es gibt Länder, die einfach mehr für Sport überhaben als Österreich."

        Sepp Resnik mit zerstörten Tennisschlägern in seinem Domizil in der Lobau: "Ein Geschenk von Dominic."
        Sepp Resnik mit zerstörten Tennisschlägern in seinem Domizil in der Lobau: "Ein Geschenk von Dominic."
        Helmut Graf

        Einfache Rechnung

        Seine Einzel-Karriere hat Miedler abgeschrieben. "Die Rechnung ist einfach, da musst du keinen Nobelpreis gewonnen haben. Als Doppelspieler verdiene ich einfach mehr." 1.300 Euro hat er für einen Sieg bei einem Future-Turnier kassiert, für das Erstrunden-Aus beim Masters-Turnier in Rom gab es zuletzt 7.890 Euro. 

        In Genf scheiterte das ÖTV-Duo am Doenstag klar 4:6, 1:6 an Jamie Murray (GB) und Michael Venus (AUS). Der Fokus liegt jetzt voll auf den French Open. "Uns beflügelt es, vor vielen Fans zu spielen", sagt Miedler. "Darum reizt es mich auch bei Olympia 2024 in Paris für Österreich zu spielen. Aber das ist noch weit weg. Davor gibt es noch genug Reize für uns. Jeder hat am Anfang geglaubt, wir können nur daheim gewinnen. Wir haben das Gegenteil bewiesen."

          Fußball-Fan in Köln: Dominic Thiem verfolgt mit Freundin Lili vor der Tennis-Saison 2023 das 1:1 von Köln gegen Hoffenheim im Stadion. 
          Fußball-Fan in Köln: Dominic Thiem verfolgt mit Freundin Lili vor der Tennis-Saison 2023 das 1:1 von Köln gegen Hoffenheim im Stadion.
          Imago
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