Nach Schicksalsschlag

Tiroler räumt in Wald auf, macht 26.300 Menschen Mut

Angst, Depression und eine Autismus-Diagnose bestimmten lange Fabios Leben. Heute begeistert er als Musiker und Umweltaktivist tausende Menschen.
Hannah  Maier
02.07.2025, 06:15
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Angst vor Menschen, kein Busfahren, kein Einkaufen – lange Zeit lebte Fabio C. in völliger Isolation, begleitet von Frust, Depressionen und vielen Therapien. "Wenn man nicht mehr 'funktioniert' wird man schnell von der Gesellschaft ausgeschlossen", sagt der 37-Jährige. Er leidet an einer Autismusspektrum-Störung (A.S.S.). Vor einigen Jahren stellten Ärzte zudem eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) fest.

Symptome wie Reizüberflutung, extreme soziale Erschöpfung, Rückzug, Panikattacken, Flashbacks und ein ständiges Gefühl, falsch oder fremd zu sein, prägten seinen Alltag. "Schon in der Schulzeit hieß es, ich sei 'unkonzentriert' oder 'unaufmerksam'. Freunde haben sich mit den Jahren entfernt. Viele alte Kontakte sind abgebrochen – teils von mir; teils, weil Menschen mit solchen Diagnosen oder Einschränkungen nicht umgehen können oder wollen, was ich auch irgendwo nachvollziehen kann", erzählt Fabio.

Auf Isolation folgte Selbstfindungsphase

Der Innsbrucker musste seinen Job als Lager-Logistiker aufgeben und zog raus aus der Stadt, in eine ruhigere Gegend. Die Umstellung und der Umgang mit seiner Krankheit waren nicht einfach. "Ich war innerlich wie eingefroren. Aber genau in dieser Zeit ist vieles entstanden. Ich musste mich mit mir selbst auseinandersetzen", erzählt er. Ein Selbstfindungs-Prozess begann.

Musik spielte dabei eine große Rolle. Fabio spielt Gitarre, Klavier, Schlagzeug, Mundharmonika, Schlaginstrumenten und er singt. Seiner Leidenschaft widmete er wieder mehr Zeit. Entstanden ist dabei "The Wolf's Feather Project": Unter dem Künstlernamen "Sev Wolf" schreibt der Tiroler Songs, in welchen er Themen, wie Trauma, Einsamkeit, Gesellschaftskritik und Verlust behandelt. "Musik ist meine Therapie und mein Spiegel geworden – und offenbar auch für viele meiner Fans", freut er sich.

Tiroler räumt in Wald auf

Auf der Suche nach Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten zog es Fabio vermehrt in die Natur. Doch der achtlos weggeworfene Müll, den er auf Spaziergängen fand, ärgerte ihn. Kurzerhand begann er, ihn aufzusammeln. Daraus entstanden wöchentliche Müllsammelaktionen (Cleanups) rund um Innsbrucks Wälder. "Es ist für mich mehr als Umweltschutz – es ist ein Zeichen gegen Gleichgültigkeit. Und auch eine Art Meditation. Es hilft mir, mich zu erden, und am Ende eines Cleanups fühlt es sich gut an, die sauberen Waldwege zurückzugehen", sagt er. Im Winter füttert er die Tiere an 15 legal angelegten Futterstellen.

Auf Social Media erhält Fabio dafür viel Zuspruch. Über 26.000 Menschen folgen ihm mittlerweile auf Instagram. "Ich mache keine Show – ich bin einfach ich und mache mein Ding. Dass sich Menschen aus der ganzen Welt damit verbinden können, berührt mich sehr. Ich bekomme oft Nachrichten von Personen, denen meine Musik oder meine Texte helfen oder auch Bilder von deren eigenen Cleanups. Das fühlt sich echt gut an. Ich habe das Gefühl, gesehen zu werden und gibt mir in meiner Situation auch einen weiteren 'Sinn des Lebens'", erzählt der Musiker.

Neuer Mut trotz Schicksalsschlägen

Seine Krankheit bleibt zwar eine tägliche Herausforderung, doch Fabio hat gelernt, sich mit Struktur, Musik, Natur und einigen Menschen ein stabiles Umfeld zu schaffen. In die Zukunft blickt der 37-Jährige optimistisch. Musikalisch möchte er sich weiterentwickelt. Eine Biografie über sein Leben schließt er ebenfalls nicht aus.

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Und auch ein paar Träume hat er: "Wenn sich mein Krankheitsbild irgendwann etwas stabilisiert, möchte ich mit dem Zug an einen Ort fahren, der weiter entfernt ist, als ich ihn derzeit mit dem Fahrrad erreichen kann. Vielleicht schaffe ich es, einmal ein Konzert zu geben. Ich wünsche mir einfach, bestmöglich gesund zu bleiben und wieder einen Anschluss unter Menschen in der Gesellschaft zu finden."

{title && {title} } HTM, {title && {title} } Akt. 02.07.2025, 10:50, 02.07.2025, 06:15
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