Anna-Lena Neuwirth stand am Höhepunkt ihrer Karriere. Die Profi-Tennisspielerin war Nummer 1 in Österreich und mehrfache Staatsmeisterin. Sie hatte gerade den Einstieg in die WTA-Weltrangliste geschafft, wo die Besten der Welt spielen. Doch ein tragischer Unfall im Jahr 2017 nahm der damals 18-Jährigen die Möglichkeit, sich weiter zu beweisen.
Sie war für ein Turnier nach Polen gereist. Auf einem Parkplatz wollte Neuwirth nachsehen, ob sie in ihrer Sporttasche alles mit hatte. Ein Betreuer knallte den Kofferraumdeckel zu. Die Sportlerin hatte den Kopf aber noch im Auto. Die Folge waren Schwindel, eine Sprachstörung und stechende Ohrenschmerzen. "Ich habe es zunächst selbst unterschätzt, doch es ging mir von Tag zu Tag schlechter", erinnert sich die 26-Jährige.
Zurück in Österreich war sie bei Ärzten und im Krankenhaus. Die Diagnose: eine instabile Halswirbelsäule, ein Schädeltrauma und eine Verletzung der Kiefergelenke. Es folgten Behandlungen mit Cortison, autogenes Training, Physiotherapie, Mentaltherapie, Akupunktur, Akupressur und eine Stammzellentherapie. Die Halswirbelsäule konnte im Laufe der Jahre auch stabilisiert werden, doch was blieb waren die Ohrenschmerzen. "Es waren stechende Schmerzen, wenn etwas laut war oder gehallt hat. Außerdem hat mich ein Tinnitus jahrelang verfolgt", erzählt die Ex-Profisportlerin.
Der Tinnitus beeinträchtige ihre Lebensqualität enorm. "Ich habe ständig einen schrillen Piepton gehört. Besonders nachts war es belastend. Ich konnte die Tiefschlafphase nicht mehr erreichen und mich nicht regenerieren. Beruflich konnte ich maximal zwei Stunden etwas machen, weil ich energietechnisch so eingeschränkt war", schildert die Kärntnerin.
Bis zur Behandlung war es ein langer Weg. Neuwirth suchte verschiedenste HNO-Ärzte auf, "doch meistens wurde gesagt, dass es psychosomatisch und nur Einbildung sei", erinnert sie sich. Ihre Eltern wurden dann schließlich auf Johannes Schobel, HNO-Facharzt und Tinnitusspezialist in St. Pölten, aufmerksam. "Der Piepton beim Tinnitus fühlt sich an, als wäre man der Situation ausgeliefert. Der Kampf gegen den Tinnitus ist kontraproduktiv; man muss sich mit ihm arrangieren", erklärt Schobel.
Der Experte setzt in der Behandlung seit vielen Jahren auf den Einsatz von Hörgeräten und arbeitet dabei unter anderem mit Akustikern von Neuroth zusammen. "Alle Hörgeräte haben einen Noiser, der von einem Akustiker freigeschaltet werden muss. Der Noiser erzeigt ein Rauschen, welches einen angenehmen Kontrast zum Pfeifton darstellen muss. Ziel der Sache ist, den Tinnitus auszugleichen, bis man ihn weniger wahrnimmt", erklärt Schobel.
Schon nach drei bis vier Wochen stellt sich bei den Patienten in der Regel eine Verbesserung ein – so auch bei Neuwirth. Innerhalb der vergangenen drei Jahre hat sich ihre Situation sehr zum Positiven verbessert. "Mit dem Hörgerät habe ich wieder zurück ins Leben gefunden. Ich wusste gar nicht, dass ich nochmal in so eine innere Ruhe kommen kann. Der Tinnitus ist durch das Tragen der Hörgeräte leiser geworden", erzählt Neuwirth.
Mit dem Profisport musste sie nach dem Unfall aufhören. Doch Neuwirth ließ sich nicht unterkriegen, machte in der Zwischenzeit eine Ausbildung und arbeitet mittlerweile als Berufsfotografin. Außerdem hat sie eine eigene Tennisschule in Villach und Velden eröffnet und ist dort Trainerin. "Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dankbar für das zu sein, das ich habe. Ich war schon immer ein Mensch, der versucht hat, aus allem etwas Positives herauszuholen und das hat mir in der schweren Zeit sicher geholfen", so die Kärntnerin.