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Nach Scharner-Ausraster hat Koller die Nase voll

Heute Redaktion
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Bild: Reuters

Österreichs Fußball-Teamchef Marcel Koller hat am Mittwochabend kurz vor dem Testspiel gegen die Türkei unmissverständlich klargemacht, dass es unter ihm für Paul Scharner keine Zukunft mehr in der ÖFB-Auswahl gibt. "Ich kann es nicht akzeptieren, wenn einer einen Stammplatz fordert. So war die Situation. Unter mir wird er sicher nicht mehr spielen", sagte der Schweizer in einem ORF-Interview.

Österreichs Fußball-Teamchef Marcel Koller hat am Mittwochabend kurz vor dem Testspiel gegen die Türkei unmissverständlich klargemacht, dass es unter ihm für Paul Scharner keine Zukunft mehr in der ÖFB-Auswahl gibt. "Ich kann es nicht akzeptieren, wenn einer einen Stammplatz fordert. So war die Situation. Unter mir wird er sicher nicht mehr spielen", sagte der Schweizer in einem ORF-Interview.

Koller erhielt Rückendeckung von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner. "Man kann nicht einen Stammplatz fordern, da gibt es nur die Möglichkeit, dass man getrennte Wege geht. Wenn ein Spieler für die Nationalmannschaft nicht bereit ist, sich auf die Ersatzbank zu setzen, dann ist die Entscheidung aller, dass man so einen Spieler nicht mehr dabei hat."

Bereits am Dienstabend hatte Scharner dem Magazin "News" ein Interview gegeben, in dem er schwere Geschütze gegen Koller auffuhr. "Wenn jemand mit mir umspringt wie mit einem jungen Trottel, bin ich tief beleidigt. So geht man nicht mit mir um, so gibt es mit Sicherheit keinen Paul Scharner 2014", wurde Scharner zitiert.

Eine "Beleidigung" für Scharner

Der HSV-Legionär hatte nach dem Dienstagsvormittagstraining von Koller erfahren, dass er gegen die Türkei nicht erste Wahl ist - für Scharner eine "Beleidigung", schließlich habe er in den jüngsten beiden Länderspielen starke Auftritte hingelegt. "Und jetzt komme ich zum Team und bin Ergänzungsspieler. Paul Scharner als Kaderspieler wird es nicht geben, denn ich kann der Mannschaft nur helfen, wenn ich fix spiele. Aber einfach degradiert und auf die Ersatzbank gesetzt werden, ohne Option und mit der Erklärung, ich habe zu wenig Erfahrung auf der Innenverteidigerposition, ich habe zu wenige Spiele gemacht auf dieser Position in den letzten zwei Jahren, das ist nicht okay", schimpfte Scharner und verwies auf seine rund 330 Erstligaspiele, in denen er nach eigenen Angaben 180 bis 200 Mal Innenverteidiger gespielt habe.

Er sei nach der Mitteilung Kollers "baff" gewesen, so Scharner. "Wenn man mit mir über die Innenverteidigerposition philosophieren möchte, dann schaltet's bei mir aus, ehrlich gesagt. Auf der Position braucht mir keiner was vormachen." Er sei mit 32 Jahren, 207 Premier-League-Spielen und 21 Toren der erfahrenste Spieler im Kader. "Wer hat das in den letzten 150 Jahren geschafft?", fragte der Niederösterreicher.

"Weichgeklopft wie ein Schnitzel"

Koller sei mittlerweile "weichgeklopft wie ein Schnitzel", erklärte Scharner. "Jetzt müssen sie ihn nur noch panieren, dann passt's. Dann ist er ein richtiger Österreicher. Er ist am Anfang super schweizerisch aufgetreten, super Linie gefahren, professionell. Aber scheinbar ist irgendwas im Sommer passiert."

Der Teamchef konterte Scharners kulinarische Allegorie mit Humor: "Ja, ich esse Schnitzel. Zwar nicht jeden Tag, aber es schmeckt lecker."

Scharner vermutete, seine Berufung in den Mannschaftsrat sei nur Augenauswischerei gewesen. "Er gibt mich in den Spielerrat, er gibt den Pogatetz nicht in den Spielerrat. Das heißt, mich will er mit der Position im Spielerrat ruhigstellen. Und den Pogatetz und den Prödl lässt er spielen. Der Prödl ist ein Junger, der spielt möglicherweise noch länger als ich im Nationalteam. Da steckt ein Plan dahinter. Ich soll ein spielender Backup-Coach sein. Da mache ich nicht mit! Ich habe die letzten zwölf Jahre alles mitgemacht, ich habe jeden Verein so weit wie möglich und so sehr es in meiner Macht stand, gepusht. Das ist jetzt vorbei. Ich würde sagen, das ist jetzt der Paul Scharner 2.0. Der Paul Scharner lässt sich nicht verarschen und nicht verbiegen", wurde der 40-fache Internationale in "News" zitiert.

Brief an Koller

Abschließend kündigte Scharner an, Koller einen Brief "mit klaren Fakten und Ansagen" zu schreiben, und bezeichnete Österreichs Chancen auf eine WM-Teilnahme mit "null". "Mit Koller fahren wir nie zur WM 2014." Mit ihm, Scharner, wären die Chancen hingegen größer gewesen.

Lesen Sie weiter: So kam es zum Eklat ) aus Protest nicht bestreiten. Seine Teamkarriere ist damit wohl endgültig zu Ende.

Der Neo-HSV-Legionär hat das ÖFB-Teamcamp wenige Stunden vor dem Länderspiel, welches als Generalprobe für den WM-Quali-Hit gegen Deutschland dient, verlassen. Als Grund werden Differenzen mit Teamchef Marcel Koller genannt. Es soll vor Scharners Abreise und nach den letzten taktischen Besprechungen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sein. Scharner hatte vom Schweizer laut ÖFB-Aussendung eine "Schlüsselrolle" im Türkei-Match und in der kommenden WM-Qualifikation gefordert.

Koller wird wie folgt zitiert: "Paul hat zuletzt zweimal von Beginn an gespielt. Gerade in der Innenverteidigung haben wir aber einige Möglichkeiten, weshalb ich im heutigen Spiel noch einmal etwas anderes probieren will. Da er dies nicht akzeptieren konnte, hat er sich entschlossen nach Hause zu fahren."

Mentaltrainer Hobel: "Paul macht da nicht mehr mit"

Der ÖFB - insbesondere Präsident Leo Windtner, Generaldirektor Alfred Ludwig und Sportdirektor Willi Ruttensteiner - unterstützten Koller in seiner Entscheidung. Scharner war zunächst zu keiner Stellungnahme erreichbar. Sein Mentaltrainer Valentin Hobel war vorerst über die genauen Umstände nicht informiert und konnte nur Mutmaßungen anstellen. "Es geht wahrscheinlich wie immer um Anspruch und Anerkennung. Wenn Paul entwertet wird, macht er nicht mehr mit."

Dass sein Schützling durch diese Aktion nicht mehr für die ÖFB-Auswahl berücksichtigt werden könnte, ist dem Mentalcoach bewusst. "Er geht eben seinen Weg, und ich bin ein Coach, der ihm sagt, dass er seinen Weg gehen muss." Dass der 40-fache Internationale, der erst am Montag von Koller in den Mannschaftsrat berufen worden war, noch einmal das ÖFB-Trikot überstreifen wird, ist also unwahrscheinlich.

Zweites Aus im ÖFB-Team

In seiner Karriere hatte Scharner schon des öfteren mit ähnlichen Aktionen für Aufsehen gesorgt. Im August 2006 etwa erklärte der Niederösterreicher, er sehe sich aufgrund der unprofessionellen Strukturen innerhalb des ÖFB außer Stande, weiterhin fürs Team zu spielen. Der damalige Nationaltrainer Josef Hickersberger kam diesem Wunsch nach und holte Scharner auch nicht zurück, als dieser vor der EURO 2008 um eine Pardonierung bat.

Nach dem Heim-Turnier folgte das Team-Comeback, seither zählte Scharner unter Karel Brückner, Dietmar Constantini und auch Marcel Koller zu den Fixpunkten in der österreichischen Nationalmannschaft, in der er seit Jahren als Querdenker galt. Unter Scharners Eigenwilligkeit bekam auch schon der nunmehrige deutsche Teamchef Joachim Löw zu spüren - unter dem damaligen Austria-Trainer weigerte sich Scharner im Oktober 2003, im rechten Mittelfeld eingewechselt zu werden.

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