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Nach Tod von Ärztin – so unfassbar ist der Hass

Nach dem Suizid der von Corona-Gegnern massivst bedrohten Ärztin Lisa-Maria Kellermayr packen ihre Kollegen nun über unfassbaren Hass aus.

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Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in Linz.
Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in Linz.
FOTOKERSCHI.AT / APA / picturedesk.com

Die Medizinerin Lisa-Maria Kellermayr hatte sich stark für Corona-Impfungen engagiert und hatte Corona-Maßnahmengegner kritisiert – dafür war sie monatelang massiv von Impfgegnern unter Druck gesetzt und bedroht worden. Am Freitag wurde bekannt, dass sie tot in ihrer Praxis in Oberösterreich gefunden worden war. Sie litt darunter, dass von Behörden und Politik "sehr viel geredet wurde, aber keiner etwas getan hat". Und sie "verwünschte" die Landespolizeidirektion Oberösterreich.

Anzeige gegen Polizei

Gegen die Beamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich und der Staatsanwaltschaft Wels ist inzwischen Anzeige eingegangen, da diese "auf die Verfolgung des mutmaßlichen Täters verzichteten", wie es heißt. Zuvor hatten österreichische Behörden nicht gegen die Verfasser der Drohungen ermittelt, obwohl eine Hackerin ihnen Informationen zu den Accounts übergeben hatte. Kellermayr selbst hatte die Hackerin kontaktiert, die Opfer von Hate Speech unterstützt. Innerhalb weniger Stunden habe sie einen Großteil der Drohungen auf eine rechtsextreme Gruppierung zurückführen können.

Doch: Die Polizei reagierte nicht auf die angebotenen Informationen. "Die Polizei hat vieles verdreht", so die Hackerin gegenüber "WDR". Über Kellermayr sagte die Hackerin: "Es war schlimm mit anzusehen, wie verzweifelt sie war. Niemand hat sie für voll genommen." Wie schlimm, das sagen nun auch heimische Mediziner, die ebenfalls über massive Drohungen gegen ihre Person auspacken. Etwa die Virologin Dorothee von Laer: Sie traute sich zeitweise nur noch mit Perücke auf die Straße, erlitt ein Burnout und fiel einen Monat lang komplett aus.

Suizidgedanken? Hol Dir Hilfe, es gibt sie.

In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen - außer, Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.

Wenn Du unter Selbstmord-Gedanken, oder Depressionen leidest, dann kontaktier bitte die Telefonseelsorge unter der Nummer 142 – täglich 0-24 Uhr!

Perücke, Burnout – und immer mehr Drohungen

"Es hat mich auch sehr belastet, weil diese Hass-E-Mails zum Teil wirklich sehr verletzend waren", so die Virologin im Ö1-"Morgenjournal". "Ich hab dann gelernt, mich etwas vorsichtiger auszudrücken, als immer nur meine subjektive Meinung darzustellen. Dadurch war ich vielleicht nicht mehr so ein Angriffspunkt", so von Laer. Im ersten Jahr habe es dazu geführt, "dass ich im November dann ein Burnout hatte und auch über ein Monat ausgefallen bin komplett. Im Internet fallen offensichtlich die Hemmungen, da ist es dann auch unter die Gürtellinie gegangen, mit Ausdrücken, die man nicht wiederholen kann."

    In Wien gedachten mehrere Hundert Teilnehmer der verstorbenen Ärztin.
    In Wien gedachten mehrere Hundert Teilnehmer der verstorbenen Ärztin.
    "Heute"

    Zu spüren bekam den Hass auch Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene der Universität Wien, der seine eigene Art entwickelt hat, damit umzugehen: "Es ist nicht damit beendet, dass man es liest. Es hallt nach." Das nage an einem, so Hutter. Er habe das dann "radikal abgestellt", "man löscht es brutal weg" statt mit den Schreibern zu diskutieren. Schon die Kopfzeile oder der Betreff könne seltsam wirken, da wisse man bereits im Vorfeld, was man löschen könne. Rudolf Schmitzberger von der Österreichischen Ärztekammer ist ebenfalls von Drohungen betroffen.

    Kurse mit Selbstverteidigungseinheit ausgebucht

    Der Impfreferent verweist auf Kurse, etwa der Wiener Ärztekammer, für Deeskalationsmaßnahmen mit einer Selbstverteidigungseinheit. "Sie sehen, wie dramatisch die Situation ist", so Schmitzberger, "diese Kurse sind ständig ausgebucht". Das "Morgenjournal" verweist dabei auf weitere solche Kurse in Salzburg sowie eigene Beratungsstellen in der Steiermark und in Wien. Was Schmitzberger außerdem fordert: schärfere Gesetze, härtere Strafen und eine Bewusstseinsänderung. Die Drohungen im Internet sollen nicht mehr leichtfertig als Kavaliersdelikt hingenommen werden.

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