Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan ist es wieder zu schweren Gefechten gekommen. Bei Schüssen an einem wichtigen Grenzübergang sind laut dem afghanischen Bezirksgouverneur von Spin Boldak, Abdul Karim Dschahad, am Samstag vier Zivilisten ums Leben gekommen, vier weitere wurden verletzt.
Auf pakistanischer Seite gibt es nach Angaben aus dem Krankenhaus drei Leichtverletzte. Beide Staaten schieben sich gegenseitig die Schuld für den Ausbruch der Gewalt zu.
Anrainer auf der afghanischen Seite berichten gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass der Schusswechsel am späten Freitagabend gegen 22.30 Uhr Ortszeit (19 Uhr MEZ) begonnen und rund zwei Stunden angedauert hat. Ein AFP-Reporter aus der pakistanischen Grenzstadt Chaman berichtet, dass Artilleriefeuer und Explosionen zu hören waren.
Ali Mohammed Hakmal, Informationsminister der Provinz Kandahar, spricht gegenüber AFP von Angriffen der pakistanischen Seite mit "leichter und schwerer Artillerie". Mehrere Häuser seien von Mörsergranaten getroffen worden.
Die Regierungen beider Länder werfen einander vor, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Der Sprecher der Taliban-Regierung, Sabihullah Mudschahid, teilt im Onlinedienst X mit, Pakistan habe den Grenzbezirk Spin Boldak in Kandahar angegriffen. Afghanische Kräfte seien daher "gezwungen gewesen, das Feuer zu erwidern".
Der pakistanische Regierungssprecher Mosharraf Zaidi spricht wiederum von "Schüssen ohne vorherige Provokation", die das "afghanische Taliban-Regime" abgefeuert habe. Die pakistanischen Streitkräfte hätten "sofort angemessen und entschlossen reagiert". Laut dem Informationsminister von Kandahar einigten sich beide Seiten schließlich auf ein Ende der Gefechte.
Seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan im August 2021 kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Einheiten der beiden Nachbarländer. Im Oktober ist der Konflikt erneut eskaliert. Auslöser waren Explosionen in Kabul, für die die Taliban Pakistan verantwortlich gemacht haben.
Bei Kämpfen im Grenzgebiet wurden im Oktober laut UNO mehr als 70 Menschen getötet, darunter viele afghanische Zivilisten. Schließlich haben die beiden Länder unter Vermittlung von Katar und der Türkei eine Waffenruhe vereinbart. In mehreren Verhandlungsrunden konnte man sich aber nicht auf eine dauerhafte Lösung einigen. Seit 12. Oktober sind die Grenzen dicht.
Im November beschuldigte Afghanistan Pakistan, bei Luftangriffen im Grenzgebiet zehn Menschen getötet zu haben, darunter neun Kinder. Die pakistanische Regierung hat das zurückgewiesen. Am 28. November erklärte das pakistanische Außenministerium, dass die Waffenruhe angesichts "größerer" Angriffe auf eigenem Boden nicht mehr halte.
Diese Woche hat Pakistan aber angekündigt, die Grenze für Hilfslieferungen teilweise wieder zu öffnen. Die UNO wollte den Grenzübergang Chaman für Lieferungen nach Afghanistan nutzen. Wann diese Lieferungen starten, war noch nicht klar. Der pakistanische Regierungssprecher Zaidi versicherte gegenüber AFP, dass die Hilfslieferungen unabhängig von den aktuellen Gefechten stattfinden und "keine Auswirkungen auf diese Entscheidungen" hätten.