Seit ihrer Machtergreifung in Afghanistan vor mittlerweile vier Jahren haben die radikal-islamistischen Taliban Frauen aus dem öffentlichen Leben weitestgehend verbannt. Ohne Begleitung eines männlichen Vormundes dürfen Frauen in dem Land am Hindukusch weder das Haus verlassen noch sprechen. Schulbildung und die Ergreifung eines Berufes ist den Frauen mit nur wenigen Ausnahmen verboten.
Es muss daher ein ziemlicher Kulturschock gewesen sein, als der Außenminister der Taliban-Regierung, Amir Khan Muttaqi, zu einer sechstätigen Indien-Reise aufgebrochen ist – und dort bei einer Pressekonferenz plötzlich den kritischen Fragen zahlreicher weiblicher Journalisten ausgesetzt war.
"Warum tun Sie das in Afghanistan? Wann dürfen die (nach Indien geflüchteten, Anm.) Frauen zurückkehren und ihr Recht auf Bildung bekommen?", fragte etwa die prominente unabhängige Journalistin Smita Sharma.
Dabei hätte es nach der Vorstellung der Taliban gar nicht zu dieser ungewohnten Konfrontation kommen dürfen. Denn bei der ersten Pressekonferenz nach der Ankunft in Indien am Freitag (10. Oktober) waren ausschließlich Männer eingeladen. Der Aufschrei indischer Medien folgte prompt.
Viele indische Reporter, Pressegruppen und Oppositionspolitiker bezeichneten die Veranstaltung als Affront gegen die demokratischen Prinzipien und die Pressefreiheit Indiens. Der Press Club of India verurteilte den Ausschlussaufs Schärfste und forderte die indische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass es keiner ausländischen Macht gestattet wird, die Bedingungen der Zusammenarbeit mit der indischen Presse zu diktieren.
Die Journalistenvereinigung Editors Guild of India bezeichnete die Entscheidung in einem offenen Brief als "eklatante Geschlechterdiskriminierung auf indischem Boden".
Zur Entrüstung aller erklärte das indische Außenministerium (MEA) jedoch nur, es sei "an der Presseinteraktion" des afghanischen Außenministers nicht beteiligt gewesen – und erklärte sich in der Sache gewissermaßen für unzuständig.
Letztlich waren es die Taliban selbst, die angesichts der Welle an negativer Berichterstattung in ganz Indien zur Einsicht gelangten, es würde ihrem Ansehen in dem wichtigen Nachbarland in der Region besser gereichen, wenn sie bei der nächsten Pressekonferenz auch Frauen zuließen. Und so geschah es dann auch, wie CNN aus Indien berichtete.
Bei der zweiten Pressekonferenz zum Abschluss des Staatsbesuches überließen die männlichen Journalisten ihre weiblichen Kolleginnen demonstrativ die ersten Reihen, setzten sie somit dem direkten Anblick des Taliban-Ministers aus. Dieser musste dann zähneknirschend eine Reihe kritischer Fragen zur Geschlechterdiskriminierung in Afghanistan etragen – was ihm sichtlich nicht leicht fiel.
Er erklärte, dass es bei zehn Millionen Schulkindern in dem 43-Millionen-Einwohner-Land sehr wohl 2,8 Millionen weibliche Schüler gebe (ausschließlich der Besuch von Volksschulen ist ihnen nach wie vor gestattet) und behauptete: "Es gibt gewisse Einschränkungen in bestimmten Bereichen, aber das bedeutet nicht, dass wir gegen Bildung sind."
"Das sind offensichtlich gut einstudierte Lügen", erklärte daraufhin Suhasini Haider, Diplomatie-Redakteurin der Zeitung The Hindu.