Die USA erhöhen den Druck auf die Ukraine: Präsident Donald Trump rief Kiew auf, seinem Plan zur Beendigung des russischen Angriffskrieges bis Donnerstag zuzustimmen. "Wir denken, Donnerstag ist ein angemessener Zeitpunkt", sagte Trump am Freitag dem Sender Fox News. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den Plan in seiner jetzigen Form zuvor entschieden zurückgewiesen. Die Verbündeten der Ukraine warnten, dass keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Beteiligung Kiews getroffen werden dürfe.
Trump deutete zugleich an, dass dies kein Ultimatum sei. Er habe bereits viele Fristen gesetzt - und "wenn die Dinge gut laufen, ist man geneigt, die Fristen zu verlängern", sagte er. Die "Washington Post" hatte berichtet, Trump strebe eine Zustimmung der Ukraine zu dem US-Plan bis zum Familienfest Thanksgiving kommende Woche Donnerstag an. Ansonsten könnte die Ukraine die Unterstützung der Vereinigten Staaten verlieren, berichtete das Blatt unter Berufung auf fünf mit den Verhandlungen vertraute Verantwortliche.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die USA einen 28-Punkte-Plan zur Beilegung des Krieges in der Ukraine erarbeitet haben. In seiner jetzigen Form würde der US-Vorschlag, der entscheidende Forderungen Moskaus aufnimmt, praktisch einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen. Er verlangt von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und einen Verzicht auf einen Nato-Beitritt.
Selenskyj sagte in einer Rede an die Nation, er werde sein Land nicht "verraten". Die Ukraine stehe vor einer "sehr schwierigen Entscheidung", sie werde entweder ihre "Würde" oder einen "wichtigen Partner" verlieren. Er kündigte an, "Alternativen" zu dem US-Vorschlag vorzulegen. "Ich werde Argumente vorbringen, ich werde überzeugen", sagte er weiter.
Selenskyj beriet am Freitag mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie dem britischen Premierminister Keir Starmer über den US-Vorstoß. Die Verbündeten der Ukraine betonten, die ukrainische Armee müsse weiterhin zur Verteidigung der Souveränität des Landes imstande sein. Zudem kritisierten sie die in dem US-Plan vorgeschlagenen Gebietsabtretungen. Später telefoniert Merz auch mit Trump. Es sei ein "gutes und vertrauliches Telefonat" gewesen, schrieb Merz im Onlinedienst X.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres mahnte an, jeder Friedensplan müsse die "territoriale Integrität" der Ukraine respektieren. Eine Friedenslösung für die Ukraine müsse "die Resolutionen der Generalversammlung einhalten", sagte Guterres vor Journalisten.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte, dass die Ukraine eine zentrale Rolle bei der Entscheidung über ihre eigene Zukunft spielen müsse. "Wir sind uns einig, dass nichts über die Ukraine ohne die Ukraine entschieden werden sollte", erklärte sie bei X nach einem Gespräch mit Selenskyj.
"Als nächste Schritte werden die europäischen Staats- und Regierungschefs morgen am Rande des G20-Gipfels und dann nächste Woche in Angola beim EU-AU-Treffen" zusammenkommen und über den US-Plan für die Ukraine beraten. Mehrere europäische Staatenlenker nehmen an diesem Wochenende am G20-Gipfel in Johannesburg teil - die USA sind nicht dabei.
Selenskyj sprach am Freitag auch mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. "Sie vereinbarten, in engem Kontakt zu bleiben, während wir alle daran arbeiten, das Blutvergießen und die Zerstörung zu beenden", sagte ein Nato-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP.
Selenskyj telefonierte zudem mit US-Vizepräsident JD Vance und Pentagon-Staatssekretär Dan Driscoll. In dem fast einstündigen Telefonat habe er unterstrichen, dass die Ukraine "den Wunsch von US-Präsident Donald Trump, dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, stets respektiert hat und dies auch weiterhin tut", erklärte Selenskyj in Onlinediensten.
Aus Kreisen des Weißen Hauses erfuhr die Nachrichtenagentur AFP zudem, dass Trump sowohl mit Kiew als auch mit Moskau zusammenarbeite, um den Krieg "so schnell wie möglich" zu beenden. Dem Weißen Haus zufolge handelt es sich bei dem 28-Punkte-Plan, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag, noch um ein "Arbeitsdokument".
Russland sieht sich durch den US-Vorstoß offenbar bestätigt und drängt die Ukraine zu sofortigen Verhandlungen. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte am Freitag, der US-Plan könne "den Grundstein für eine endgültige Friedenslösung legen". Zudem betonte er wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bereits zuvor, dass Kiew schnell zustimmen solle, um nicht noch mehr Gelände zu verlieren.
Militärstratege Berthold Sandtner, von der Landesverteidigungsakademie des Bundesheers, äußerte sich am Freitagabend in der "Zeit im Bild 2" zum US-Friedensplan für die Ukraine und sprach dabei Klartext.
"Sehr vieler dieser Punkte dieses Plans sind russische Maximalforderungen, die wir schon sehr lange kennen. Eigentlich seit dem Frühjahr 2022, seit den Verhandlungen in Istanbul", erklärt Sandtner und nennt die Reduktion der ukrainischen Streitkräfte oder der Verzicht auf Gebiete als Beispiele.
"Im Wesentlichen ist das auch glaube ich ein russisches Kalkül hinter diesem Plan, der zwar von den USA kommt, aber von Russland sicher in einer gewissen Weise mitbestimmt wurde, dass der eigentlich nicht annehmbar ist und man sich selber von russischer Seite jetzt durchaus kompromissbereit zeigen kann, wenn man weiß, dass die Ukraine diesen Plan eigentlich nicht annehmen kann, weil das im Wesentlichen einer Kapitulation der Ukraine gleichkäme", stellt der Experte unmissverständlich klar.
Der Militäranalyst erwarte sich auch kein Entgegenkommen Russlands. "Ganz im Gegenteil", so Sandtner. Russland habe von Anfang an immer klargemacht: "Es gibt ein Grundübel bzw. eine Grundursache dieses Krieges und das ist das Regime, wie man es bezeichnet, das Nazi-Regime, wie die Russen es sagen, also die Regierung in Kiew und dieses müsse man beseitigen."
Im Gespräch mit ORF-Moderatorin Margit Laufer lässt der Experte auch aufhorchen. Sandtner gehe nämlich fix davon aus, dass "man seine Ziele, nämlich die Unterjochung und Unterwerfung, die politische Kontrolle der Ukraine jedenfalls fortsetzen will. Ob es nun zu einem Waffenstillstand kommt oder nicht!"