Natalija Chodemtschuk, die Witwe des ersten Opfers der Tschernobyl-Katastrophe von 1986, ist in der Nacht auf Samstag bei einem massiven russischen Drohnen- und Raketenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew ums Leben gekommen.
Die 73-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt, als eine Drohne ein Wohngebäude im Bezirk Troischtschyna traf und ihre Wohnung vollständig in Brand setzte. Sie erlitt laut "Kyiv Independent" Verbrennungen zweiten und dritten Grades auf 45 Prozent ihres Körpers. Obwohl sie sofort ins Spital gebracht wurde, konnten die Ärzte ihr Leben nicht retten.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski reagierte am 15. November auf X auf Chodemtschuks Tod und sprach von "einer neuen Tragödie, die erneut vom Kreml verursacht wurde". Die Ukrainerinnen und Ukrainer, die Tschernobyl überlebt und später beim Wiederaufbau des Landes geholfen hätten, seien "erneut in Gefahr", schrieb Selenski.
Natalija Chodemtschuks verstorbener Ehemann Waleri war der einzige Mitarbeiter des Kraftwerks, dessen Leiche nach der Reaktorexplosion nie geborgen wurde. Der Pumpenbediener befand sich im April 1986 in der nördlichen Haupthalle des Reaktors, als die Explosion den Block erschütterte, seine sterblichen Überreste liegen bis heute unter den Trümmern. Nach der Katastrophe wurde Natalija aus ihrem Zuhause in Prypjat evakuiert und erhielt eine Wohnung in Kiew.
Bei dem Angriff am Freitag kamen insgesamt sechs weitere Menschen ums Leben. In dem getroffenen Wohnblock leben auch andere ehemalige Tschernobyl-Mitarbeiter, darunter Oleksiy Ananenko, der 1986 in einen unter dem Reaktor gelegenen Tank sprang und dadurch eine zweite Explosion verhinderte.
Natalija Chodemtschuk hätte demnächst an einem Fotoshooting zum 40. Jahrestag der Katastrophe teilnehmen sollen. "Wir haben eine Frau verloren, die die Hölle von Tschernobyl durchlebte, ihren Mann verlor, Kinder großzog und Tragödien ertragen musste, die jeden anderen gebrochen hätten. Aber nicht sie", erklärten die ukrainischen Behörden.
Natalija hatte ihren späteren Ehemann Waleri in den 1970er-Jahren in einer Kantine von Prypjat kennengelernt, wo sie als Verkäuferin arbeitete. Das Paar bekam zwei Kinder – Sohn Oleh und Tochter Larysa. In den Stunden nach der Explosion von 1986 suchte sie verzweifelt in der Krankenstation und in der Leichenhalle nach ihrem vermissten Mann.