Am 10. Juni 2025 wurde in der Grazer Dreierschützengasse das Unvorstellbare zur grausamen Realität: Ein 21-Jähriger stürmte das BORG und tötete zehn Menschen – neun Jugendliche und eine Lehrerin. Viele weitere wurden verletzt, zahllose traumatisiert. Seitdem steht die Schule still, und mit ihr das Leben vieler Familien.
In einem offenen Brief wenden sich nun Eltern an Spitzen der Politik – vom Bundespräsidenten bis zur Stadtregierung, vom Bildungsminister bis zur Direktion. Ihr Appell ist deutlich: Jetzt darf es kein "Weiter wie bisher" geben. Denn: "Unsere Kinder sind nicht mehr dieselben."
Die Eltern zeigen in ihrem Schreiben tiefe Betroffenheit – aber auch Klarheit. Was ihre Kinder durchgemacht haben, habe tiefe Spuren hinterlassen. Die seelischen Trümmer seien oft nicht sichtbar, aber gefährlich. Deshalb warnen sie: Es darf jetzt kein überstürztes "Zurück zur Normalität" geben.
Gefordert wird ein behutsamer Weg zurück, mit professioneller Begleitung. Fachleute für Traumapädagogik und Schulamokprävention sollen einbezogen werden – internationale Namen wie Jens Hoffmann oder Michaela Halper werden konkret genannt. Der Schulstart im Herbst müsse verschoben werden, um Raum für echte Stabilisierung zu schaffen.
Auch die schulischen Anforderungen müssen sich an die neue Realität anpassen. "Kein zusätzlicher Druck", lautet die zentrale Forderung der Eltern. Es brauche flexible, individuelle Lösungen bei Prüfungen, Noten und Anwesenheitspflichten – über mehrere Jahre hinweg.
Konkret schlagen sie vor: weniger Schularbeiten, Hybridunterricht, alternative Prüfungsformen, längere Pausen, Rückzugsräume. Lehrerinnen und Lehrer sollen mit Schulungen auf Flashbacks und Panikattacken vorbereitet werden. Ein dauerhaftes psychologisches Betreuungssystem vor Ort sei unerlässlich.
Vertrauen soll durch Mitbestimmung wachsen: Die Eltern fordern eine eigene Steuerungsgruppe – mit Experten, Eltern-, Lehrer- und Schülervertretungen sowie Bildungsbehörden. Sie soll über Maßnahmen beraten und diese laufend begleiten.
Auch die Kommunikation muss sich ändern: Eltern verlangen direkte Information – nicht nur über Plattformen an ihre Kinder. Denn die Verantwortung trage man gemeinsam. Es gehe darum, einen sicheren Ort zu schaffen, "der nicht nur nutzbar, sondern wieder lebbar ist".
Die letzten Zeilen des offenen Briefs sind ein stiller Aufschrei: "Wir haben unsere Kinder an diesem Tag wie immer zur Schule geschickt. Zehn kamen nicht mehr nach Hause. Die anderen sind nicht mehr die, die sie vorher waren."
Es gehe jetzt darum, sie nicht auch noch emotional zu verlieren. "Tun wir das Richtige – nicht das Bequeme", schreiben die Eltern. Ihr Wunsch: Heilung, Bildung und Zukunft für ihre Kinder – getragen von einer Gesellschaft, die Verantwortung übernimmt.