Die Zahlen sind alarmierend: Bis zu 840.000 Menschen leben in Österreich in Hochwassergebieten, errechnete das Landwirtschaftsministerium. Für diese Menschen heißt es: Sie müssen zumindest einmal im Leben mit einem "Jahrhunderthochwasser" rechnen. Am höchsten sei das Risiko im alpinen Raum sowie entlang der Donau.
Von anderen möglichen Extremwetter-Ereignissen wie Hitzewellen, Orkanen oder Dürren können hingegen - vom Bodensee bis zum Neusiedler See - alle Österreicher betroffen sein.
Wie sieht es für Katastrophen-Opfer dienstrechtlich aus? Das österreichische Arbeitsrecht sieht für Arbeitnehmer, die "persönlich von einer Katastrophe betroffen sind, eine anlassbezogene Dienstfreistellung unter Fortzahlung des Entgelts durch den Arbeitgeber für die Dauer bis zu einer Woche vor", erklärt das Arbeitsministerium auf "Heute"-Anfrage.
Diese Regelung erfasse nicht nur verkehrsbedingte Verhinderungen, die dem Arbeitnehmer ein "Erreichen des Arbeitsortes unmöglich machen", davon erfasst seien auch Verhinderungen aufgrund von Aufräumarbeiten sowie Vorkehrungen für eine Naturkatastrophe, heißt es weiter. So weit, so gut.
Ebenso haben heimische Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die Katastrophe "in ihren Auswirkungen den Betrieb des Arbeitgebers" betreffe (die Firma wurde beispielsweise eingeschneit oder überschwemmt) und dies als "typisches Betriebsrisiko" zu werten sei.
Hier nun der Haken: Handelt es sich bei der Naturkatastrophe um ein "umfassendes Elementarereignis, das in seiner Auswirkung über die Arbeitgebersphäre hinaus die Allgemeinheit trifft (beispielsweise eine ganze Region)", sei "keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers" vorgesehen.
Genau dieser "Elementarereignis-Status" trifft allerdings auf Klimakatastrophen wie das jüngste September-Hochwasser in Niederösterreich zu. Gehaltsfortzahlungen sind in derartigen Fällen also, rechtlich gesehen, ein Goodwill des Arbeitgebers.
„Es sind sich alle Experten einig, dass das Arbeitsrecht dem Klimawandel angepasst werden muss.“Timon PflegerArbeiterkammer Wien
Der ÖGB widerspricht dem Arbeitsministerium bei der wegfallenden Entgeltfortzahlungspflicht: "Wir sehen das anders - wir halten die Rechtsmeinung des Arbeitsministeriums für falsch. Eine entsprechende Judikatur dazu liegt nicht vor", erklärt Martin Müller, Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB gegenüber "Heute".
Die bisherige gesetzliche Regelung ist also - in Zeiten der Klimakrise - unzureichend geworden: "Es sind sich alle Experten wohl oder übel einig, dass das Arbeitsrecht dem Klimawandel angepasst werden muss", erklärt Jurist Timon Pfleger von der Arbeiterkammer auf "Heute"-Anfrage. Die Gehaltsfortzahlungs-Regelung bei Katastrophen sei eine "umstrittene Sache", die geregelt werden müsse.
Notfalls wird die Verantwortung der Gesetzesauslegung im Katastrophenfall einfach weitergereicht: "Die Beurteilung, ob ein umfassendes Elementarereignis vorliegt, obliegt dem Bundesland, bei dem der Antrag auf Ersatz des fortgezahlten Entgelts eingereicht wird", erklärt das Arbeitsministerium.
Klare dienstrechtliche Regelungen für die österreichischen Arbeitnehmer im Falle von Elementarereignissen sind also mehr als notwendig - die Politik ist hier gefordert.
Die Häufigkeit von Hochwassern und anderen Extremwetter-Ereignissen dürfte durch die Klimakrise zunehmen. So zeigen aktuelle Auswertungen der GeoSphere, dass die Phasen mit viel Niederschlag zunehmen, während wenig Niederschlag seltener wird. Das liegt daran, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann.
Demnach kommen Tage mit extremen Regenfällen im Sommer um 30 Prozent häufiger vor als noch in den 1960er Jahren, im Herbst beträgt der Anstieg sogar 40 Prozent. Auch sommerliche Dürren und Orkane werden häufiger auftreten, sagen Klima-Experten.