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Peter Seisenbacher drohen zehn Jahre Haft

Heute Redaktion
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Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher, gegen den wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs ermittelt wird, drohen bis zu zehn Jahre Haft. Seisenbacher hat als erster Judoka bei zwei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen Gold geholt. Der 54-Jährige ist einer der erfolgreichsten Sommersportler Österreichs.

Nach zwei Titeln im Zeichen der Fünf Ringe, einem WM-Erfolg und acht EM-Medaillen (1 Gold/3 Silber/4 Bronze) war Seisenbacher seinem Sport als Betreuer erhalten geblieben und dabei Anfang der 2000er-Jahre auch Vereinstrainer in Wien gewesen. Auf diese Zeit bezieht sich die nun laut "Laola1.at" eingereichte Sammelklage, in der Seisenbacher von mehreren Mädchen schwerer sexueller Missbrauch vorgeworfen worden sein soll. Seisenbacher war vorerst von der APA für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ex-Schützling brachte Stein ins Rollen

Im Herbst 2013 brachte eine Frau, die von Seisenbacher beim Wiener Judoverein trainiert worden war, Anzeige ein. Der Doppel-Olympiasieger soll sich Anfang der 2000er-Jahre an zumindest drei weiteren Minderjährigen vergangen haben. Ein mutmaßliches Opfer soll zum Tatzeitpunkt erst das Volkschulalter gehabt haben.

Die Nachforschungen sind fast abgeschlossen, es steht nur noch der Schlussbericht der Polizei aus. Sollte sich während der Verhandlung der Tatverdacht bestätigen, muss der 54-Jährige mit einer Haftstrafe bis zu zehn Jahren rechnen.

Der am 25. März 1960 geborene Wiener holte 1980 bei den Heim-Europameisterschaften in Wien mit Silber seine erste Medaille. Am 9. August 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger. Seine fünf Kämpfe in der Klasse bis 86 kg erledigte Seisenbacher in insgesamt nur zwölf Minuten und zehn Sekunden allesamt positiv. "Ich wollte gegen jeden so schnell wie möglich gewinnen, um Kraft zu sparen. Und ich bin dadurch einfach nie müde geworden. Bis zum Finale nicht", erklärte er damals sein Erfolgsrezept.

Vom Sportler zum Sporthilfe-Generalsekretär

Nach zwei schweren Knieoperationen, aber dank Technik, Kampfgeist und Erfahrungsschatz verteidigte Seisenbacher den Olympia-Titel am 29. September 1988 in Seoul erfolgreich und schrieb damit Sportgeschichte. "Ich habe mich immer auf meinen nächsten Kampf konzentriert und dass ich volle Wäsche geh'", betonte der Weltmeister von Seoul 1985 und Europameister von Belgrad 1986 nach seinem historischen Triumph.

Nur einen Monat nach der zweiten Olympia-Goldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden und meinte: "Dieser Sympathiebeweis wird mir in meinem zukünftigen Job als Sporthilfe-Generalsekretär sehr viel helfen." Unterstützung benötigte er auch, wie er feststellen sollte, denn die Herausforderung war eine große und das sportpolitische Parkett - anders als die ihm so vertraute Matte - äußerst glatt.

Verurteilung wegen Körperverletzung  

Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher, um sein Amt zu behalten, bei Sportminister Harald Ettl entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er beim Turnier in Leonding einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst. Ein Linzer Gericht hatte Seisenbacher wegen leichter Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er nach Differenzen seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern als Sporthilfe-Generalsekretär ab und erklärte: "Wenn es so ist, dass die Grundidee nicht mehr übereinstimmt, ist es besser, dass man getrennte Wege geht."

"Lust am Raufen verlieren"  

Seisenbacher blieb dem Judosport, mit dem er im Alter von sechs Jahren begonnen hatte ("Meine Mutter schickte mich hin, weil sie hoffte, dass ich dort die Lust am Raufen verlieren würde"), aber stets verbunden. Und das nicht nur als kritischer Beobachter, sondern vor allem als Trainer, zuletzt als Chefcoach von Georgien (2010 bis 2012) und Aserbaidschan (2012 bis 2013).

Der Präsident des Österreichischen Judo-Verbandes (ÖJV), Hans Paul Kutschera, hat bestürzt und betroffen auf den Missbrauchs-Verdacht reagiert. Kutschera hofft, dass sich die Vorwürfe gegen den Doppel-Olympiasieger als unrichtig herausstellen. Er sagte außerdem die volle Unterstützung des Verbandes bei der Aufklärung des Falles zu. "Ich bin bestürzt. Diese Nachricht hat Österreichs Judofamilie wie einen Blitz getroffen. Peter Seisenbacher ist für viele Menschen in Österreich ein Ausnahmesportler, der es in einer Weltsportart geschafft hat, zwei olympische Goldmedaillen zu gewinnen", wurde der "zutiefst betroffene" Verbandschef in einer Aussendung zitiert.