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Pistorius frei, aber obdachlos

Heute Redaktion
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Bild: Waldo Swiegers (AP)

Etappensieg für Oscar Pistorius: Der Mordverdächtige kam gegen Kaution in der Höhe von 8.560 Euro frei. Das entschied ein Gericht in Pretoria, nach dem am Freitag die Anhörung fortgesetzt worden war. Die Empörung in Südafrika ist groß. Währenddessen ist Pistorius obdachlos, da sein Haus, der Tatort, gesperrt ist.

 war. Die Empörung in Südafrika ist groß. Währenddessen ist Pistorius obdachlos, da sein Haus, der Tatort, gesperrt ist.

Der südafrikanische Paralympics-Star Oscar Pistorius hat seine erste Nacht in Freiheit im Haus seines Onkels im Stadtteil Waterkloof in Pretoria verbracht. Dies berichtete der Sender SABC am Samstag. Der unter Mordverdacht stehende Sportler, der am Valentinstag seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hatte, war am Freitag gegen Kaution auf freien Fuß gekommen.

Pistorius darf zunächst nicht in sein Haus in Silverwood Estate zurückkehren, wo die 29-jährige Steenkamp durch die geschlossene Badezimmertür getötet worden war. Dies ist eine der Kautionsauflagen, die Richter Desmond Nair zur Bedingung für Pistorius' Freilassung gemacht hatte.

Auf Kaution frei

Richter Desmond Nair traf die umstrittene Entscheidung am Freitag nach einer mehrtägigen Anhörung in Pretoria. Der unter Mordverdacht festgenommene südafrikanische Sprintstar kommt gegen Kaution auf freien Fuß. Somit geht er als freier Mann in den Prozess.

Ein Freund des Sportlers schrie nach der Verkündung der Entscheidung laut "Yes!", der Aufschrei war im ganzen Saal zu hören und muss für die Familie von Reeva Steenkamp wie eine Verhöhnung wirken. Freilich ist Pistorius dennoch weit entfernt von einem Freispruch.

Richter verneinte Fluchtgefahr

Der Richter stellte vorab klar, dass er mit seiner Anordnung nicht über die Schuld von Pistorius am Tod seiner Freundin entscheide. Es bestehe keine Fluchtgefahr, sagte Richter Nair zur Begründung. Außerdem gehe von Pistorius keine akute Gefahr für die Gesellschaft aus. Die Höhe der Kaution wurde auf eine Million Rand (85.600 Euro) festgesetzt. Am 4. Juni muss Pistorius erneut vor Gericht erscheinen.

Der Zorn in der Stimme des Richters war nicht zu überhören. Die Polizei habe "grobe Fehler" begangen, eine Pistolenkugel in der Toilettenschüssel übersehen und Beweismaterial nicht sichergestellt. Richter Desmond Nair ließ kaum einen Zweifel daran, dass er den mordverdächtigen Paralympics-Stars Oscar Pistorius vor allem deshalb gegen Kaution freilasse, weil die Polizei schlampig gearbeitet habe. 

Auch wenn Pistorius' Trainer angekündigt hat, er gehe davon aus, dass sein Schützling am Montag wieder ins Training einsteige, nimmt das Leben für den Sprintstar bis Juni nicht ganz seinen normalen Lauf.

An diese Regeln muss sich Pistorius halten:


Der Athlet kehrt nicht nach Hause ins Silver Woods Estate in Pretoria zurück, wo Reeva Steenkamp erschossen wurde. Er wird sich an einem für die Öffentlichkeit unbekannten Ort aufhalten.
Pistorius gibt alle Reisedokumente ab, er darf Südafrika bis auf weiteres nicht verlassen und muss sich von Flughäfen fernhalten.
Außerdem muss sich der angeklagte Leichtathletik-Star von Montag bis Freitag zwischen 07:00 und 13:00 bei der Polizei melden.
Pistorius muss seine Feuerwaffen abgeben und darf keine neuen kaufen.


Empörung in SüdafrikaDie Freilassung von Oscar Pistorius löst in Südafrika Empörung aus. Viele sind schon jetzt bitter enttäuscht, wie Behörden und Polizei mit dem als "Blade Runner" bekannten Sportler umgehen.

 "Pistorius wurde mit Samthandschuhen angegriffen, von den Behörden und den Medien, weil er ein privilegierter, reicher, weißer Südafrikaner ist", empörte sich der angesehene Kolumnist Rapule Tabane von der Wochenzeitung "Mail & Guardian". Manche würden dank "Rasse und Klasse" geschützt. "Viel zu oft haben wir in Südafrika gesehen, dass Geld und gute Anwälte die Waagschalen der Justiz beeinflussen."

In der Tat können viele Südafrikaner nicht verstehen, wieso Pistorius von Anfang an Privilegien genoss. Er musste trotz Mordverdachts nicht ins Untersuchungsgefängnis, sondern wurde in einem Polizeirevier untergebracht, wo ihn ständig Freunde und Familie besuchen konnten. Im Polizeifahrzeug zum Gericht saß der Angeklagte nicht wie üblich auf dem Rücksitz, sondern auf dem Beifahrersitz. Anderen blühe in solchen Fällen "der gewöhnliche Schrecken der südafrikanischen Gefängnisse", lästerte Tabane.

Einwände der Anklage ignoriert

Die Schlussfolgerung der Richters ist nicht unumstritten: Anklagebehörde und Polizei hatten sich entschieden gegen eine Freilassung von Pistorius gegen Kaution ausgesprochen. Es bestehe angesichts seiner Auslandskonten und eines Domizils in Italien Fluchtgefahr.

Pistorius versteckte sein Gesicht hinter einer Jacke, als er am Freitag zu der Anhörung eintraf, die um 10.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr MEZ) begann.

Fallen Polizei schlampige Ermittlungen auf den Kopf?

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den beinamputierten Profisportler, am Donnerstag vergangener Woche seine Freundin "vorsätzlich" ermordet zu haben. Pistorius sagt, er habe seine Freundin aus Versehen erschossen, weil er glaubte, im Badezimmer befinde sich ein Einbrecher.

In einem Kreuzverhör des Pistorius-Anwalts Barry Roux musste der bis Donnerstag leitende Ermittlungsbeamte der Polizei, Hilton Botha, zugeben, dass am Tatort keine Belege dafür gefunden worden seien, die den Darstellungen von Pistorius widersprechen. Die Verteidigung kritisierte scharf angebliche Ermittlungsmängel der Polizei.

 
Neuer Chefermittler

Die Anhörung hatte sich in den vergangenen Tagen unter anderem dadurch verzögert, dass die Polizei am Donnerstag den bisherigen Chefermittler in dem Fall, Hilton Botha, wegen des  absetzte. Als leitender Ermittler wurde Vineshkumar Moonoo eingesetzt.