Buch geschrieben

Plus-Size-Expertin – "Als Dicke bist du Freiwild"

Martina "Bobby" Herrmann-Thurner setzt sich seit Jahren gegen Gewichtsdiskriminierung ein. Nun hat die Wienerin das Buch "Fat Business" geschrieben.
Christine Ziechert
28.11.2025, 06:00
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben
Hör dir den Artikel an:
00:00 / 02:45
1X
BotTalk

Sie ist Plus-Size-Expertin, Bloggerin ("Curvect Plus Size"), Podcasterin ("Fat Business") und setzt sich seit mehr als zehn Jahren gegen Gewichtsdiskriminierung ein: Nun hat Martina "Bobby" Herrmann-Thurner (45) ihr erstes Buch "Fat Business" (Kremayr & Scheriau, 25 Euro) herausgebracht.

"Mehrgewicht ist ein zutiefst politischer Begriff und hat nichts mit Selbstliebe zu tun. Es geht darum, dass Körper per se nicht bewertet und dicke Körper nicht diskriminiert werden. Denn Gewichtsdiskriminierung verhindert Karrieren, zerstört Lebenschancen und sorgt für Benachteiligung im Arbeitsleben und im Bildungswesen", erklärt die gebürtige Wienerin im Gespräch mit "Heute".

„Wenn jemand zu mir sagt: 'Du bist fett!' dann antworte ich: 'Ja, ist so!'“
Bobby Herrmann-ThurnerAutorin und Plus-Size-Expertin

In insgesamt acht Kapiteln spannt die 45-Jährige in ihrem Buch den Bogen "Von der Wut über ein Wort" über die "Entstehung der Dickenfeindlichkeit" und die "Diskriminierung in Arbeit, Mode, Medizin und ihre Folgen" bis zu "Diäten, Magenbypass oder doch Ozempic".

Dick, fett oder mehrgewichtig – all diese Worte benutzt Herrmann-Thurner auch (für sich) selbst: "Fett ist etwas, das meinen Körper beschreibt. Es wird immer negativ verwendet. Man muss sich den Begriff daher zu eigen machen. Wenn jemand zu mir sagt: 'Du bist fett!' dann antworte ich: 'Ja, ist so!', damit nehme ich den Menschen den Wind aus den Segeln. Aber natürlich war das ein jahrelanger Prozess, bis ich so weit war."

„Wenn du als dicker Mensch auf der Straße gehst, bist du Freiwild“
Bobby Herrmann-Thurnerüber Beleidigungen

Situationen, in denen die Plus-Size-Expertin diskriminiert wurde, gab es schon viele – etwa bei Ärzten oder in Lokalen: "Einmal durfte ich mich nicht auf die Liege legen, weil 'die ist ja nur für Menschen unter 100 Kilo gemacht'. Ein anderes Mal wollte mir eine Ärztin unbedingt eine Keto-Diät einreden. Ich saß währenddessen halbnackt vor ihr, das war wirklich nicht angenehm. Und im Restaurant hat mich mal ein Kellner gefragt, ob ich noch ein Dessert möchte. Als ich 'Nein' gesagt habe, hat er gemurmelt: 'Ist besser, hast eh schon genug gehabt'."

Fremde, die Herrmann-Thurner ungewollt auf der Straße fotografieren, angeekelte oder mitleidige Blicke im Flugzeug oder Theater, Beschimpfungen oder ungefragte Diät-Tipps ("Solltest du das essen?") – alles keine Seltenheit: "Wenn es um Beleidigungen von dicken Menschen geht, gibt es keine Grenzen. Wenn du als dicker Mensch auf der Straße gehst, bist du Freiwild", meint die 45-Jährige.

Erste Diät mit 7 Jahren

Je nach Tagesverfassung reagiert die Wienerin darauf – oder eben nicht: "Es kommt immer darauf an, wie ich mich fühle. Es gibt Tage, da ignoriere ich es. Natürlich gibt es auch Situationen, wo du merkst, dass eine Diskussion einfach nicht möglich ist, wenn du Bemerkungen hörst wie 'Du bist krank', 'Du bist schiach' oder 'Bring dich um'. Aber manchmal gehe ich auch darauf ein und frage: 'Können Sie mir jetzt sagen, warum Sie das machen? Warum haben Sie solche Vorurteile?'"

Bereits in der Kindheit wurde Herrmann-Thurner mit Diäten konfrontiert: "Meine erste Diät musste ich mit sieben Jahren machen. Das war aber kein Thema für mich. Als Teenager kamen dann natürlich die Selbstzweifel: 'Wer bin ich? Was ist mit meinem Körper? oder 'Du bist ja dick und da will dich keiner'", erinnert sie sich.

"Nehmen Sie ab"

Das Essverhalten von Dicken stehe ständig auf dem Prüfstand, meint Herrmann-Thurner: "'Nehmen Sie ab' ist oft die erste Reaktion von Medizinern, wenn es um dicke Patienten geht." Im Laufe ihres Lebens hat die Wienerin selbst viele Diäten ausprobiert: "Fleisch und Gemüse, FDH, Kalorien zählen, Kohlenhydrate komplett weglassen, Abnehmdrinks oder Ananastabletten – ich habe so viel gemacht. Irgendwann hab ich's dann einfach gelassen."

Auf eine Waage stellt sich die Bloggerin und Podcasterin erst gar nicht: "In manchen Kontexten muss man natürlich das Gewicht angeben – zum Beispiel einem Anästhesisten. Aber ansonsten ist es mir vollkommen wurscht."

Bobby Herrmann-Thurner kämpft gegen Gewichtsdiskriminierung.
Ursula Schmitz
„Es geht ja nicht darum, wie viel ich wiege, sondern wie gesund ich bin“
Bobby Herrmann-Thurnerüber Magenbypässe und Abnehmspritzen

Ein Kapitel widmet die 45-Jährige auch dem Big Business mit OPs und Abnehmspritzen: "Milliarden werden mit uns umgesetzt. Ob Pillen, Säfte, Shakes, fertige Diätmenüs, Magenbypässe oder auch – seit Neuestem – Spritzen. Es gibt nichts, was dicke Menschen nicht versuchen würden, um dem gesellschaftlich idealen Körper hinterherzujagen", heißt es im Buch.

Für Herrmann-Thurner kommen diese Eingriffe in den Körper nicht infrage: "Es geht ja nicht darum, wie viel ich wiege, sondern wie gesund ich bin. Ziel ist bei diesen Dingen ja immer der dünne Körper, aber die Frage ist, was da auf der Strecke bleibt. Ozempic zum Beispiel ist ein Medikament, da fehlen mir Langzeitstudien dazu. Dieser 'einfache Weg' raus aus der Mehrgewichtigkeit ist nicht nur einseitig, sondern auch gefährlich. Also kann ich mit bestem Wissen und Gewissen dazu Nein sagen."

Neue Perspektive auf Mehrgewicht

Die Wienerin will mit ihrem Buch "Fat Business" nicht nur Vorurteilen den Kampf ansagen. Ihr Ziel: "Es geht darum, das Thema Mehrgewicht ein bissl anders zu betrachten, eine andere Perspektive darauf zu bekommen. Solange dicke Körper so herabgewürdigt und mehrgewichtige Menschen diskriminiert werden, ist und bleibt der politische Begriff der Body Positivity für mich zudem wichtig", meint die Autorin.

{title && {title} } cz, {title && {title} } Akt. 30.11.2025, 11:57, 28.11.2025, 06:00
Jetzt E-Paper lesen