Wien

"Raus aus Gas": Das können Wiener Haushalte derzeit tun

Durch den dramatischen Preisanstieg suchen viele nach Alternativen nach Gas. "Heute" fragte bei der Stadt. Doch die schnelle Lösung gibt es nicht.

Louis Kraft
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    Bis 2040 will die Stadt raus aus fossilem Gas. "Der Tanker dreht gerade", erklärt der Leiter der Wiener Energieplanung (MA20) Bernd Vogel im <em>"Heute"</em>-Interview.
    Bis 2040 will die Stadt raus aus fossilem Gas. "Der Tanker dreht gerade", erklärt der Leiter der Wiener Energieplanung (MA20) Bernd Vogel im "Heute"-Interview.
    Denise Auer

    Die Preisspirale bei Energie schraubt sich immer höher nach oben. Laut Berechnungen der Österreichischen Energieagentur lag der Energiepreisindex im Jänner 2022 um 22,4 Prozent höher als im Jänner 2021. Besonders stark gestiegen sind die Preise für Heizöl (plus 45,8 Prozent) und Gas (plus 37,7 Prozent). Angefeuert werden die hohen Preise noch durch den Ukraine-Krieg. Daher suchen immer mehr Menschen nach Alternativen.

    Rund 420.000 Wiener, als über die Hälfte aller Haushalte in Wien kochen und heizen mit Erdgas. Gas, dass zu 75% aus Russland kommt. Auch wenn bisher betont wurde, die Gasversorgung sei für zumindest drei Monate gesichert, mehren sich die Rufe nach einem Ausstieg aus der russischen Abhängigkeit. Auch die Stadt Wien will "Raus aus Gas". Doch wie sich zeigt, ist das gar nicht so leicht.

    Energieträger im Preisunterschied
    Energieträger im Preisunterschied
    Österreichische Energieagentur

    Wien will bis 2040 raus aus fossiler Versorgung, Grüngas aber keine Allheilmittel

    "Wir wollen raus aus dem Gas in den Wohnungen", erklärt der Leiter der MA20-Energieplanung, Bernd Vogl gegenüber "Heute". Das will die Stadt bis 2040 schaffen, ab dann soll es keine Wärmeversorgung aus fossilen Energieträgern mehr geben.

    Umstieg auf Grünes Gas

    Doch der Weg dahin ist steinig, eine einheitliche Lösung für alle ist nicht möglich. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei den sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Für Privatkunden wäre es theoretisch am einfachsten zu versuchen, auf Grünes Gas umzusteigen. Das wird etwa von der Wien Energie angeboten. Grünes Gas ist ein Sammelbegriff für verschiedene gasförmige Energieträger, wie etwa Biomethan, das aus Biomasse oder Teilen von Abfällen hergestellt wird, erneuerbarer Wasserstoff oder synthetischem Erdgas. Beim Heizen und Kochen bringt das für den Mieter keinen Unterschied, bei den Kosten allerdings schon.

    Grünes Gas ist derzeit und wird auch zukünftig um ein Vielfaches teurer sein als Erdgas. Zudem ist auch die Verfügbarkeit an Grünem Gas begrenzt: Laut einer Studie der Universität Linz könnte Österreich nur bis zu einem Fünftel des Bedarfs an Grünem Gas selber produzieren, derzeit ist es um sehr viel weniger. Der Rest muss also weiter importiert werden. Für die Stadt Wien ist der Umstieg von Erdgas auf Grünes Gas in der Raumwärme daher keine Option.

    Hausbesitzer können aussteigen, Privatkunden nur umsteigen

    Ein erster Schritt für Hausbesitzer wäre sich über alternative Energiequellen zu informieren. Möglich sind hier etwa Geothermie wie beim Pilotprojekt SMART Block Geblergasse (Hernals) oder der Ausbau von Fernwärme. Das ist jedoch stark von der jeweiligen Wohnform abhängig. Für Mieter von in Mehrparteienhäusern oder von Genossenschaftswohnungen bestehe laut Vogl die beste Chance darin, eine Mieterversammlung einzuberufen und beim Hauseigentümer nachzufragen, welche Energiealternativen möglich bzw. schon angedacht sind. Bei Wohnungseigentümern muss es eine generelle Einigkeit für einen Umstieg geben.

    Die erste Ansprechstelle für einen Ausstieg aus fossiler Energie ist die "Hauskunft" der Stadt. Auf der Webseite gibt es auch die "Qualitätsplattform - Sanierungspartner Wien". Hier werden bereits umgesetzte Pilotprojekte vorgestellt und Partnerfirmen vermittelt. Die Stadt Wien arbeitet gerade an einer umfassenden Serviceseite, die wichtige Informationen für die Wienerinnen und Wiener zusammengefasst bereitstellen soll.

    Denn diese zu finden, ist oft das nächste Problem: Die Firmen, die solche Projekte ausführen können, haben derzeit gut gefüllte Auftragsbücher, durch die Coronakrise und den Ukraine-Krieg gibt es derzeit auch Probleme bei den Lieferketten. Hohe Nachfrage und geringes Angebot erhöhen nicht nur die Preise, sondern auch die Wartezeiten. Für die Wiener Unternehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergeben sich in diesem Bereich für die kommenden Jahre aber sehr große Chancen und Geschäftsfelder.

    Wien für Geothermie "gut geeignet", Wärmepumpen werden stark kommen

    Dass es in Wien noch dauert wird, gibt auch Vogl zu. "Der Tanker dreht sich gerade um, wird dann aber an Fahrt aufnehmen", so Vogl. Vor allem im Bereich der Abwärmenutzung: "Wir können die Umgebungswärme aus der Erde, der Luft und dem Wasser sowie die Sonne nutzen", so der Leiter der MA20. Vor allem die Erdwärme habe großes Potenzial. "Wien ist für Tiefengeothermie mit Erdsonden in 200 oder 300 Metern Tiefe gut geeignet. Die Wärme aus der Erde wird über Wärmepumpen für die Haushalte zum Heizen nutzbar gemacht", so Vogl.

    Dass die Wärmepumpen in Wien stark steigen werden, daran zweifelt Vogl nicht. Das liegt wohl auch daran, dass die Stadt bis Ende 2022 mit ihren Energieraumplänen vielen Neubauten den Gashahn abdreht. In den definierten Zonen dürfen dann nur noch Bauten mit alternativen Energiesystemen – das sind erneuerbare Energien und Fernwärme – erbaut werden.

    "Je dichter verbaut, desto schwieriger wird es"

    Doch auch die geographische Lage in Wien habe Einfluss auf die Frage, welche Alternativen es zu Öl und Gas gibt. Windenergie habe für die Großstadt kaum eine Bedeutung, das Fernwärmenetz soll zwar ausgebaut werden, erreicht aber längst nicht ganz Wien. Zudem fallen Einfamilienhausgebiete bei Fernwärme ganz durch, da diese erst ab einer gewissen Bevölkerungsdichte ökonomisch und ökologisch Sinn machen.

    Geothermie und Photovoltaik haben im Einfamilienhausbereich großes Potential. Jedoch sei der Einbau dieser Technologien in Gründerzeitgebäuden deutlich schwieriger und kostenspieliger. "Es ist schon möglich, Erdsonden im öffentlichen Raum oder in Parks zu setzen. Doch bei der Weiterleitung in die Haushalte spielt dann auch der Zustand des Gebäudes bzw. ob dieses denkmalgeschützt ist eine große Rolle", gibt Vogl zu bedenken. „Oft muss die thermische Sanierung und die Versorgung mit erneuerbaren Energien Hand in Hand gehen. Langfristig ist das sowohl für die Geldbörse als auch für die Umwelt jedenfalls die beste Wahl.“

    Stadt verfolgt dennoch ambitionierte Ziele

    Doch trotz all der Herausforderungen hat sich die Stadt hohe Ziele gesetzt: Wie im Klimafahrplan festgelegt, will man bis 2040 klimaneutral sein, bis dahin will man auch gänzlich aus der fossilen Wärmeversorgung aussteigen. Bereits bis 2030 soll der Wiener Endenergieverbrauch zur Hälfte und bis 2040 vollständig von erneuerbaren bzw. dekarbonisierten Quellen gedeckt werden. Die Erzeugung dieser soll bis 2030 verdreifacht, bis 2040 auf das Sechsfache gegenüber 2005 gesteigert werden.

    Bereits in Bau ist auch eine der leistungsstärksten Großwärmepumpen Europas am Gelände der ebswien Kläranlage in Simmering. Die hochmoderne Anlage von Wien Energie ist für die Stadt ein wesentlicher Schritt, um Fernwärme für Wien künftig ausschließlich klimaneutral zu erzeugen. Bereits ab Mitte 2023 wird die Großwärmepumpe mit einer Leistung von 55 Megawatt bis zu 56.000 Haushalte mit umweltfreundlicher Wärme versorgen. Der Vollausbau mit 110 Megawatt-Leistung folgt bis 2027.