Deutschlands Verfassungsschutz hat nach jahrelanger Prüfung eine Neubewertung der AfD vorgelegt: Er stuft nun die gesamte Partei als gesichert rechtsextremistisch ein. Damit ging das Bundesverfassungsamt einen Schritt weiter: Bislang war die AfD als Verdachtsfall geführt worden.
Was bedeutet diese Einstufung für die Zukunft der Partei und was für ihre Mitglieder? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Der Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) gilt in Deutschland als zentrales Element der wehrhaften Demokratie. Er bekämpft Spionage, deckt terroristische Bestrebungen auf und soll als Frühwarnsystem frühzeitig Gruppierungen erkennen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Zudem beobachtet er Verbindungen zu anderen extremistischen Organisationen. In seiner Neubewertung der AfD stützte sich der Verfassungsschutz nach eigenen Angaben vor allem auf Äußerungen und Positionen, die die Menschenwürde verletzen, etwa durch die Abwertung von Muslimen oder Begriffe wie "Messermigranten".
Vor seiner Entscheidung erstellte das Bundesamt für Verfassungsschutz ein rund 1.110 Seiten starkes Gutachten über die Partei. Es ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt und listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungsschutz als "fortlaufende Agitation" gegen Geflüchtete und Migranten bewertet. Solche Aussagen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in interner Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie "Abschieben schafft Wohnraum!" oder "Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel".
Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.
Das deutsche Innenministerium hat es erhalten, außerdem die Verfassungsschützer in den Ländern. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Das Gutachten, das der Verfassungsschutz vor der Einstufung als "Verdachtsfall" erstellt hatte, war allerdings von dem auf digitale Freiheitsrechte spezialisierten Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht worden.
In Deutschland können Parteien, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen, beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik gefährden, seit einer Grundgesetzänderung 2017 von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden.
Davor waren zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei NPD/ "Die Heimat" gescheitert: 2003, weil mehrere V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung saßen, und 2017, weil das Bundesverfassungsgericht zwar Verfassungsfeindlichkeit feststellte, die Partei aber als politisch bedeutungslos einstufte. 2024 gab das Bundesverfassungsgericht jedoch einem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung statt, der Partei "Die Heimat" den Zugang zu staatlichen Geldern zu sperren.
Die AfD will sich juristisch gegen die Einstufung zur Wehr setzen. Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werteten die Neubewertung als "politisch motiviert" und "schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie". Die Gerichte müssen prüfen, ob und in welchem Maße die Partei gegen die Grundprinzipien der Verfassung verstößt.
In drei ostdeutschen Ländern – Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt – galt der jeweilige Landesverband bereits als gesichert rechtsextremistisch. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl hat das der Partei dort nicht geschadet. In westlichen Bundesländern mag das anders aussehen. Allerdings legte die AfD in Wahlumfragen der vergangenen Wochen zu und rückte an die Werte der CDU/CSU heran, teils auch darüber hinaus. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union mit 27 Prozent hingegen wieder deutlich vor der AfD (23 Prozent).
Eine Mitgliedschaft in einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei kann Zweifel an der Verfassungstreue begründen. Allerdings ist die Mitgliedschaft allein noch nicht ausreichend für dienstrechtliche Konsequenzen bei Beamten, sondern der Einzelfall wird betrachtet. Das Gleiche gilt für den Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Jägern und Schützen.