Am Mittwochmorgen landete am Flughafen in Berlin ein Charterflugzeug mit 132 afghanischen Staatsangehörigen an Bord – darunter 72 Frauen und 58 Männer, wovon 57 minderjährig sind.
Den Flug bestellt hat die deutsche Regierung. Die Aufregung in den sozialen Medien ist groß: "Was soll das?", fragen sich viele. Auch in der Politik sorgen solche Flüge für hitzige Debatten. Was hat es damit auf sich?
Ja. Das passiert im Rahmen des sogenannten Ortskräfteverfahrens, des Bundesaufnahmeprogramms, eines Überbrückungsprogramms und der sogenannten Menschenrechtsliste.
Personen aus Afghanistan, die in der Vergangenheit für deutsche Behörden oder Organisationen vor Ort gearbeitet haben. Neben Beschäftigten der Bundeswehr werden auch ehemalige Mitarbeiter von Entwicklungshilfeorganisationen eingeflogen. Mitreisen dürfen auch Ehepartnerinnen, Ehepartner und minderjährige Kinder.
besonders gefährdet sind.
Pro Monat dürfen maximal 1.000 Afghaninnen und Afghanen und ihre Angehörigen kommen. Wird diese Zahl nicht ausgeschöpft, wird der Rest auf den Folgemonat übertragen.
Beim Flieger, der am Mittwoch in Deutschland landete, war nur eine Ortskraft mit ihren fünf Angehörigen an Bord – die restlichen 126 Reisenden kamen aufgrund anderer Gefährdungsrisiken nach Deutschland. Unter den Passagieren befanden sich gemäß dem Auswärtigen Amt eine Hebamme, Journalistinnen und Journalisten, Lehrer und Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivsten.
Eine Woche zuvor landeten 155 Afghaninnen und Afghanen in Berlin – davon waren fünf Ortskräfte mit ihren 22 Familienangehörigen.
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden gemäß dem Auswärtigem Amt knapp 36.000 Afghaninnen und Afghanen so nach Deutschland geholt. Derzeit befinden sich noch rund 2.500 Menschen in Pakistan im Ausreiseverfahren.
Verschiedene von der Regierung bestimmte Stellen wählen die schutzbedürftigen Personen aus. Die Angaben werden von mehreren Behörden überprüft und Aufnahmezusagen werden ausgesprochen. Erst danach werden Sicherheitsbefragungen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad durchgeführt. Das Prozedere dauert im Schnitt acht Monate, wie Recherchen der "Welt" zeigen.
Währenddessen harrten die Personen in Gästehäusern aus, die von der deutschen Regierung gezahlt werden – viele entwickelten psychische Probleme. Weil die Verfahren so lange dauern, laufen den afghanischen Flüchtenden immer wieder die Visa für Pakistan ab, sie werden abgeschoben.
Das Ortskräfteverfahren ist umstritten, weil es zum Zeitpunkt der Taliban-Übernahme keine gesicherten Beweise dafür gab, ob Ortskräfte überhaupt gefährdet sind. Der "Welt" sollen Dokumente, darunter Einschätzungen von Geheimdiensten vom Frühling und Sommer 2021, vorliegen, wonach es "keine Tötungen von Ortskräften" gab.
Andererseits wird das Bundesaufnahmeprogramm scharf kritisiert, weil die Sicherheitsüberprüfungen nicht wasserdicht seien. Es wurden Vorwürfe laut, dass auch Gefährder so nach Deutschland einreisen könnten. Zeitweise schalteten sich auch zwei Staatsanwaltschaften ein, die gegen Mitarbeitende des Auswärtigen Amtes ermittelten. Der Verdacht: Dass Personen mit gefälschten Papieren Visa bekommen hätten. Eine der Ermittlungen wurde mittlerweile eingestellt.
"Sicherheit hat bei den Aufnahmeverfahren aus Afghanistan oberste Priorität", versichert das Auswärtige Amt. Auf einen Charterflug kämen nur Personen, die das Visumverfahren und alle Sicherheitsüberprüfungen erfolgreich abgeschlossen haben. Wenn staatliche Identitätsdokumente nicht weiterhelfen, würden weitere Beweismittel herangezogen.
Zuletzt sorgten auch zwei stornierte Flüge für Diskussionen: Diese hätten am 11. und 18. Februar stattfinden sollen – nur wenige Tage vor der Bundestagswahl. In diplomatischen Kreisen wurde ein "Wahlkampfmanöver" gewittert. Vor allem, weil der Flugverkehr nur einen Tag nach der Wahl wiederaufgenommen wurde.
Die Union und der wahrscheinlich baldige Kanzler Friedrich Merz sprachen sich bereits während des Wahlkampfs gegen das Aufnahmeprogramm aus. Dass die Regierung Menschen aus Afghanistan hole, jedoch nicht dorthin abschiebe, nannte er "einigermaßen irre". Die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Auswärtige Amt aufgefordert, das Einfliegen von Afghaninnen und Afghanen zu stoppen, bis eine neue Bundesregierung gebildet ist. Ob das Programm mit der neuen Regierung dann fortgeführt wird, ist fraglich.