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Reifentest-Affäre: FIA verwarnt Mercedes nur

Heute Redaktion
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Bild: Reuters

Im Zuge der Reifentest-Affäre in der Formel 1 ist das Internationale Tribunal am Donnerstag noch nicht zu einem Urteil gekommen. Nach sieben Stunden war klar, dass die Entscheidung erst am Freitag gefällt wird.

Der deutsche Formel-1-Rennstall Mercedes kann aufatmen. Das Tribunal des Automobil-Weltverbandes (FIA) verhängte am Freitag im "Testgate" gegen das Team von Motorsportchef Toto Wolff und Aufsichtsratschef Niki Lauda lediglich eine Verwarnung. Zudem wurden die "Silberpfeile" vom nächsten Nachwuchsfahrer-Test ausgeschlossen. Am Donnerstag hatte es in Paris eine rund siebenstündige Anhörung gegeben.

Die unabhängigen Richter folgten mit dieser Entscheidung im Streit um die Rechtmäßigkeit der dreitägigen Reifen-Testfahrten Mitte Mai in Barcelona auf Bitten von Pirelli praktisch dem Schlussplädoyer des Rennstall-Anwalts Paul Harris. Das seit 2011 als Reifen-Exklusivlieferant fungierende Unternehmen wurde ebenfalls verwarnt. Vor der Sitzung waren auch eine Geldstrafe, ein Punktabzug oder eine Sperre für möglich gehalten worden.

Rettungsanker Charlie Whiting

Die beiden Stammfahrer Nico Rosberg und Lewis Hamilton hatten vom 15. bis 17. Mai im aktuellen Formel-1-Auto von Mercedes Reifen für Pirelli getestet. 1.000 Kilometer wurden abgespult. Zu knapp 10 Prozent kamen Pneus zum Einsatz, die schon für diese und nicht erst für die nächste Saison konzipiert sind. Red Bull-Renault und Ferrari legten dagegen Protest ein, weil Mercedes aus ihrer Sicht gegen das Verbot von Tests während der Saison verstoßen hatte.

Das Tribunal erklärte in der 20-seitigen Urteilsbegründung, dass der Test nicht durchgeführt worden sei, damit Mercedes einen unfairen Vorteil erlange. Weder Pirelli noch Mercedes hätten zudem zu irgendeinem Zeitpunkt mit schlechter Absicht gehandelt. Nach der zweifachen Rücksprache mit FIA-Rennleiter Charlie Whiting hätte es für Mercedes keinen Grund gegeben, nicht zu glauben, dass sie Grünes Licht für die Tests hätten, erklärten die Richter.

Verstoß gegen diverse Regeln

Die Kammer machte in ihrer Urteilsbegründung dennoch klare Verfehlungen von Mercedes und Pirelli aus. Die Silberpfeile hätten durch den Test mit ihren Rennautos gegen Paragraf 22 des Sportlichen Regelwerks verstoßen. Testfahrten mit aktuellen Autos in der laufenden Saison werden dort untersagt. Zudem hätten Pirelli und das deutsche Werksteam Artikel 151 des International Sporting Code gebrochen. Dort geht es um die Handhabung von "arglistigem Verhalten oder jeder Handlung, die dem Interesse des Wettbewerbs schadet oder dem Interesse des Motorsports generell".

Keine böse Absicht

Die Richter konstatierten zudem, dass es undenkbar sei, dass Mercedes aus den 1.000 Kilometern gar keinen Nutzen hätte ziehen können. Das hatten die Verantwortlichen der "Silberpfeile" von Beginn an vehement bestritten. Dennoch entschieden die Richter relativ milde: Denn bei allem habe es keine böse Absicht gegeben. Gegen diese Tests hatten Sebastian Vettels Team Red Bull und Ferrari Protest eingelegt. Ihr Vorwurf, der nun größtenteils entkräftet wurde: Mercedes habe sich durch den Solo-Test einen Vorteil verschafft. Vor allem, weil die Silberpfeile mit ihrem aktuellen Rennwagen getestet hatten.

Mercedes-Teamchef Ross Brawn hatte sich und den Rennstall während der Sitzung am Donnerstag verteidigt: "Wir hatten keine Ahnung, welche Reifen eingesetzt wurden. Wir wussten nicht, was genau Pirelli testen will", meinte der Brite, der als ein Meister im Ausnutzen von Grauzonen im Reglement gilt. Eine Pirelli-Sprecherin äußerte sich mit dem Urteil zufrieden: "Es zeigt, dass anerkannt wurde, dass Pirelli immer in gutem Glauben gehandelt hat."

Lauda scheiterte

Der gesamten Mercedes-Führungscrew um Wolff wird nun ein Stein vom Herzen fallen. Zumal Lauda schon vor der Verhandlung hinter den Türen des Salle du Comite auf dem Place de la Concorde versucht hatte, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. So sind sie nun auf einem ordentlichen Weg von unabhängigen Richtern weitgehend entlastet worden.

Insbesondere Red Bull und Ferrari aber dürften schäumen. "Wenn dieser Test ohne Konsequenzen durchgewinkt wird, würden alle Verhandlungen über Kostenbegrenzung über Bord gehen. Das wäre die Öffnung von Pandoras Büchse, die wir dann kaum jemals wieder schließen könnten", hatte Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko vor der Verhandlung gepoltert. Das Urteil wird den Österreicher nicht milder stimmen.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner hält den Mercedes-Ausschluss vom nächsten Nachwuchsfahrer-Test für eine vergleichsweise milde Strafe. "Zwei Stammfahrer bringen bessere Ergebnisse als Formel-1-Neulinge", zitierte das Fachmagazin "auto, motor und sport" den Briten in einer Reaktion auf das Urteil. Nach Horners Ansicht habe der Test Mercedes mehr genutzt, als der Ausschluss von den Probefahrten im Juli schaden könne.

APA/red