In der Nacht auf Mittwoch sind fast 20 russische Drohnen in den Luftraum von Polen eingedrungen. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück und meint, es gebe keine Beweise dafür, dass die Flugobjekte aus Russland stammen. Wie NTV berichtet, hat Polen insgesamt 19 Verletzungen seines Luftraums festgestellt. Premier Donald Tusk erklärte, dass mehrere Drohnen abgeschossen worden sind.
"Derzeit liegt uns die Bestätigung vor, dass drei Drohnen abgeschossen wurden", sagte Tusk im polnischen Parlament. "Uns liegen keine Informationen vor, die darauf hindeuten, dass durch das russische Vorgehen jemand verletzt oder getötet wurde", fügte er hinzu.
Laut Innenministerium wurden aber ein Haus und ein Auto beschädigt. Die Sprecherin Karolina Galecka gab an, dass bei der Suche nach Drohnen und Trümmern "sieben Drohnen" und die Überreste eines bisher unbekannten Geschosses gefunden wurden.
Belarus meldete, es habe Polen und Litauen in der Nacht über Drohnen informiert, die auf deren Gebiet zuflogen. Während eines nächtlichen "Austauschs von Drohnenschlägen zwischen Russland und der Ukraine" habe Belarus Fluggeräte verfolgt, die vom Kurs abgekommen sind, und teilweise zerstört, erklärte Generalstabschef Pawel Murawejko via Telegram. Das habe Polen bei der Abwehr geholfen. Es war von "verirrten Drohnen" die Rede, ohne Herkunftsangabe.
Verteidigungsminister Boris Pistorius vermutet, dass die Waffensysteme vermutlich aus Belarus gestartet wurden. "Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht worden. Um in die Ukraine zu fliegen, hätten sie diesen Weg nicht fliegen müssen", sagte Pistorius. "Sie waren offenkundig, so die Ansagen aus Polen, auch entsprechend munitioniert. Es hätte also auch jederzeit etwas passieren können."
Ein russischer Diplomat wies den Vorwurf der Luftraumverletzung zurück. "Wir halten die Vorwürfe für haltlos. Es wurden keine Beweise vorgelegt, dass diese Drohnen russischen Ursprungs sind", sagte Andrej Ordasch, Geschäftsträger der russischen Botschaft in Warschau, laut der Agentur Ria Nowosti.
"Wir wissen eines: Diese Drohnen flogen aus Richtung der Ukraine", ergänzte er nach seinem Termin im polnischen Außenministerium. Ordasch wurde dort einbestellt. Er erinnerte daran, dass ähnliche Vorwürfe in der Vergangenheit schon falsch gewesen seien.
Der Vorfall, auf den Ordasch anspielt, liegt knapp drei Jahre zurück. Damals, Ende 2022, starben zwei Menschen in Polen nahe der Grenze zur Ukraine durch eine Rakete. Russland hatte zu dieser Zeit einen großen Angriff auf die Westukraine gestartet. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dem Flugobjekt um eine verirrte ukrainische Flugabwehrrakete.
Russland habe kein Interesse an einer Eskalation mit Polen, sagt Ordasch. Leider werde das von der polnischen Regierung wegen einer "russenfeindlichen Stimmung" ignoriert. Das russische Präsidialamt will dazu keine Stellung nehmen, zuständig sei das Verteidigungsministerium – aber auch von dort kam bisher keine Reaktion.
In der Nacht griff Russland die Ukraine schwer an, unter anderem die Stadt Lwiw, die rund 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt liegt. Die polnischen Streitkräfte berichten, dass Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen sind. Auch niederländische Nato-Flugzeuge waren beim Abschuss der Drohnen beteiligt. Polen beantragte beim Militärbündnis Konsultationen zum Bedrohungsfall nach Artikel 4 des Nordatlantikvertrags.
Die Nato verurteilte das "rücksichtslose Verhalten" Moskaus. Bei einer Sitzung des Nordatlantikrats am Vormittag zeigten sich die Verbündeten "solidarisch mit Polen", sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Egal, ob absichtlich oder nicht – Russlands Verhalten sei "absolut rücksichtslos" und "absolut gefährlich", so Rutte.
Die Untersuchungen zu den Vorfällen sind laut Rutte noch nicht abgeschlossen. Es handle sich aber nicht um einen "Einzelfall". Die Nato-Staaten würden "jeden Zentimeter" ihres Gebiets verteidigen, bekräftigte der Generalsekretär. Er sei "wirklich beeindruckt" von der "sehr erfolgreichen Reaktion" der Nato. Die Nacht habe gezeigt, dass das Bündnis sein Gebiet und seinen Luftraum schützen könne.
Erstmals haben Nato-Flugzeuge "potenzielle Bedrohungen im Luftraum eines Verbündeten angegriffen", so ein Sprecher der Nato. Während der Luftraumverletzung wurden auch deutsche Patriot-Luftabwehrsysteme in Polen in Alarmbereitschaft versetzt, und ein italienisches Frühwarnflugzeug hob ab.