Aus Wirtschaft und Industrie hagelt es katastrophale Meldungen, beinahe im Tages-Takt. Jahrzehntealte Familienbetriebe sperren reihenweise zu, in der Gastronomie kracht es, Hunderte Mitarbeiter stehen nach der neuerlichen Pleite von Kika/Leiner vor dem Nichts, der große deutsche Konzern Schaeffler schließt Ende 2025 sein Werk in Niederösterreich (450 Stellen betroffen) und der Innviertler Motorradhersteller KTM wird die Einleitung eines Sanierungsverfahrens beantragen – rund 3.400 Jobs sind gefährdet.
Wie dramatisch ist die Lage in Österreich wirklich? Das beantwortete der Wirtschaftsforscher und Fiskalratspräsident Christoph Badelt am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Martin Thür. Bereits zuvor, am 14. November 2024, hatte dort der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, Alarm geschlagen: "Die Situation ist prekär, man könnte sagen, es ist Feuer am Dach", so Knill, es sei "mit Abstand die längste Krise, in der wir uns befinden" und die Aussichten seien "nicht rosig".
"Wir haben eine strukturelle Krise in der österreichischen Industrie", so Badelt knallhart, kurzfristige Nachfrageschwankungen und Kostensteigerungen durch steigende Löhne und Energiekosten seien eine "Mischung, die sehr schwer auszuhalten ist" – vor allem in Branchen, die beide Lasten tragen müssten, so der Experte. Was die Autozulieferbetriebe betreffe, handle es sich nicht um eine österreichische, sondern um eine internationale Krise, so Badelt. Die Autobranche in Deutschland sei zwar stark getroffen, es gehe aber auch um eine starke Konkurrenz aus dem chinesischen Raum.
Badelts Analyse: Österreich sei schlechter aus den multiplen Krisen gekommen als andere Länder, das Land sei stärker betroffen von steigenden Energiekosten. Das sei der Struktur der heimischen Industrie geschuldet, so Badelt.
Streiten könne man darüber, was die Politik in den Krisen falsch gemacht hätte, jedenfalls hätten die Maßnahmen "die Wirtschaft negativ berührt". Investitionen in Bildung seien notwendig, weil die Arbeitskräfte der Wirtschaft abgehen würden, dazu hinke das Land bei der Digitalisierung nach und die Transformation zu nachhaltigen Energiequellen müsse rascher erfolgen, hieß es.
Wie dramatisch die Lage sei: Der Konsolidierungsbedarf sei weit "größer als nur das, was die EU-Regeln verlangen", so Badelt, denn Österreich müsse zusätzliche Mittel für die künftigen Wirtschaftsmaßnahmen und nicht nur zum Erreichen des vorgegebenen Budgetdefizits einplanen – also einerseits sparen und andererseits noch Mittel zur Seite legen. "Man nimmt sich natürlich Spielraum", so Badelt zu den notwendigen Sparmaßnahmen. "Das ist alles nicht sehr nett, wenn man darüber spricht", so Badelt in Richtung Pensionserhöhungen und Beamtengehältern – es dürfe aber keine Tabus geben.
Man werde um neue Einnahmen, vielleicht auch Steuern und Steuererhöhungen nicht herumkommen, aber auch nicht um deutliche Sparmaßnahmen, so Badelt. Nur auf Einnahmenseite dürfe man sich aber nicht stützen, denn eine nachhaltige Budgetkonsolidierung sei immer stärker auf der Ausgabenseite, so der Wirtschaftsexperte. Heißt: Besser sparen, als neue Einnahmen etwa durch Steuern zu generieren. Letzteres würde wohl auch mit massiven Protesten einhergehen. Der Konsolidierungsprozess dauere drei, vier Jahre, so Badelt abschließend, da würden sich auch schnelle Einsparungen, die "Quick Wins", abnützen.