Gesundheit

Ulli (27) leidet an Long Covid: "Schwer zu akzeptieren"

Die 27-Jährige macht gerade ihre Berufsausbildung, als Long Covid sie vor einem Jahr aus dem Leben reißt. Seither ist alles anders.

Sabine Primes
Teilen
Rund 200.000 Menschen in Österreich leiden an Long Covid.
Rund 200.000 Menschen in Österreich leiden an Long Covid.
Getty Images (Symbolfoto)

Ulrike B. ist 27 Jahre alt und eine von geschätzten 200.000 Long-Covid-Patientinnen und -Patienten in Österreich, die nach einer überstandenen Corona-Erkrankung unter verschiedenen Symptomen wie Muskelschwäche, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Herzrasen oder Ähnlichem leiden. Das junge Alter der Frau zeigt, dass Long Covid keinesfalls nur ältere Menschen treffen kann. Mehr dazu HIER.

Quasi symptomlose Infektion, doch dann...

Als Ulrike Mitte Februar 2021 an Corona erkrankt, gibt es die Impfung vorerst nur für ausgewählte Berufsgruppen. Sie befindet sich zu diesem Zeitpunkt mitten in der Ausbildung zur Kindergartenpädagogin und ist für einen Impftermin im März vorgemerkt. "Ich habe zu dem Zeitpunkt nichts von der Infektion gemerkt. Ich hatte minimales Halskratzen, was schnell wieder verging. Durch das Maskentragen hatte ich öfter einen trockenen Hals, deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht", erzählt die Betroffene im Interview.

Der hohe Ct-Wert sorgte dafür, dass Ulrike nicht ansteckend und die Infektion nach sehr kurzer Zeit ausgeheilt war – dachte sie zumindest. Denn die ersten Long Covid-Symptome begannen bereits an dem Tag, der ihr eigentlich die Freiheit zurückgeben sollte, an jenem Tag, als der Test wieder ein negatives Ergebnis anzeigte. Doch es kam anders. "Das Atmen wurde so schwer, dass ich bei jedem Atemzug nicht wusste, ob ich den nächsten noch schaffe."

Der Ct-Wert steht für "Cycle-threshold-Wert" und gibt an, wie viele Vermehrungszyklen notwendig sind, um das Erbgut des Virus zu detektieren.
Je höher die Viruslast, desto geringer ist der Ct-Wert. Je geringer der Ct-Wert, desto höher ist die Viruslast.
Liegt der Ct-Wert also unter 30, kann man davon ausgehen, dass die Person ansteckend ist. Liegt der Ct-Wert über 30, kann man davon ausgehen, dass die Person nicht ansteckend ist.

Lange Liste an Beschwerden

"Eines der schlimmsten Symptome sind bei mir der permanente Brain Fog ("Gehirnnebel") und die Fatigue (krankhafte Müdigkeit). Ich bin also permanent stark körperlich und kognitiv eingeschränkt und kann meinen Alltag allein nicht mehr bewältigen", berichtet Ulrike. Selbst einfachste Dinge wie Duschen im Sitzen sind eine riesige Herausforderung für sie. "Es ist echt schwer zu akzeptieren, dass man die meisten Dinge nicht mehr selbständig tun kann. Ich habe es geliebt, unabhängig zu sein", trauert die junge Frau ihrem Leben vor Covid nach.

Die Liste an Symptomen, die Ulrike im Alltag begleiten, ist lang: "Ich würde sie auf etwa 50 Symptome schätzen. Manche sind permanent da und manche tauchen immer wieder auf. Ich bekomme auch immer wieder neue Symptome dazu oder sie verstärken sich. Man weiß nie, ob das nun permanent bleibt oder ob es wieder verschwindet."

Das wohl schlimmste Symptom bei Long Covid ist die Post Exertional Malaise (PEM). Um ihren Zustand zu verbessern, konsultierte die junge Frau bereits verschiedene Ärzte: "Ich war natürlich beim Hausarzt, Lungenfacharzt, beim Internisten, Neurologen, im Krankenhaus, aber die konnten mir alle nicht helfen. Zirka acht Monate nach Beginn der Erkrankung habe ich einen Termin bei einem Spezialisten bekommen."

PEM (Post Exertional Malaise) bezeichnet die für ME/CFS typische Verschlechterung der Symptomatik nach körperlicher und geistiger Aktivität. Sie wird von vielen Klinikern und Forschern als das Leitsymptom von ME/CFS angesehen.
ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen betroffen. In Österreich sind es rund 25.000 Menschen. Viele von ihnen sind so schwer krank, dass sie das Haus nicht mehr verlassen können oder sogar bettlägerig sind.

Abbruch der Reha 

Auch in einer speziellen Reha-Einrichtung war Ulrike, die sie leider nach sechs Tagen aufgrund von Überlastung abbrechen musste. "Leider wurde ich dort so überfordert, dass sich mein Zustand verschlimmert hat. Mir hat niemand geglaubt und es war körperlich eine riesige Herausforderung, immer wieder zum Arzt zu gehen, um sich von den Therapien abzumelden. In meinem Entlassungsbrief wurde dann behauptet, dass ich die Reha wegen psychischer Überlastung abgebrochen habe, obwohl das einfach nicht stimmt. Ich bin seit der Reha dauerhaft schwer eingeschränkt. Vorher konnte ich noch spazieren gehen und kochen. Heute kann ich gar nichts mehr davon und es hat sich seither nicht mehr gebessert."

Pacing hilft

Eine verordnete Bewegungstherapie verschlechterte ihren Zustand leider massiv, aber die Methode des so genannten "Pacing" hilft Ulrike sehr, mit ihren körperlichen Schwächen umzugehen. "Es hilft mir sehr gut, dass sich meine Symptomatik nicht verschlechtert. Verbesserungen haben sich für mich in den letzten Monaten körperlich nur für kurze Zeit ergeben. Kognitiv kann ich kleine Verbesserungen feststellen. Die Medikamente helfen mir, meine Kopfschmerzen zu verringern und dass die Fatique etwas abnimmt." Konkrete Prognosen gibt es für Ulrike keine. "Ich hoffe auf eine Verbesserung. Was wirklich passieren wird, kann mir keiner sagen." Auch wann und ob sie ihre Ausbildung zur Kindergartenpädagogin fortsetzen kann, steht noch in den Sternen.

Pacing
Mit dem sogenannten Pacing soll durch einen schonenden Umgang mit den eigenen Ressourcen eine Überlastung strikt vermieden werden. Sprich, Erkrankte beobachten genau, wann ihre Einbrüche auftreten und bauen dann selbst zwischen den geringsten Anstrengungen ausreichend Pausen ein.

"Alleine könnte ich das nicht tragen"

Long Covid hat nicht nur körperliche Folgen, sondern auch finanzielle. Die SPÖ fordert deshalb die Anerkennung von Long Covid als Berufserkrankung, wenn die Ansteckung entweder auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz passiert. Damit einher soll ein geltender Pensionsanspruch gehen, "Heute" berichtete.

Ulrike wird derzeit von ihren Eltern finanziell als auch pflegerisch unterstützt. "Alleine könnte ich das nicht tragen. Das Krankengeld würde nicht für Miete, Fixkosten, Medikamente und Privatärzte und Lebensmittel ausreichen. Jetzt muss ich darauf hoffen, eine Berufsunfähigkeitspension zu bekommen. Ansonsten müsste ich wieder zum AMS, was für mich bedeuten würde, noch weniger Geld zu bekommen und eventuell müsste ich dann auch einen Job suchen oder Kurse besuchen, was ich beides nicht bewerkstelligen könnte."

Hier finden Betroffene Hilfe:
Neurologie (Post)-Covid Ambulanz am Wiener AKH:  +43 1 40400-31240
Dr. Michael Stingl, Facharzt für Neurologie: www.neurostingl.at/longcovid
Long Covid Austria – Verein & Betroffeneninitiative: www.longcovidaustria.at
Long Covid – psychische Rehabilitation: www.long-covid.at