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Shiffrin am Boden: "Glaube nicht mehr an mich selbst"

Heute Redaktion
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Mikaela Shiffrin
Mikaela Shiffrin
Bild: GEPA-pictures.com

Mikaela Shiffrin führt den Gesamtweltcup souverän an. Hört man sie bei Interviews, wird man den Eindruck dennoch nicht los, die junge US-Amerikanerin befände sich in ihrer ersten tiefen Krise.

Von einer Krise zu sprechen ist ob der sportlichen Ergebnisse natürlich überzogen. Beim Nachtslalom von Flachau fuhr die 24-Jährige als Dritte aufs Podium. Den Slalom-Weltcup führt sie mit 440 Punkten immer noch vor Siegerin Petra Vlhova (360) an.

"Ich bin glücklich über das Podium", eröffnet sie auch das Interview nach dem Rennen. Ihre wahre Gefühlslage sieht anders aus. Dieses Bild zeichnen die kommenden ein, zwei Minuten vor dem ORF-Mikrofon doch recht deutlich.

"Ich habe mein bestes gegeben. Ich bin keine Person, die allzu viel an sich selbst glaubt. Als ich so lange Zeit alles gewonnen habe, hat es auch gereicht, ohne zu hundert Prozent an mich zu glauben. Das ist jetzt ein neues Gefühl."

"Nur mehr" Elite, statt einsame Spitze

Im Gespräch mit ORF-Moderator Ernst Hausleitner sprudeln die Sorgen geradezu aus der Amerikanerin heraus. Ja, Shiffrin ist immer noch die beste und kompletteste Skifahrerin. Ja, sie führt auch heuer den Gesamtweltcup mit 273 Punkten Vorsprung an. Aber: Sie wirkt menschlich. Bis vor nicht allzu langer Zeit gewann sie ihre Rennen mit einer unnachahmlichen Leichtigkeit. Sie hatte nicht selten mehr als eineinhalb Sekunden Vorsprung, zertrümmerte die Konkurrenz.

Jetzt gibt es mit Vlhova eine Rivalin, die ihr Kopfzerbrechen bereitet. Im wahrsten Sinne. Shiffrin äußert ihre Selbstzweifel öffentlich.

Ihre Dominanz schwindet. Auch weil der Weltcup-Kalender voll ist. Sie alle Disziplinen fährt. Es die erste Saison ohne die Begleitung ihrer Mutter ist. Vor dem Saisonstart gab sie auch die Trennung mit ihrem früheren Lebensgefährten und Ski-Star Mathieu Faivre bekannt.

Nach zwei Olympiasiegen, fünf Goldenen bei Weltmeisterschaften, drei großen Kristallkugeln, 64 Weltcupsiegen wird von der jungen Sportlerin nicht weniger als Perfektion erwartet.

Der Druck ist diese Saison aus einem weiteren Grund gestiegen. Der US-amerikanische, auch der internationale Fokus richtet sich nicht zuletzt wegen des Rücktritts von Superstar Lindsey Vonn fast ausschließlich auf Shiffrin. Vonn spielte mit den Medien, blühte vor einer Kamera auf. Shiffrin scheint derzeit im Scheinwerferlicht zu bröckeln.

Der Spionage-Streit

Das äußerte sich zuletzt auch durch unnötige Scharmützel abseits der Piste. Über die Medien beschwerte sich Shiffrin über schmutzige Machenschaften der Konkurrenz. Sie bezichtigte Vlhova und ihr Trainerteam der Spionage. Die gaben das Filmen von Shiffrin-Trainingseinheiten dann offen zu. Die Dominatorin reibt sich auf Nebenschauplätzen wie diesem im Endeffekt nur auf. Diese Energie scheint ihr auf den zwei Atomic-Brettern derzeit abzugehen.

Hirscher schottete sich ab

Marcel Hirscher, Österreichs Ski-Ikone, zeigte ihr in den letzten acht Jahren vor, wie es besser geht. Er nützte seine Ausnahmestellung, seine Unverzichtbarkeit für den österreichischen Ski-Verband, schuf sich ein Arbeitsumfeld, das ihm den Blick auf das Wesentliche stets ermöglichte. Hirscher umgab sich mit Experten, tüftelte und schuftete am Material, an seiner körperlichen und mentalen Stärke, wie kein Zweiter. Seine Konzentration galt immer dem Kontrollierbaren.

Henrik Kristoffersen wäre gerne sein Erzrivale gewesen. Soweit ließ es Hirscher nie kommen. Shiffrin spricht inzwischen nach jedem Slalom über ihre starke Konkurrentin Vlhova.