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SM-Regeln: Der ORF als Bondage-Club?

Heute Redaktion
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Bild: picturedesk.com/APA

Was letzte Woche wie ein schwarzer Puma durch Twitter jagte, waren neben der gleichlautenden Polizeieinheit vor allem die neuen Social Media Richtlinien für ORF Journalisten

Was hat da die Gemüter auf Twitter mal wieder so erregt? Die bloße Tatsache, dass sich Journalisten an Redlichkeit, Anstand und ihr handwerkliches Rüstzeug halten sollen, wohl kaum. Ging es bei dem Aufschrei neben der schon fast obligatorischen Regierungskritik auch um einen relevanten Kern? Oder hat Generaldirektor Wrabetz mit seinem Entwurf für das neue gewünschte Verhalten seiner Angestellten auf Facebook, Twitter und Co. einfach einen Nerv getroffen, der für den ein oder anderen zwar unangenehm, aber international betrachtet ein richtiger Schritt für mehr Qualität im Öffentlich Rechtlichen ist?

Aber der Reihe nach: Zum einen ist die freie Meinungsäußerung durch keine Guideline der Welt zu unterbinden. Das steht aber auch in diesem Fall gar nicht zur Debatte. Zumindest nicht von jenen, die es ernst meinen mit dem ORF und den Vorschlägen – und nicht nur auf Krawall gebürstet sind. Für all jene auf Twitter, die Kurz und Kickl als rotes Tuch betrachten, sind diese Vorschläge aus der Generaldirektion natürlich ein direkter Angriff auf die Demokratie und die Meinungsfreiheit.

Richtlinie darf kein Maulkorb werden

Was ist nun aber Fakt? Die als Entwurf in Umlauf gebrachten Richtlinien sind international nicht unüblich. Sowohl die BBC als auch die New York Times verfügen über solche. Sie sollen vor allem für die einzelnen Journalisten einen qualitativ hochwertigen und sachlichen Umgang mit den sozialen Netzwerken garantieren. Daraus kann man aber leicht eine Maulkorb-Dienstanweisung für die Mitarbeiter am Küniglberg machen. Jedoch wird Twitter-Assen wie Armin Wolf und Kollegen nicht untersagt, sich in den Netzwerken zu bewegen, sondern ihre Art wird in einem für das Unternehmen erwünschten Rahmen gesetzt. Das kann einen stören und das kann auch dazu führen, dass der ein oder andere von Zensur spricht. Doch das Gegenargument lautet hier eben auch: Es ist nicht die Aufgabe eines ORF-Journalisten, sich auf Facebook zu jedem Thema persönlich zu äußern. Gegenfrage: Ist es aber sein Recht es tun zu dürfen wenn er es will, in seiner Freizeit z. B.?

Philipp Ploner ist Experte für Social Media und Online Marketing in Wien und CEO der Kommunikationsagentur Ploner Communications.

Klare Antwort: Ja, das ist es und da setzt meiner Meinung nach die Kritik an den Vorgaben an. So gut ich sie zum Teil finde, denn sie schützt unerfahrene und jüngere Journalisten auch ein wenig vor sich selbst. Vor allem aber ist es das gute Recht eines Medienhauses, eine Blattlinie vorzugeben ohne gleich, frei nach Matthias Strolz zum Bondage Club zu verkommen. Der ORF ist als öffentlich rechtlich organisierter Sender natürlich besonders der Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet – und sollte so wenig wie möglich mit privaten Meinungen verwässert werden. Diesen Gedanken und Wunsch der Geschäftsführung kann man gut nachvollziehen. Es wird also darum gehen, einen Ausgleich zu schaffen. Zwischen freier Meinung der Journalisten auf Social Media und einer neutralen Wahrnehmung des Unternehmens in diesem Medium.

Die Dienstanweisung wird mit höchster Wahrscheinlichkeit kommen und ist wenn richtig formuliert auch zu begrüßen, da keine absolute Einschränkung oder gar ein Maulkorb. Wie sie am Ende genau aussehen wird, hängt wohl von den noch zu führenden internen Diskussionen ab. Eines ist aber klar: Zu schwammig formulierte Richtlinien führen weder zu einer Stärkung der Marke ORF als objektives Leitmedium im Land, noch helfen sie den einzelnen Journalisten bei der Orientierung. Es bleibt also spannend, wie weit die Kritik des Einzelnen gehen darf und ab wann hier von Zensur gesprochen werden kann. Es wird also noch ein wenig gezurrt, gezerrt und geknotet werden. Womöglich drehen sich die Herren und Damen am Ende noch selbst einen Strick aus ihren hausinternen Diskussion und die Zuseher wandern weiter ab zu privaten Medienhäusern. (red)