Gesundheit

So hoch ist das Delta-Ansteckungsrisiko im Freien

Der verbreitete Glaube, sich im Freien nicht mit Corona infizieren zu können, könnte aufgrund der ansteckenderen Delta-Variante widerlegt werden. 

Sabine Primes
Teilen
Die Delta-Variante ist ansteckender als die ursprünglichen Varianten.
Die Delta-Variante ist ansteckender als die ursprünglichen Varianten.
Gerhard Deutsch / KURIER / picturedesk.com

Wieder auf Restaurantterrassen sitzen, mit der großen Freundesrunde im Park oder im Grünen zum Sport treffen: Draußen und im Sommer kann man sich kaum mit Corona anstecken, lautet ein verbreiteter Glaubenssatz in der Pandemie. Die Maske oder der Abstand geraten da manchmal in Vergessenheit. Doch das kann sich rächen: Mit der mittlerweile vorherrschenden Delta-Variante könnte es je nach Situation auch passieren, dass das Virus auch im Freien überspringt.

Fünffach erhöhte Viruslast

"Delta ist generell ansteckender - das gilt auch, wenn man an der frischen Luft ist", sagte der Präsident der deutschen Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager. "Man konnte sich zwar auch mit früheren Varianten schon im Freien anstecken, allerdings steigt mit Delta die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert", erklärte der Experte der Universität Heidelberg. Delta-Infizierte hätten im Vergleich zur Vorgängervariante Alpha (B.1.1.7) eine vermutlich um den Faktor fünf erhöhte Viruslast.

1/5
Gehe zur Galerie
    <strong>1. Kopfschmerzen</strong> sind das häufigste Symptom der Delta-Variante.
    1. Kopfschmerzen sind das häufigste Symptom der Delta-Variante.
    Getty Images/iStockphoto

    "Je mehr Virus bei einem Infizierten vorhanden ist, desto größer das Übertragungsrisiko - auch im Freien." Ob es zu einer Ansteckung komme, hänge aber immer auch von vielen weiteren Faktoren ab - draußen zum Beispiel, wie eng man zusammensteht. "Es lässt sich nicht pauschal sagen, wie schnell eine Infektion geschehen kann - das kann vielleicht eine Minute dauern oder auch eine Stunde."

    1.000 Ansteckungen bei Musikfestival

    Erst Mitte Juli war bekannt geworden, dass sich bei einem Musikfestival in Utrecht in den Niederlanden mindestens rund 1.000 Besucher mit dem Coronavirus infiziert haben. Etwa 20.000 Menschen hatten das zweitägige Open-Air-Festival Anfang des Monats besucht. Die Organisatoren reagierten geschockt.

    Bei solchen Ausbrüchen ist also immer auch die Frage, ob die Menschen Abstände einhielten, ob sie Masken trugen und ob es zum Beispiel an bestimmten Orten zu engeren Kontakten kam, etwa beim Warten vor den Toiletten oder an anderen Stellen. Auch die Tätigkeit bei einer Veranstaltung dürfte eine wichtige Rolle spielen: Singt man zum Beispiel laut, kommt es verstärkt zum Ausstoß von Aerosolen.

    Erhöhte Ansteckungsgefahr 

    Der Aerosol-Experte Gerhard Scheuch geht jedoch weiter davon aus, dass sich Menschen insbesondere in Innenräumen anstecken. Sollte tatsächlich die Infektionsgefahr im Freien ansteigen, hieße das, dass dies für Innenräume noch stärker zutreffe, teilte er auf Anfrage mit. Gerade bei Fußballspielen und auf Festivals teilten sich zudem viele Menschen bestimmte Räume, etwa auf der Anfahrt, bei der Übernachtung oder die Toiletten. So könne man durchaus annehmen, dass viele der Infektionen, die im Zusammenhang mit Open-Air-Veranstaltungen erfasst wurden, eben doch in Räumen stattgefunden haben könnten.

    Hinweise auf Übertragungen im Freien

    Das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) teilte auf Anfrage mit, keine geänderte Einschätzung zu haben: Auf der Webseite des Instituts heißt es, Übertragungen kämen im Außenbereich insgesamt selten vor und hätten einen geringen Anteil am gesamten Geschehen. Werde der Mindestabstand gewahrt, sei die Wahrscheinlichkeit der Übertragung im Außenbereich wegen der Luftbewegung "sehr gering". Das Einhalten von mindestens eineinhalb Meter Abstand und das Vermeiden größerer Menschenansammlungen empfiehlt das RKI aber auch im Freien, damit man weniger Tröpfchen und Aerosole direkt abbekommt.

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte kürzlich auch auf eine Studie aus China hingewiesen, die die Gefährlichkeit von Delta untermauere: Dort wurden Menschen untersucht, die nach Kontakt mit einem Delta-Infizierten in Quarantäne waren. Der PCR-Test sei bei ihnen schon nach durchschnittlich vier statt wie bei frühen Varianten nach sechs Tagen positiv gewesen. Außerdem sei die Viruslast beim ersten Positiv-Test 1.200 mal höher gewesen verglichen mit ursprünglichen Varianten. "Das legt nahe, dass diese besorgniserregende Variante sich möglicherweise schneller vermehrt und in den frühen Stadien der Infektion ansteckender ist", so die WHO.