Gesundheit

Viele Kinder krank: "Normale Infekte werden nachgeholt"

RS-Viren sind Erreger, die normalerweise erst im Winter so wirklich um sich greifen. Aktuell sind jetzt schon ungewöhnlich viele Kinder betroffen. 

Sabine Primes
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Neben einer "normalen" Verkühlung ist nun auch immer der Verdacht auf Corona präsent.
Neben einer "normalen" Verkühlung ist nun auch immer der Verdacht auf Corona präsent.
Getty Images

Laufende Nase, Husten und Fieber: Auffallend viele Kinder machen in Deutschland seit einigen Wochen Atemwegsinfekte durch, die eigentlich erst in den Wintermonaten zu erwarten wären. Betroffen seien vor allem unter Sechsjährige, sagte Jakob Maske, Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Aufgrund von Kita-Schließungen und anderen Corona-Maßnahmen im vergangenen Winter und Frühjahr seien sie bisher nicht in Kontakt mit bestimmten Erregern gekommen. "Die Infekte werden jetzt nachgeholt."

Das Respiratorische Syncytial-Virus (kurz RSV) ist bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren der häufigste Auslöser von akuten Atemwegsinfektionen. In den ersten drei Lebensmonaten können diese besonders schwer verlaufen. Grundsätzlich können Infektionen mit RS-Viren, die vor allem in den Wintermonaten und im Frühjahr gehäuft vorkommen (Oktober/November bis März/April), jeden treffen.
Während ältere Kinder und Erwachsene in aller Regel nur leichte, erkältungsähnliche Symptome entwickeln, greifen RSV-Infektionen in den ersten Lebensmonaten leicht von den oberen auf die unteren Atemwege über. Da die Atemwege von Säuglingen relativ eng sind, werden ihre Bronchiolen und ihr Lungengewebe bei RSV-Infektionen besonders in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt zur Entzündung der kleinen Endäste des Bronchialbaums (Bronchiolitis) und zur Lungenentzündung. Diese Gefahr nimmt mit zunehmendem Lebensalter aufgrund des Wachstums ab.

Aktuell doppelt so viele Krankenhauseinweisungen

Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet von einem starken Anstieg der Krankenhauseinweisungen wegen Infektionen mit dem Respiratorischen Syncytial-Virus (RSV) bei Ein- bis Vierjährigen. Gefährlich kann dieser Infekt der oberen Luftwege insbesondere für Frühgeborene sowie vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr werden. Laut RKI wurden in den Jahren vor der Pandemie im Monat September rund 60 bis 70 Ein- bis Vierjährige pro Woche mit schweren Atemwegsinfekten in Kliniken eingewiesen, aktuell seien es doppelt so viele. Das RKI rechnet mit einem weiteren Anstieg.

Zu wenig Personal

"Es gibt leider im Moment eine Zuspitzung", sagte Maske, der in Berlin eine Kinderarztpraxis hat. "Wir haben etwas mehr kranke Kinder als sonst zu dieser Zeit und immer weniger Betten in den Kinderkrankenhäusern, weil Personal fehlt." Die Mediziner sorgen sich um die Versorgung schwerkranker Kinder im Herbst und Winter. Maske zufolge ist es schon jetzt sehr mühsam, kleine Patienten stationär unterzubringen. Hintergrund sei auch, dass zu wenige Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger ausgebildet würden.

RSV-Ausbrüche bereits im Sommer

Größere RSV-Ausbrüche unter Kindern wurden bereits im Mai aus Israel und in den Sommermonaten in den USA, Australien und Japan gemeldet. Auch "Heute" hat darüber berichtet. Das RKI mahnte deshalb schon im Sommer an, sich auf ein ähnliches Szenario vorzubereiten. "In der Regel begegnen Kinder jedes Jahr RSV und bauen dabei einen gewissen Immunschutz auf", erläuterten die Experten des RKI. Diese Hilfe bei der Abwehr der Erreger fehle jetzt, weil es im letzten Winter wegen der Corona-Maßnahmen fast keine RSV-Erkrankungen gab.

"Wir machen uns zudem Sorgen, dass es eine Grippewelle gibt", sagte Buck. Im letzten Pandemie-Winterhalbjahr mit vielen Hygienevorkehrungen und eingeschränkten Kontakten blieb die Grippewelle praktisch aus. Mediziner hoffen, dass die Bereitschaft zur Grippe-Impfung für die anstehende Saison nun dennoch hoch bleibt.

Normaler Alltag - so weit wie möglich

Die Kinder- und Jugendärzte plädieren dafür, den Alltag für Kinder und Jugendliche nach Monaten der Entbehrung so normal wie möglich zu gestalten. Für Eltern ist es oft eine schwierige Entscheidung, ob sie ihr Kind mit Schniefnase oder Halsschmerzen in die Kita oder Schule schicken. Seit Beginn der Pandemie wird jeder mit Erkältungssymptomen schief angeschaut, es steht immer auch der Verdacht einer Corona-Infektion im Raum.

"Man muss kluge Risikoabwägungen treffen", sagte Buck. "Wir wollen, dass die Kinder endlich wieder konstant in Kindergarten und Schule gehen und unnötige Krankmeldungen vermeiden." Auf der anderen Seite gehe es auch darum, möglichst keine Corona-Infektion zu übersehen.

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