Sportmix

Thiem trainiert ohne Massu! Wimbledon-Start ist fix 

Tennis-Ass Dominic Thiem suchte zuletzt ohne Trainer Nicolas Massu den Weg aus der Krise. Fix: In Wimbledon schlägt er auf- das liegt auch am Geld.  

Martin Huber
Teilen
Tennis-Ass Thiem: "Basis überhaupt nicht bereit."
Tennis-Ass Thiem: "Basis überhaupt nicht bereit."
Gepa

Die Paris-Pleite war wie eine viel zu große Prise Salz in die offenen Wunden von Dominic Thiem. Sieben Niederlagen in Serie beim verpatzten Comeback haben Spuren beim US-Open-Sieger 2020 hinterlassen. 

Nach den French Open begleitete Thiem seine Freundin Lili Paul-Roncalli nach Köln. Gemeinsam besuchten sie das Tierheim Dellbrück, wo Hunde auf ein neues und besseres Herrchen warten. Zurück in Wien verbrachte Dominic die freie Zeit mit guten Freunden. Am Sonntagabend spielte er spontan im Mexiko-Trikot eine Runde Padel-Tennis. Und er suchte seinen Kraftort in der Natur auf – den Neusiedler See.

Die schwächelnde Vorhand, das fehlende Selbstvertrauen, der letztklassige Spott in den sozialen Medien – in diesen Momenten und Stunden war das alles weit weg.

Massu fehlte beim Trainingsblock

Dann kam der gelbe Ball wieder ins Spiel. In Traiskirchen, in der Akademie seines Vaters Wolfgang, machte sich Thiem auf die Suche nach dem Weg aus der Krise. 394 Tage ist er ohne Sieg in einem Tennismatch, 280 Tage davon musste er mit einer Handgelenkverletzung pausieren. Das Training leitete Vater Wolfgang. Thiems eigentlicher Coach Nicolas Massu war nicht dabei, auch Fitness-Coach Jez Green fehlte. Dazu später mehr.

Das Motto in Traiskirchen war nicht neu: "Möglichst viele Schläge jeden Tag." Die ehemalige Nummer drei der Welt ist weiter davon überzeugt, so zu alter Stärke zu finden. "Ich mache im Training nichts anders als früher", sagt er. "Es hat mich damals erfolgreich gemacht und es wird mich wieder in die Spur zurückbringen."

1/5
Gehe zur Galerie
    Lili Paul-Roncalli hat eine Dirndl-Kollektion für Stockerpoint entworfen und wirbt dafür.
    Lili Paul-Roncalli hat eine Dirndl-Kollektion für Stockerpoint entworfen und wirbt dafür.
    Stockerpoint/Instagram

    Kritik von Stich an Thiem

    Im Tennis-Zirkus sieht das nicht jeder so. Sky-Experte Michael Stich, 1991 Sieger im deutschen Wimbledon-Finale gegen Boris Becker, kritisiert die fehlende Änderungsbereitschaft beim Österreicher ganz offen. "Er will einfach genau das machen, was er gemacht hat. Ich hätte mir bei Dominic gewünscht, dass er die Zeit nützt, sein eigenes Spiel mehr zu analysieren und neue Sachen hinzuzufügen. Das fehlt." 

    "Dominic sendet seinen Gegnern das Signal, dass wirklich jeder gegen ihn gewinnen kann"

    Stich sah Thiem zuletzt "von der Basis überhaupt nicht bereit". "Ich finde seinen Weg die falsche Entscheidung. Er sendet den Gegnern das Signal, dass wirklich jeder gegen ihn gewinnen kann."

    Thiem habe immer von seiner Physis gelebt, seiner Vorhand und seiner Aggressivität. "Das spielen die Jungen, die jetzt nachkommen auch – nur besser, härter und ausdauernder", warnt er. "Die Besten im Tennis heben sich dadurch ab, dass sie ihr Spiel anpassen und verbessern."

    Das beste Beispiel dafür ist Rafael Nadal, der am Sonntag zum 14 Mal in Paris gewann, aber rein technisch nur noch in Ansätzen mit jenem Spieler zu vergleichen ist, der 2005 erstmals in Roland Garros triumphierte.

    1/77
    Gehe zur Galerie
      Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
      Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
      gepa-pictures.com

      Der Zickzack-Kurs

      In den Katakomben von Paris hatte Thiem vor knapp drei Wochen nach der Abfuhr gegen Hugo Dellien klargestellt, eine Stufe tiefer auf Challenger-Ebene einsteigen zu wollen. "Ein Matchsieg würde für das Selbstvertrauen bestimmt helfen", meinte er. Sein Kopf war damals nach unten gerichtet. Er plante in Perugia und Parma bei kleineren Turnieren an den Start zu gehen.   

      Wieder im Training verwarf er diesen Plan. Die Meldung eines deutschen Journalisten, dass er "physische Probleme" hätte, war falsch. Thiem hielt einen Trainingsblock für wichtiger. Zudem hätte eine weitere Niederlage seine Brust nicht breiter gemacht.

      Dieser Zickzack-Kurs ist nicht neu. Thiem tut sich abseits des Courts schwer, Entscheidungen zu treffen. Das berichtet ein enger Wegbegleiter von Thiem "Heute". 

      Vor seiner Rückkehr nach der Handgelenks-Verletzung hat der Gewinner von 17 ATP-Turnieren vier Comebacks in drei Monaten abgesagt. Aus gutem Grund: Sein Handgelenk war einfach nicht bereit für Spitzentennis. Thiems spanisches Management schaffte es nicht, diese einfache Botschaft klar zu vermitteln. Es begann ein Rätselraten in Österreich.

      Als Thiem einige Monate zuvor, die von seinem Vertrauensarzt Frederik Verstreken in Antwerpen angelegte Schiene abnahm, war sein rechtes Handgelenk steif. Das schockierte auch Thiems Therapeuten Ansgar Sanning, der sonst Gitarristen nach schweren Handverletzungen hilft, wieder die richtigen Töne zu finden. 

      "Zu viele Fehler, zu wenig Kraft"

      Jetzt hält das Handgelenk. Die fehlende Mobilität beeinflusste aber Thiems Comeback negativ – vor allem bei der Vorhand. In Matches mehr als im Training. "Zu viele Fehler, zu wenig Kraft", sagt Dominic selbst über seine einst größte Waffe, mit der er Gegner am Platz erdrückte und Matches gewann.

      Die heikle Situation: Thiem selbst glaubte, bei der Vorhand alles richtig und so wie früher zu machen – sein Handgelenk hatte aber vor dem Treffpunkt des Balles ein gewisses Eigenleben. Nur so ist es zu erklären, dass der 28-Jährige plötzlich wie in Paris fünf Vorhand-Returns ins Aus schoss und nicht wusste warum.

      Durch viele Schläge will er das Problem in den Griff kriegen. Beim Training in Traiskirchen sah er Fortschritte. Auch technische Fehler ging er an: Statt mit dem Arm will er wieder mehr mit dem Handgelenk schlagen. "Die Tage waren sehr gut. Die Schritte sind wichtig für mich", schreibt er auf Instagram an seine Follower.

      1/6
      Gehe zur Galerie
        Tennis-Star Dominic Thiem hat einen neuen Hund. Der neue Gefährte teilt seine Leidenschaft für den Ball.
        Tennis-Star Dominic Thiem hat einen neuen Hund. Der neue Gefährte teilt seine Leidenschaft für den Ball.
        Instagram

        Wimbledon-Antritt fix

        Seinen nächsten Schritt setzt Thiem in Wimbledon. Nach "Heute"-Infos ist es fix, dass Thiem ab 27. Juni in London (live Sky) beim dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres aufschlägt. Der 28-Jährige unterbricht den aktuellen Trainingsblock, trifft sich in einer Woche mit seinem Team zur Rasen-Vorbereitung. Dann stoßen auch Nicolas Massu und Jez Green wieder dazu. 

        Dass Massu beim so wichtigen Trainingsblock zuletzt fehlte, fand nicht jeder im Team passend. Der Chilene ist der einzige Betreuer, den Thiem nach dem US-Open-Triumph 2020 nicht austauschte. Manager, Physio, Fitnesscoach – sonst musste jeder gehen, "Heute" berichtete jeweils vorab. 

        Zweifel an richtiger Planung

        Massu übernahm 2019 ein gut geschnürtes Paket von Thiem-Mentor Günter Bresnik, seine Emotionen und taktische Feinheiten halfen beim Grand-Slam-Triumph in New York. Ob Massu in der aktuellen Krise der Richtige ist?

        Klar ist: Thiem braucht aktuell Unterstützung für seinen Weg aus der Krise. Er selbst hält die Diskussion über sein neues Team zwei Monate nach seinem Comeback für "unfair". Thiem ist laut Wegbegleitern aber einer, der Fehler immer zuerst bei sich sucht. "Ich will mir selbst und dem Team noch mehr Zeit geben", sagt er.

        Nicht jeder in Thiems Umfeld ist davon überzeugt, dass es richtig ist, das aktuelle Training für den Rasen-Hit zu opfern. Mit geringem Selbstvertrauen und fehlender Matchpraxis wird er am "Heiligen Rasen" kein Bäume ausreißen, so der Tenor. In Wimbledon geht es aber auch um viel Geld. Der Verlierer in Runde eins casht 58.000 Euro. Und Sponsoren sehen es gerne, wenn der Schützling auf der größten Bühne spielt.

        Michael Stich hatte mit 27 Jahren einen Bandscheibenvorfall. Eineinhalb Jahre später musste er seine Karriere beenden. Ob Thiem wieder der Alte wird, hängt für ihn vor allem von seiner mentalen Einstellung ab. "Die entscheidende Frage wird sein: Wieviel Lust hat er noch sich zu quälen, die Tortur über sich ergehen zu lassen?"

        Thiem sagt, er würde den Aufwand nicht betreiben, wenn er nicht daran glauben würde, wieder große Turniere gewinnen zu können. Fitnessmäßig sieht er sich bei 100 Prozent, spielerisch bei 60 bis 70 Prozent.

        In der Weltrangliste wird Thiem am 13. Juni aus den Top 350 fliegen. Nach Wimbledon wechselt er wieder zurück auf Sand. Bastad, Gstaad und Kitzbühel stehen auf seinem Plan.

        Mehr zum Thema