In der Region Neapel kommt es immer wieder und immer öfter zu Erdbeben. Das schürt die Sorge, dass ein Ausbruch der Campi Flegrei bevorstehen könnte. Die Phlegräischen Felder erstrecken sich unterirdisch auf 150 Quadratkilometern und werden von Fachleuten als Supervulkan eingestuft (siehe Box).
Unter dem aktiven Vulkangebiet haben Geologinnen und Geologen des Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) in Rom, der Universität Pisa und des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung in Potsdam in rund 3,5 Kilometern Tiefe eine bislang unerkannte Struktur ausgemacht, die rund 1000 Meter lang, 650 Meter breit und etwa 0,35 Meter hoch ist. Sie soll ein Gesamtvolumen von etwa 220.000 Kubikmetern haben.
Das Team beschreibt sie als rissartigen Hohlraum unter der Solfatara, einem flachen Vulkankrater bei Pozzuoli, der bei einer Eruption der Phlegräischen Felder vor rund 4000 Jahren entstand und zur aktivsten Zone der Campi Flegrei gehört. Die Struktur verbinde das darunterliegende Magma- und Gasreservoir mit oberflächennahen Fumarolen – vulkanischen Dampfaustrittsstellen. Womit Struktur und Risse genau gefüllt sind, ist noch unklar. "Möglicherweise handelt es sich um Hochdruckgase und magmatische Flüssigkeiten", teilt die Universität Pisa mit.
Die Forschungsgruppe hat vulkanisch-tektonische Erdbeben der letzten 10 Jahre in den Phlegräischen Feldern untersucht. Aus der Analyse der seismischen Wellenformen rekonstruierten die Forschenden die Geometrie der verschiedenen seismogenen Strukturen, die mit der Entstehung oder Auslösung von Erdbeben in Verbindung stehen. So konnten sie etwa Ort, Tiefe und Orientierung von Schwächezonen und die Mechanismen der Erdbebenquellen bestimmen.
Die Entdeckung der bisher unerkannten Struktur gelang "durch die Analyse von seismischen Signalen mit sehr langer Periode (VLP)", erklärt Giacomo Rapagnani, der Erstautor der Studie. Bei solchen VLP-Wellen liegen mehr als zwei Sekunden zwischen den Wellenbergen, meist werden sie durch Resonanzeffekte im Untergrund erzeugt. In den Phlegräischen Feldern treten diese VLP-Signale seit 2018 auf und halten bis heute an.
VLP-Signale und Resonanzprozesse werden gelegentlich auch an anderen Vulkanen beobachtet, aber in den Phlegräischen Feldern wurden sie bisher noch nie nachgewiesen.
"Wir interpretieren die VLP-Signale als Resonanz einer oder mehrerer mit Fluid gefüllter Risse, die die Verformungsquelle in der Tiefe mit den Fumarolen an der Oberfläche verbinden", so Rapagnani. Zudem biete die schwingende, mit Gas gefüllte Struktur einen Weg für die Entgasung, wobei es zu einer Wechselwirkung zwischen Flüssigkeitsaufstieg, flachem Aufbrechen und Resonanzprozessen komme.
Es gibt keine Hinweise für einen bevorstehenden Ausbruch der Campi Flegrei: "Die Struktur schwingt seit mindestens sieben Jahren mit derselben Frequenz, 0,114 Hz", sagt Rapagnani. Das sei ein Zeichen dafür, dass ihre Größe und Zusammensetzung im Laufe der Zeit stabil geblieben seien.
"Die unveränderte Resonanzfrequenz zeigt uns, dass die Rissstrukturen unter der Solfatara in den letzten Jahren wahrscheinlich nicht gewachsen sind, trotz stetiger Bodenhebung. Insofern haben wir bisher keine Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch in der Solfatara", erklärt Co-Autor Simone Cesca.
Die Phlegräischen Felder im Golf von Neapel gehören zu den am besten überwachten Vulkankomplexen der Welt. Nicht ohne Grund: Denn ein Ausbruch der Campi Flegrei könnte halb Europa mit Asche und Rauch überziehen – so wie es vor knapp 40.000 und vor rund 29.000 Jahren der Fall war. Es gibt Befürchtungen, dass ein großer Ausbruch das Klima zum Kippen bringen, ein Massenaussterben auslösen und ganze Landschaften für immer verändern könnte.
Zwar blieb es nach dem letzten kleineren Ausbruch im Jahr 1538 weitgehend ruhig, doch seit 2005 regt sich die Erde unter den Phlegräischen Feldern immer wieder. Erst kürzlich wurde nach einer Reihe von Beben das bisher stärkste Beben der Region mit einer Magnitude von 4,6 registriert. Die Beben gehen mit der Hebung des Bodens einher, die seit 2005 rund 1,4 Meter betrug.
Die Studie ist im Fachjournal "Nature Communications Earth and Environment" erschienen.