Riesiger Medienandrang am Landesgericht Wels: Am Mittwoch ging dort der Prozess im Fall um den tragischen Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ins Finale. Auf der Anklagebank sitzt ein 61-Jähriger aus Deutschland. Ihm wird gefährliche Drohung vorgeworfen. Hassnachrichten an die Medizinerin sollen Mitschuld an ihrem Tod gehabt haben.
Es laufen die letzten Stunden im Kellermayr-Prozess: Drei intensive Verhandlungstage liegen hinter dem Landesgericht Wels. Heute, Mittwoch, soll es das Urteil des Schöffensenats geben.
Der angeklagte Deutsche trat am Mittwoch, wie auch an den vergangenen Prozesstagen, mit Haube, Sonnenbrille und Mantel in den Schwurgerichtssaal. Bevor ihm Staatsanwälte, Schöffensenat und seine Verteidiger folgen, posierte er für die versammelte Presse. Er wirkte nachdenklich und ruhig.
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Kellermayrs Vater, der bisher beim Prozess immer anwesend war und sogar aktiv teilgenommen hatte, wollte ausgerechnet heute nicht dabei sein. Er zeigte sich nur kurz vor dem Saal, war sichtlich mitgenommen.
In einem nun ausgestrahlten Interview mit Puls24 sprach Franz Kellermayr hoch emotional über seine Tochter. Deren "Lebenstraum" sei es immer gewesen, Ärztin zu sein. Immer wieder stockt die Stimme, er ringt mit den Tränen. Die Corona-Zeit sei sehr schwierig gewesen. "Teilweise war sie den ganzen Tag im Schutzanzug".
Eine OP bei der Halswirbelsäule sei eine "extreme Belastung" für die Tochter gewesen. Zum Teil habe sie sogar Lähmungen gehabt deswegen. Von 2014 bis 2019 habe sie darunter gelitten. "Sie musste einen Fulltime-Job machen, der über ihre körperlichen Grenzen hinausging." Das sei eine extreme Herausforderung gewesen. Sie sei immer 200 Prozent Ärztin gewesen.
Nach 2019 sei sie "richtig aufgeblüht", habe trainiert, sei einen Halbmarathon gelaufen. "Sie hat sehr sehr viel geleistet", so ihr Vater. "Dann war sie mit der Bedrohungssituation total überlastet". Sie hätte dann eine Auszeit gebraucht. Rund um die Drohungen sei Angst ein großer Faktor gewesen, dazu kamen dann finanzielle Probleme. Kellermayrs Vater: "Die Masseverwalterin hat festgestellt, dass sie sehr gut und positiv gewirtschaftet." Sie habe mehr Umsatz gemacht, als prognostiziert wurde. "Ich bin froh, dass das Thema damit vom Tisch ist."
An einen Suizid glaubt der Vater nicht. Das Gericht sah das im Prozess anders. Was erwartet er vom Urteil: "Da verlasse ich mich auf die Justiz."
Zurück zum Prozess: Am Dienstag hatte ja wie berichtet ein bekanntes Gesicht im Schwurgerichtssaal einen Auftritt. Promi-Autorin Adelheid Kastner. Die forensische Psychiaterin war aber nicht wie sonst üblich als Gutachterin geladen, sondern als Zeugin. Denn: Sie hatte Kellermayr kurz vor deren Suizid getroffen.
Kastner hatte das Gespräch mit der Ärztin auf Vermittlung von Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gesucht. "Um eine Gefahrenabschätzung durch die Drohungen vorzunehmen", wird die Psychiaterin im "Kurier" zitiert.
Suizidal oder depressiv habe die Medizinerin ihrer Einschätzung nach nicht gewirkt – eher das Gegenteil: "Ich hatte den Eindruck, dass die Aufmerksamkeit, die sie generiert, ihr nicht ungelegen gekommen ist."
Hintergrund zum Prozess: Während der Pandemie hatte sich die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr stets öffentlich für die Impfung starkgemacht – dafür wurde sie im Netz massiv beschimpft und bedroht. Der 61-Jährige soll ihr zwischen Februar und Juli 2022 mehrere Droh-Mails und Twitter-Nachrichten geschickt haben und so zu ihrem Suizid beigetragen haben.
Insgesamt 28 Zeugen wurden angehört. Schon am ersten Prozesstag ließ der Staatsanwalt ein Ergebnis der Gutachten durchblicken: Aus psychiatrischer Sicht müsse man davon ausgehen, dass die Drohungen zum Suizid beigetragen haben. Die Verteidiger des 61-Jährigen sehen das anders: Es sei nicht die Intention des Deutschen gewesen, die Ärztin in den Tod zu treiben. Für den beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.