Politik

Lunacek erklärt Rücktritt und teilt gegen Kritiker aus

Ulrike Lunacek wirft hin: Nach der Welle an lauter Kritik in den vergangenen Tagen erklärte die Kulturstaatssekretärin ihren Rücktritt: "Habe mein Ziel nicht erreicht."

Roman Palman
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"Persönliche Erklärung" war in der Vergangenheit in der Politik meist die Umschreibung für den eigenen Rücktritt. Auch heute sollte sich dies wieder bewahrheiten: Bereits im Vorfeld von Lunaceks kurzfristig anberaumter Pressekonferenz sickerte durch, dass sie als Staatssekretärin für Kunst und Kultur ihren Hut nehmen wird.

Zu Mittag wollen Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober dann zu einer weiteren Pressekonferenz antreten. Die beiden Grünen sollen da ersten Informationen zufolge das tun, was Lunacek bisher nicht zuwege gebracht hat: Zumindest einen weiteren Öffnungsplan für den Kultursektor in Umrissen skizzieren.

Dem Vernehmen nach werden die Grünen heute keine Nachfolgerin für die scheidende Staatssekretärin benennen. Nur so viel konnte eine ORF-Reporterin in Erfahrung bringen: Die unter Kulturschaffenden beliebte und frühere Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Eva Blimlinger (58) stehe für den Posten nicht zur Verfügung. 

Das war Ulrike Lunaceks Rücktrittsrede

"Ich mache Platz für jemanden anderen, die in dieser Krisensituation hoffentlich mehr erreichen kann, als mir gelungen ist" – mit diesen Worten gab Ulrike Lunacek am Freitagvormittag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz ihren Rücktritt als Staatssekretärin für Kunst und Kultur bekannt. 

"Eigentlich wollte ich Ihnen heute, gemeinsam mit Werner Kogler oder Rudi Anschober, die Öffnungsmöglichkeiten für Veranstaltungen sowie etwaige neue finanzielle Unterstützungen bekanntgeben. Letzteres ist bisher nicht gelungen. Ich habe jedoch im Laufe dieser Woche gemerkt, dass die Unzufriedenheit und Enttäuschung von vielen im Kunst- und Kulturbereich, trotz der Einigung zum NPO-Paket mit 700 Millionen Euro für gemeinnützige Organisationen, darunter auch viele Kunst- und Kulturvereine, nicht geringer wurde – im Gegenteil!"

Trotz zahlreicher Gespräche mit Personen dieses Sektors, "musste ich feststellen, dass ich mit meinen Stärken keine positive Wirkung mehr erzielen konnte, mir keine Chance mehr gegeben wurde." Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch sei sie zur Überzeugung gekommen, dass sie vom Amt der Staatssekretärin müsse, erklärt Lunacek mit gefasster, aber doch wehmütiger Stimme. 

"Mein Herzblut und meine Expertise setzte ich im Laufe meines Lebens für das gemeinsame Europa, für eine gerechte, friedensorientierte und nachhaltige Außenpolitik ein; für Menschen und Minderheiten, LGBTI-Rechte sowie für eine feministische Frauenpolitik. Weil ich das bin. Eine Europäerin, eine lesbische Frau, eine Weltbürgerin mit Geburtsort Krems an der Donau."

"Dann kam Corona ..."

Den Einstieg in das für sie neue Metier als Staatssekretärin für Kunst und Kultur bezeichnete sie als eine Herausforderung. "Das Angebot, die Chance mit den Grünen erstmals in eine Bundesregierung zu gehen und dieses Land in einer neuen Rolle mitzugestalten, hat mich sehr gereizt", so die frühere Vizepräsidentin des Europaparlaments. Sie habe ihre Netzwerke und Erfahrungen in Europa und international für die Künstler Österreichs nutzen wollen, gegen Grenzen und Vorurteile in den Köpfen und Herzen der Menschen zu streiten und für mehr Solidarität und Freude am Reichtum der Vielfalt zu werben. "Das war mein Ziel – ich habe es nicht erreicht".

"Sechs Wochen nach meiner Übernahme der Agenden kam Corona. Gravierende Einschnitte in unser aller Leben wurden Wirklichkeit. Die Grenzen wurden in ganz Europa geschlossen, Schutzmaßnahmen setzten ein, gravierende Einschnitte in unser aller Leben wurden Wirklichkeit. Keine Chance mehr, das ambitionierte Kunst- und Kultur-Regierungsprogramm zu realisieren. Die Bewältigung der Covid-19-Krise stand ab sofort im Mittelpunkt."

"In dieser Krisensituation, das gestehe ich freimütig, ist mir das, wofür ich mich mit aller Kraft einsetzen wollte, nicht im nötigen Ausmaß gelungen. Ich habe in meinem Leben auch und gerade in schwierigen Situationen Konsequenzen gezogen. So mache ich das auch heute."

"Das ist einem der reichsten Länder dieser Welt unwürdig"

An die Bundesregierung und alle Menschen aus dem Umfeld der Kunst und Kultur möchte Lunacek vor ihrem Abschied noch drei Wünsche richten:

1) Die Corona-Krise habe ein von der Politik lange negiertes Problem offensichtlich gemacht. Tausende Künstler würden in prekären Verhältnissen leben. "Ihnen geht trotz Unterstützung das Geld für Lebensmittel aus", prangert die 62-Jährige an. "Das ist einem der reichsten Länder dieser Welt unwürdig." Aus diesem Grund habe sie als letzte Amtshandlung noch einmal den Geldhahn aufgedreht: Ab sofort wird rückwirkend für die gesamte 1. Phase die Corona-Künstlerförderung für Geringverdiener von maximal 500 Euro auf 1.000 Euro verdoppelt. "Aber ohne grundlegende Änderung des Systems wird sich diese Situation nicht ändern."

2) Kunst und Kultur sei einer der Bereiche, in der Österreich weltweit in der Königsklasse spiele. Aus diesem Grund brauche es auf diesem Sektor mehr Geld – viel mehr Geld als bisher vorgesehen, um die massiven Umsatzeinbrüche wettzumachen. Das sei nötig, um das "Überleben der Vielfalt der Branche" zu gewährleisten. "Es ist mein Wunsch an die gesamte Bundesregierung, sicherzustellen, dass hier auch im Post-Corona-Wiederaufbau genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden." 

3) Die Kunst und deren Freiheit sei eines der "Herzstücke unserer Demokratie". "In der Corona-Zeit und dem Wiederöffnen nach dem Shutdown bedeutet dies, ein fragiles Gleichgewicht im Dreieck Gesundheitsschutz, Eigenverantwortung und Wirtschaftlichkeit zu stabilisieren. Nur so kann es gelingen, dieses Herzstück zu bewahren und innovativ weiterzuentwickeln."

So will Lunaceks ihre neue Freiheit nützen

"Sie werden sich vielleicht fragen, was ich künftig in meiner vielen freien Zeit tun werde", scherzt die scheidende Staatsekretärin im Anschluss an einige Dankesworte. "Auf eines freue ich mich besonders: Sobald die Häuser des Kulturbereiches wieder aufsperren und spielen können; auf Theater und Konzertbesuche, Tanz- und Musikveranstaltungen, Kinoabende und Museen-Besuche". Einen Seitenhieb gegen ihre lautesten Kritiker kann sich Lunacek aber nicht verkneifen: "Und vielleicht gehe ich dann auch zu einem Abend von und mit Stermann und Grissemann, oder Lukas Resetarits, und werde schauen, ob ich an deren Programm genauso viel Kritik finde, wie sie an meinem."