Politik

Umfragen-Deals: Kurz sieht sich voll entlastet

Die Einvernahme der Meinungsforscherin B. liegt vor. Kontakt zu Kurz hatte sie keinen, doch mehrere Vertraute werden schwer belastet.

Leo Stempfl
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Die Rolle des Ex-Kanzlers bleibt weiter unklar. Die Fragen sollen jedenfalls von Pressesprecher Johannes Frischmann gekommen sein, so die Meinungsforscherin.
Die Rolle des Ex-Kanzlers bleibt weiter unklar. Die Fragen sollen jedenfalls von Pressesprecher Johannes Frischmann gekommen sein, so die Meinungsforscherin.
Michael Gruber / EXPA / picturedesk.com

Es war einer der aufsehenerregendsten Chats der ÖVP-Affären. "Der B. habe ich gestern noch angesagt, was sie im Interview sagen sollen", schrieb Johannes Frischmann, Sprecher im Finanzministerium und später bei Sebastian Kurz, an Thomas Schmid, Generalsekretär im Finanzministerium. "So weit wie wir bin ich echt noch nicht gegangen. Geniales Investment. Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das", antwortete dieser.

Der Verdacht der WKStA: Umfragen, die Sebastian Kurz gut und die alte ÖVP schlecht dastehen lassen, sollen leicht manipuliert worden, in einer Tageszeitung abgedruckt und anschließend über Scheinrechnungen von Steuergeld bezahlt worden sein, um den "Machtwechsel" zu forcieren. Eine der Hauptfiguren: Sabine B., Meinungsforscherin. Anfang Oktober wurde sie vorläufig festgenommen, eine Hausdurchsuchung brachte brisante Details zutage, "Heute" berichtete.

Geständnis

Es folgte ein umfassendes Geständnis, B. strebte die Kronzeugenregelung an. Über die Details ihrer Einvernahme herrschte deswegen eisernes Schweigen – bis jetzt. Das 222 Seiten lange Protokoll liegt "Heute" vor. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Alles begann demnach mit Sophie Karmasin, ebenfalls Meinungsforscherin und später Familienministerin auf ÖVP-Ticket. Man lernte sich auf Vorträgen kennen, arbeitete später zusammen. Im Jahr 2015 hieß es dann: "Schick dem Thomas Schmid deine Kontaktdaten. Da gibt es Umfragen."

20 Prozent

Diese Vermittlung soll sie sich auch etwas kosten lassen haben. Laut B. soll sie gesagt haben, sie möchte "Vermittlungshonorar dafür bekommen und zwar 20 Prozent vom Umsatz". Ein schlechter Deal, wie sie mittlerweile findet, musste sie doch die Studien durchführen und sämtliche Fremdkosten tragen. "Ich bin ja wirklich der komplette Volltrottel", sagte sie bei der Einvernahme.

Über etwaige Inseratendeals im Hintergrund will sie nichts gewusst haben, sondern nur, dass da halt geredet wurde. Die konkreten Fragebogen hingegen habe sie mit Frischmann oder Schmid abgestimmt. "Ansonsten war ich mit niemanden in Kontakt und ich kenne auch Personen die als Beschuldigte angeführt werden, nicht", so B. Mit Abteilungsleiter Pasquali habe sie nur über die Kernthemen der Finanzministeriumsstudien gesprochen, mit Fleischmann gab es nur Smalltalk über allgemeine Politik.

Sebastian Kurz?

Schließlich wird der Staatsanwalt konkret. Gab es Kontakt zu Sebastian Kurz? "Nein. Habe ich persönlich einmal im Vorbeigehen gesehen, ansonsten nie. Gar nie. Kein einziges mal. Ich habe keine Telefonnummer, ich habe gar nichts, ich kenne den aus dem Fernsehen." Dier Ermittler gehen aber auch nicht davon aus, dass sie direkten Kontakt zum Kanzler(-Aspiranten) hatte. Die Hintergründe, von wem der Auftrag für die angehängten ÖVP-Fragen kam, bleibt deswegen weiter unklar.

Wie steht es um Kontakt zu Johannes Frischmann? "Ja, mit dem habe ich Kontakt gehabt und habe auch immer wieder Kontakt." Von ihm und Schmid sollen die angehängten Fragen gekommen sein, die später an Medien weitergegeben wurden. Im Nachhinein beteuert sie, dass sie bei der folgenden Abrechnung über das Finanzministerium etwas stutzig hätte werden müssen.

ÖVP-Fragen auf Kosten der Steuerzahler

Von wem und auf wessen Bestreben die Fragen schlussendlich wirklich kamen, kamen, kann B. also nicht beurteilen. "Ich weiß ja nicht was die intern abgesprochen haben", sagte sie dazu. Aber: Diese informellen Aufträge ordnete sie an späterer Stelle der Gruppierung um Frischmann zu: "Eben das BMF... und ja, natürlich eben die ganze ÖVP."

Dabei sieht auch sie Anhaltspunkte, dass bestimmte Fragen im konkreten Interesse der ÖVP angehängt wurden. Diese Fragen rechnete sie dann in die Studien des Finanzministeriums mit ein – der Steuerzahler kam also dafür auf. Oft verrechnete sie dabei bereits im Vorhinein einen höheren Betrag, damit die angehängten Fragen auch abgegolten werden. Nun sei ihr klar, dass das nicht in Ordnung war.

Kurios: Kurz vor ihrer Festnahme suchte sie danach, wie man die iCloud eines iPhone 6 löscht. Aus dem Kurz-Team sei sie vor anstehenden Hausdurchsuchungen bei Thomas Schmid gewarnt worden. Die Ermittler fanden die Verpackung, aber kein Handy. Einmal habe sie die Ö3-Wundertüte verwendet, vielleicht sei es deswegen nicht auffindbar, erklärt die Meinungsforscherin.

Kurz sieht sich entlastet

ÖVP-Anwalt Suppan sieht seinen Mandanten Sebastian Kurz dadurch "vollumfänglich entlastet und keinerlei Involvierung in irgendeiner Form in dieser strafrechtlichen Causa". Sebastian Kurz selbst ist froh, "dass die Vorwürfe gegen mich damit in sich zusammenbrechen. "Ich habe immer betont, dass sich die Vorwürfe als falsche erweisen werden, und das ist nun geschehen."

Der Anwalt von Johannes Frischmann weist jede strafrechtliche Verantwortung seines Mandanten entschieden zurück. Als Pressesprecher sei es das Tagesgeschäft, "mit Journalisten, Meinungsbildnern, Kommentatoren und Meinungsforschern Kontakt zu pflegen", um mit diesen Informationen über die Arbeit der Regierung, aktuelle Projekte und Vorhaben sowie das politische Geschehen auszutauschen und auf die Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.

Frischmann sei zu keiner Zeit in ein illegales Konstrukt aus Umfragen und Inseraten involviert gewesen. Darüber hinaus betont er, dass er zu keinem Zeitpunkt von Sebastian Kurz, Stefan Steiner oder Gerald Fleischmann Aufträge im Zusammenhang mit Studien und Umfragen bei Sabine B. erhalten hat.

Karmasins Anwalt bestätigt "Zackzack" gegenüber das Vermittlungshonorar, strafrechtlich sei das aber "nicht relevant". Es gebe kein Erwerbsverbot für Ministerinnen. Mit dem Finanzministerium habe sie nichts zu tun, das Honorar auch in Rechnung gestellt (über die Firma ihres Mannes).