Terror in Wien

Verfassungsschutz "patzte" vor Terroranschlag in Wien

Der heute vorgelegte Bericht der Untersuchungskommission zum Terror-Anschlag in der Wiener City zeigt eklatante Versäumnisse der Verfassungsschutzes.

Jochen Dobnik
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Vor dem Terroranschlag in Wien unterliefen dem Verfassungsschutz schwere Pannen
Vor dem Terroranschlag in Wien unterliefen dem Verfassungsschutz schwere Pannen
picturedesk.com

Ein erster Bericht zur Klärung von Versäumnissen und Pannen im Vorfeld bzw. rund um den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt wurde von der Untersuchungskommission erarbeitet. Die am Mittwoch veröffentlichten Passagen belegen allerdings eklatante Pleiten, Pech und Pannen der Verfassungsschützer im Umgang mit dem späteren Attentäter.

Verurteilter IS-Sympathisant

So wurde das Heeres-Nachrichtenamt erstmals im Februar 2018 auf den 20-jährigen IS-Sympathisanten auffällig. Nachdem dieser im Dezember 2019 vorzeitig bedingt aus einer 22-monatigen Haftstrafe wegen terroristischer Vereinigung - er hatte sich in Syrien der radikalislamistischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) anschließen wollen - entlassen wird, beginnt eine Serie von Falscheinschätzungen und Versäumnissen.

Bei einer sogenannten Gefährderansprache am 17. Dezember 2019 verhielt sich der 20-Jährige laut U-Kommission "unkooperativ, distanziert, nervös" und wurde daher vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) für eine Risikoeinschätzung vorgesehen. Eine solche wurde vom LVT allerdings erst im Oktober - knapp vier Wochen vor dem Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt, der vier Passanten das Leben kostete - abgeschlossen.

Die lange Dauer des Bewertungsprozesses wird seitens der Dienststelle mit Ressourcenknappheit und mangelnder Zeit begründet.

Islamistentreffen und Waffenkauf

Mitte Juli 2020 wurde der 20-Jährige dann eher zufällig bei einem Islamistentreffen in Wien beobachtet. Tags darauf begab er sich nach Bratislawa (Slowakei) und versuchte, dort in einem Waffengeschäft Munition für eine Kalaschnikow zu kaufen.

Obwohl ein Mitarbeiter des LVT Wien durchaus eine "bedenkliche Verdichtung von Hinweisen" erkannte und diese an seinen Vorgesetzten und das BVT weitergab, verlief die Meldung im Sand. Niemand hatte diese Ereignisse in einer Zusammenschau zum Anlass genommen, bei dem 20-Jährigen eine höhere Gefahreneinstufung vorzunehmen. Auch wurde keiner der Sachverhalte an die Staatsanwaltschaft gemeldet.

Die Frage, ob der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit regelmäßig korrekt über die terroristische Gefahrenlage informiert werde, wurde vom BVT gegenüber der U-Kommission verneint. Auch der Innenminister werde nicht konkret informiert.

"Was wäre wenn"

Die U-Kommission kam zu dem Schluss, dass es zu zahlreichen "Schwächen im Informationsfluss" und "Verzögerungen" gekommen ist, jedoch "keine [...] auch nur annähernd als kausal für den Anschlag vom 2. November gewertet" werden kann. Und weiter: "'Was wäre wenn' - eine solche Frage, auf die sich viele eine einfache Antwort wünschen, lässt sich nicht lösen. Eine risikofreie Gesellschaft kann es ebenfalls nicht geben."

Der heute vorgelegte Zwischenbericht wird nun im Innenministerium eingehend studiert. Darüber hinaus wurde eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet, die dienstrechtliche Schritte prüft und danach entsprechende Ableitungen trifft.