An der Wand hängen Schwarz-Weiß-Bilder der brasilianischen Fussballikonen Ronaldinho und Ronaldo. Davor posiert der achtjährige Nathan Inacio mit Zahnlücke und Gucci-Shirt. Seine Arme auf dem Instagram-Foto scheinen kaum stark genug, um die vollen Nike-Tüten zu halten.
Der US-amerikanische Sportgigant stattete zuletzt das junge Talent, das wahrscheinlich gerade erst lesen und schreiben gelernt hat, mit einem Ausrüstervertrag aus. Was wie ein Fussballmärchen klingt, ist für die Marke ein Coup im globalen Wettstreit um die Stars von morgen. Ein Deal, der für die Kinder nicht ohne Risiken ist.
"Der Hype und die Kommerzialisierung um junge Spieler erhöhen die Erwartungen und den Druck in einem Entwicklungsprozess, der ohnehin schon anspruchsvoll und chaotisch ist. Es handelt sich um junge Menschen, die in ein Alter kommen, in dem sie extrem verletzlich und fragil sind", erklärte Geir Jordet, Professor für Psychologie und Fussball in Norwegen, der dpa. Ähnlicher Meinung ist auch der Schweizer Sportpsychologe Kyle Varley.
"Kinder bauen in jungen Jahren eine emotionale Beziehung zu ihrer Sportart auf. Deshalb sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Wenn jedoch externe Anreize wie Sponsoring- oder Markendeals hinzukommen, verschiebt sich der Fokus", sagt er. Der Sport werde nicht mehr primär um seiner selbst willen betrieben, sondern aufgrund fremder Erwartungen. "Das kann langfristig die Motivation beeinträchtigen, weil sich die ursprüngliche Verbindung zur Sportart verändert."
Er erklärt: "Werden Kindern früh Verträge angeboten, geht damit automatisch eine höhere Erwartungshaltung einher. Mit dieser Last müssen sie in einem Stadium in ihrem Leben umgehen, in dem ihr Gehirn und ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation noch nicht vollständig ausgereift sind. Daraus können Ängste und Selbstzweifel entstehen und letztlich auch Freude am Sport verloren gehen."
Und welche psychologischen Risiken entstehen, wenn junge Talente früh kommerziell vermarktet werden? Kyle Varley sagt gegenüber 20 Minuten: "Es drohen der Verlust von Motivation durch die Verlagerung von inneren auf äußere Motivationsquellen, ein dauerhaft erhöhter Erwartungsdruck und die Gefahr, dass Kinder den Eindruck verinnerlichen, für ihr ‚Talent‘ statt für harte Arbeit belohnt zu werden. Das kann zu falschen Prioritäten und einem demotivierenden Selbstbild führen."
Gemäß des Sportpsychologen sei es am besten, wenn man den Kindern helfe, externe Angebote gesund einzuordnen, und ihnen vermittle, dass ihre Identität vielfältig sei und über den Sport hinausgehe. "Zudem ist es hilfreich, mit ihnen gemeinsam den Wert von Spaß, Lernen und persönlicher Entwicklung auf ihrem sportlichen Weg zusammen zu erarbeiten."
Die Sportorganisationen und Marken nimmt er in die Verantwortung. Varley: "Angebote müssen so gestaltet sein, dass sie die gesunde Entwicklung der Kinder unterstützen. Davon profitieren beide Seiten: die jungen Athletinnen und Athleten, die nachhaltig wachsen können, und die Organisationen, die langfristig engagierte, stabile Sportlerinnen gewinnen."
Und was sagen die Marken? Nun, eine feste Altersgrenze für Ausrüster-Deals gibt es bei Puma übrigens nicht, Adidas wollte sich zu seinen Sponsoring-Richtlinien nicht äußern. "Dennoch gehen wir bei Geschäften mit Kindern stets mit größter Sorgfalt vor. Gemeinsam mit Eltern und Beratern tragen wir als Ausrüster eine besondere Verantwortung und sind uns bewusst, welche Risiken es mit sich bringt, junge Sportler früh in die internationale Öffentlichkeit zu stellen", so Puma-Sportmarketing-Chef Johan Adamsson der dpa.