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Vettel und seine heimliche Liebe auf zwei Rädern

Heute Redaktion
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Sebastian Vettel, bester Formel-1-Pilot der Gegenwart, pflegte stets eine Liebe zum Motorrad. Oft versteckt, zu selten ausgelebt, doch stets präsent. Es ist eine Liebe zu Freiheit, Technik und Schönheit der Form, eine Liebe zum Einfachen, Handgemachten, schlicht Genialen. Steigen Sie auf!

, pflegte stets eine Liebe zum Motorrad. Oft versteckt, zu selten ausgelebt, doch stets präsent. Es ist eine Liebe zu Freiheit, Technik und Schönheit der Form, eine Liebe zum Einfachen, Handgemachten, schlicht Genialen. Steigen Sie auf!

Am Furkajoch in Voralberg dreht ein junger Mann in stylischer Lederjacke, Jeans und silbernem Helm seine Runden auf einem Motorrad, das selbst die Großzahl der reichlich anwesenden Insider nur anhand seiner Embleme dechiffrieren kann: Scott Flying Sqirrel, Baujahr 1938. Und man muss noch viel genauer hinsehen, um hinter dem breiten Grinsen unter dem Helm Sebastian Vettel zu erkennen, den vierfachen Formel-1-Weltmeister und Motorrad-Fan der, na ja, zweiten Stunde: „Ich konnte grad erst Rad fahren, da hat mein Vater eine Mini-Vespa für meine Schwester und mich gekauft. Bei meiner ersten Fahrt im Hof war es eiskalt, und ich habe so stark gezittert, dass ich infolge des Lenkerpendelns gestürzt bin.“ Sebastian verlebte eine normale, gesunde Jugend mit dem Zweirad als selbstverständlichem Mittel zur Freiheit: „Man konnte in die Stadt fahren, ins Freibad, Freunde treffen. Das Fahrrad war das Erste, was mir Unabhängigkeit gegeben hat.“

Das erste Motorrad

Als Teenager fuhr Sebastian Kart, da war der Mofa-Ausweis logisch: ein Rennfahrer, der mit dem Fahrrad zur Schule kommt, das ging gar nicht. „Mit sechzehn habe ich mein gesamtes Konfirmationsgeld in das erste Motorrad investiert, eine Cagiva 125 Mito. Von vorn hat sie ausgesehen wie eine Ducati. Es war mir ein bisschen peinlich, damit zur Schule zu kommen. Die Mito war mit Abstand das schärfste Gerät am Schulparkplatz im Vergleich zu den Rollern der Mitschüler.“

Wir wissen, wie die Geschichte weitergegangen ist: Die Mito stand schon aus dem Grund selten vor der Schule, weil Seb hauptsächlich damit beschäftigt war, durch diverse Nachwuchs-Rennserien zu stürmen und in weiterer Folge direkt nach (trotzdem) erfolgreich erledigtem Abitur in der Formel 1 zu debütieren. Die Motorrad-Gespräche daheim hörten dennoch nie auf: Sein Großvater hatte von seiner NSU Max und seiner BMW R 51/3 geschwärmt, und wie es der Zufall will, hat Sebastian erst kürzlich den Scheunenfund einer ebensolchen BMW aufgetrieben, wie sie der Opa einst fuhr. Noch ist sie nicht einsatzbereit, „genau genommen muss man sie neu aufbauen“.

Großer Fuhrpark

Seb will das eigenhändig angehen, mal schauen, wann sich das ausgeht. Sebastian Vettels aktueller einspuriger Fuhrpark umfasst mit einer alten Vespa ein zweites Restaurationsobjekt, dazu einen modernen Roller für Alltagsfahrten („unschlagbar in der Stadt“), eine KTM 690 Duke für Kurvenspaß und eine BMW S 1000 RR als ernsthaften Supersportler. Wer mit dem Bewegungstalent eines vierfachen Formel-1-Weltmeisters gesegnet ist, hockt sich auf jedes beliebige Gerät und sieht gut dabei aus: „Ich gewöhne mich sehr schnell an Geschwindigkeit und Bewegungsabläufe und bekomme Oberwasser. Wegen meiner mangelnden Praxis wird’s ab diesem Punkt gefährlich.“ Das weiß er, diese Grenzen respektiert er, daher: „Ich bin keiner, der seine Reifen bis auf die letzte Kante abfährt.“

"Motorradfahren gibt einem ein Gefühl von Freiheit"

Es sind eher die leichten, harmonischen Momente, die Vettel am Motorradfahren schätzt, da kann er richtig philosophisch werden: „Motorradfahren gibt einem ein Gefühl von Freiheit, das man im Auto nicht hat. Die Sinne bekommen eine andere Bedeutung. Man hat kein Radio, aber man braucht es auch nicht. Man riecht die Umgebung und nimmt sie noch stärker wahr als im Cabrio. Man kann jederzeit absteigen, auch in der Stadt. Gerade da gibt es nichts, was dem Motorradfahren das Wasser reichen kann. Man ist nicht ans Fahrzeug gefesselt. Ich finde es schade, dass das Motorrad gerade unter jungen Menschen nicht mehr den Stellenwert hat, den es früher einmal hatte.“

Die Diskussion kippt ins Grundsätzlich-Philosophische, wie das unter Bikern eben so dazugehört: „Optisch finde ich Rennmotorräder sehr ansprechend. Die kann man einfach hinstellen und anschauen, wie ein Bild, das man sich an die Wand hängt. Dann gibt es unheimlich schöne Naked Bikes, wo man mehr von der Technik sieht. Darum finde ich alte Bikes so interessant: Da kann man noch nachvollziehen, wie sie funktionieren und wie sie gebaut sind. Bei Autos ist das inzwischen sehr abstrahiert. Bei Motorrädern herrscht hingegen die Illusion, man könnte das selbst reparieren – oder wüsste zumindest, wo man angreifen muss. Ich finde es interessant, zu sehen, wie etwas funktioniert, wie Antrieb entsteht.“

Sollte Ihnen demnächst also ein junger Mann mit breitem Grinser auf einem alten oder neuen, großen oder kleinen, jedenfalls aber schönen Motorrad begegnen: Grüßen Sie ihn freundlich. Es könnte sich dabei um Sebastian Vettel handeln.

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