Die israelische Armee hat eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet, um die Hamas zu besiegen. Ziel der Offensive ist es, bis zu 80 Prozent des Gazastreifens unter israelische Kontrolle zu bringen. Viele Palästinenser fliehen in den Süden, da ihre Wohngebiete zerstört wurden. In Beit Lahia und Dschabalija seien ganze Viertel durch Luftangriffe zerstört worden, Augenzeugen berichten von zahlreichen Toten. Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Krise, da Israel Hilfslieferungen blockiert hat. Der internationale Druck wächst.
Hilfsorganisationen warnen seit Langem vor der dramatischen Notlage in dem dicht besiedelten Gebiet, die sich weiter zuspitzen dürfte. Bereits jetzt sprechen die UN von drohender Hungersnot. Seit März ließ Israel keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen zu. Die israelische Regierung hatte schließlich angekündigt, wieder humanitäre Hilfe in den Gazastreifen lassen zu wollen. Die Grundversorgung mit Lebensmitteln erfolge auf Empfehlung der israelischen Armee und um sicherzustellen, dass es zu keiner Hungersnot komme.
In der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Margit Laufer ordneten der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Ariel Muzicant, und Außenpolitikexperte Raimund Löw die Geschehnisse ein. Israel habe vorgeschlagen, dass die 58 Geiseln, die nach wie vor in den Tunneln der Hamas gefangengehalten werden, freigelassen werden, so Muzicant auf die Frage, ob das Vorgehen Israels im Gazastreifen gerechtfertigt sei. Und die Hamas müsse die Waffen niederlegen. "In der Sekunde, in der die Hamas das tut, ist der Krieg beendet", so Muzicant.
Die Hamas habe das aber abgelehnt – und Israel entschieden, "wenn es nicht anders geht", die Geiseln mit Gewalt zu befreien. Solange die Forderungen nicht erfüllt werden, "wird Israel das Recht auf Selbstverteidigung ausüben". Die UNO weise bereits lange darauf hin, "dass es große Zweifel daran gibt", Beobachter sprächen gar von einer "kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes", antwortete Löw. Es gebe eine "merkliche Entfremdung" zwischen den meisten europäischen Regierungen und der israelischen Führung, so der Experte.
Die 58 Geiseln würden "seit fast 600 Tagen gefangen gehalten und nicht herausgegeben", so Muzicant, solange "die Verbrecherbande der Hamas das tut, sind sie für das, was in Gaza geschieht, verantwortlich". 2.500 Raketen pro Jahr würden von Terror-Organisationen auf Israel abgefeuert, "was würde Österreich sagen, wenn die Slowenen sieben Raketen jeden Tag auf Kärnten abschießen würden? Würde dann auch die ganze Welt sagen, dass sich die Österreicher nicht verteidigen dürfen?" Das Terrorregime der Hamas müsse beendet werden.
"Solange der Terrorismus nicht aufhört, wird Israel sich jetzt verteidigen", so Muzicant. Jeder wisse, dass es in einem Krieg zu Toten und Verletzten komme auf beiden Seiten, jeder sei einer zu viel, so Muzicant. "Aber den Krieg haben nicht die Israelis begonnen, sondern die Palästinenser." Und es sei Antisemitismus, wenn man Israel delegitimiere, verteufle und am Land doppelte Standards anlege. "Israel als Staat ist ans Völkerrecht gebunden", so Löw, Kritik daran oder Vorhaltungen hätten "überhaupt nichts mit Antisemitismus zu tun".
UNO-Menschenrechtsbeauftragte würden es etwa nicht als verhältnismäßig ansehen, ein Spital oder eine Schule anzugreifen und Dutzende Familien auslösche, "weil man dort einen Hamas-Menschen vermutet", so Löw. Geiseln wären durch Verhandlungen, "nicht durch Kriegsaktionen" freigekommen, hieß es. Tote Frauen und Kinder hätten nichts mit dem 7. Oktober und Terrorismus zu tun, so der Außenpolitikexperte. Es würde von UNO-Mitarbeitern ausschließlich auf Israel losgegangen und diese stünden bei Vorverurteilungen ganz vorne, so Muzicant.
Man solle sich einmal in die Lage versetzen, was es bedeute, "sieben Raketen pro Tag auf den Kopf geschossen" zu bekommen, so Muzicant. Gebe es einen Zeitpunkt, an dem Muzicant sage, das gehe zu weit, und das dann Kritik an der Regierung von Benjamin Netanyahu rechtfertige? "Na absolut", so Muzicant, er sei der Erste, der die Regierung Netanyahu kritisiere, aber in Israel, nicht in Österreich. Er spreche sich nicht gegen Kritik aus, sondern gegen unerträgliche Vorwürfe, die Juden seien an Antisemitismus selbst schuld.