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Wer braucht Michael Ballack?

Heute Redaktion
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Jogis Truppe legte gestern Abend im Moses-Mabhida-Stadion einen Auftakt nach Maß hin und zerlegte die Australier mit 4:0. Alle sind sich darüber einig, dass der Sieg auch in dieser Höhe verdient war, denn die deutsche Nationalmannschaft überraschte die Fußballfans auf der ganzen Welt mit einer untypisch deutschen Lässigkeit, wobei insbesondere die Offensivabteilung glänzend aufgelegt war.

Australien ist selbstverständlich nicht das Maß aller Dinge und das deutsche Team wird sich im Laufe des Turniers noch gegen wesentlich größere Kaliber behaupten müssen. Dennoch muss man neidlos anerkennen, dass die deutsche Auswahl, die gleich fünf Spieler von Bayern München in der Startaufstellung hatte, bei einem Großereignis selten so locker aufgespielt hat, wie beim gestrigen 4:0 Sieg. Vergleicht man die jetzige Mannschaft von Jogi Löw mit der Truppe von Erich Ribbeck, die vor genau zehn Jahren Gruppenletzter bei der Europameisterschaft wurde, dann kann man die positive Entwicklung bei unseren Lieblingsnachbarn nur neidlos anerkennen. Statt taktischer Verkrampftheit und deutscher Schwerfälligkeit, erleben wir eine kreative, unberechenbare Truppe, die dem Gruppensieg mit großen Schritten entgegen läuft.

Die meisten Österreicher drücken traditionell am liebsten der Mannschaft die Daumen, die gerade gegen Deutschland spielt. Wenn wir bei einer Weltmeisterschaft wieder einmal nicht teilnehmen dürfen, dann erfreuen wir uns am liebsten an den deutschen Niederlagen. Liest man sich jedoch nach dem ersten Gruppenspiel die Reaktionen der Fußballfans im Austrian Soccer Board durch, kann man erkennen, dass selbst eingefleischte Deutschland-Gegner Sympathien für deren Spielweise entwickeln. Wynton findet sogar, dass diese Partie in ein Lehrbuch gehört: Alles in allem könnte man dieses Spiel in jedes Lehrbuch aufnehmen, denn die Deutschen haben eindrucksvoll demonstriert, wie man als Favorit einen tief stehenden Underdog in alle Einzelteile zerlegt. Mittels einmal berühren wurde der Ball öfters über mehr als zehn Stationen gespielt, wobei die ganze Breite des Spielfeldes genutzt wurde, sodass die Australier immer wieder verschieben mussten, bis dann Löcher für die deutsche Elf entstanden sind. Das war eigentlich ein perfektes Spiel, besser geht es fast nicht. Bei einer guter Chancenauswertung wären die Australier in ein ganz furchtbares Debakel gelaufen.

Spätestens nach dieser Galavorstellung ist der Ausfall von Michael Ballack so gut wie vergessen. Narya sieht sogar einen Vorteil darin, dass das Spiel der Deutschen nicht mehr von nur einem Akteur abhängig ist: Ich denke, dass es bei keiner anderen Mannschaft so wenig Auswirkungen haben wird, wenn man bestimmte Spieler auszuschalten versucht, wie bei den Deutschen. In der Post-Ballack-Ära ist in erster Linie die Ausgewogenheit im deutschen Gefüge deren größter Trumpf. Verlagern die anderen Teams zu viele Ressourcen um bestimmte Spieler aus der Partie zu nehmen, geben sie Räume frei, die die Deutschen eiskalt nützen werden.

Raumplaner hofft, dass sich die anderen Mannschaften an den Deutschen ein Beispiel nehmen, damit die Weltmeisterschaft endlich so richtig losgehen kann: Ich hoffe wirklich, dass diese Partie auch die anderen Mannschaften wachrüttelt. Es hört sich zwar sonderbar banal an, aber wenn man auf einen klaren Sieg spielt, dann hat man eben doch die beste Ausgangssituation. Bislang hatte ich einfach nicht das Gefühl gehabt, dass dies viele Mannschaften so sehen.

Stefan Karger

Weitere Diskussionen finden sie im Austrian Soccer Board

Forum: Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika

Danny Mandl und Stefan Karger sind die Macher von "austriansoccerboard.at" - dem größten österreichischen Fußball-Fanforum im Internet. Sie schreiben in einer Kolumne auf heute.at über die Themen, die heimische Fußball-Fans bewegen.