Wien-Wahl

Größte Umfrage enthüllt: So steht das Match um Wien

Exakt 35 Tage noch bis zur Wien-Wahl. "Heute" hat zusammen mit ATV die bisher größte Umfrage in Auftrag gegeben. So steht das Match um die Hauptstadt.

Clemens Oistric
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Heute in fünf Wochen wählt Wien einen neuen Landtag. "Heute" hat in Kooperation mit dem Fersehsender ATV die bisher größte Umfrage (Unique Research, 1.600 Befragte, Schwankungsbreite ± 2,4 Prozent) ins Feld geschickt. Meinungsforscher Peter Hajek schickt voraus: "Die Hochschätzung stellt keine Prognose über den Wahlausgang am 11. Oktober 2020 dar, sondern skizziert die Stimmung zum Erhebungszeitpunkt, also fünf bis sechs Wochen vor der Wahl." 

Das sticht bei der Hochschätzung ins Auge:

Die SPÖ wird immer stärker. Während die SPÖ – vor Beginn der Coronakrise – Anfang März in Umfragen noch auf das schlechteste Ergebnis aller Zeiten zusteuerte, kann Michael Ludwig mittlerweile mit einem überzeugenden Wahlsieg rechnen. Bringt er die nun prognostizierten 41 Prozent am 11. Oktober über die Ziellinie, ist er der nächste SPÖ-Landeschef, der zulegen kann. Peter Kaiser war dies in Kärnten gelungen, Hans Peter Doskozil holte im Jänner im Burgenland gar die absolute Mehrheit. Zur Erinnerung: Michael Häupl schaffte bei seinem letzten Antreten 39,6 Prozent. Meinungsforscher Peter Hajek: "Die SPÖ zeigt sich deutlich robuster als vor dem Sommer. Erstaunlich ist, dass sie ohne ersichtlichen Grund zugelegt hat." Die Erklärung für den Experten: "Ludwig ist der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er gibt den Bürgermeister für alle und dürfte in Corona-Zeiten das Bedürfnis der Menschen nach Harmonie erfüllen."

Bürgermeister Michael Ludwig (SP) erfüllt Bedürfnis nach Harmonie
Bürgermeister Michael Ludwig (SP) erfüllt Bedürfnis nach Harmonie
zVg

 ÖVP mit 2er vorne. Die ÖVP dürfte sich im Vergleich zu 2015 mehr als verdoppeln und ihr bestes Ergebnis seit 1987 erzielen. Bei seinem ersten Antreten darf Finanzminister Gernot Blümel auf 20 Prozent hoffen. Peter Hajek: "Die ÖVP schwankt von allen Parteien in den einzelnen Gewichtungsschritten am stärksten. Die Wähler sind gut mobilisiert, die deklarierten VP-Wähler gut abgesichert." Einziges Manko: die sinkenden Persönlichkeitswerte des Spitzenkandidaten. "Eine bundespolitische Rolle muss nicht immer ein Vorteil sein. Immer den 'good guy' zu geben, war für Blümel aufgrund der Krise nicht möglich. Außerdem hat ihm der Auftritt im Untersuchungsausschuss geschadet."

Gernot Blümel (VP) konnte nicht für alle den "good guy" geben.
Gernot Blümel (VP) konnte nicht für alle den "good guy" geben.
Picturedesk

Die Grünen leicht verbessert. Mit Birgit Hebein dürfte sich die Öko-Partei von 11,8 auf 15 Prozent verbessern. Trotz doppelter Regierungsbeteiligung (Wien und Bund) scheinen die 19 Prozent der März-Umfrage nach Aufregungen um City-Fahrverbot, Gürtel-Pool und Pop-up-Radwege in weite Ferne geradelt. Ein möglicher Grund? "Die Grünen sind sehr spitz positioniert und beackern ganz klar ihre Themen. Birgit Hebein hat ja schon bei ihrem Antritt gesagt, linke Politik machen zu wollen", führt Polit-Profi Hajek aus.

Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) geriet mit Gürtelpool und Pop-up-Radwegen zwischen die Fronten.
Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) geriet mit Gürtelpool und Pop-up-Radwegen zwischen die Fronten.
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FPÖ verliert zwei Drittel der Wähler. Auf die Freiheitlichen wartet bis zum Wahltag noch eine Herkules-Aufgabe. Nach Ibiza-Video und Straches Spesen-Affäre, die auch die Wiener Landesgruppe stark traf, muss Dominik Nepp die Scherben zusammenkehren. Bergauf geht es – wenn auch in Mini-Schritten. Im Vergleich zum Juni (8 Prozent) kann sich die FPÖ auf 9 Prozent  steigern. Zumindest Platz vier (nach dem zweiten mit 30,8 Prozent 2015) scheint deutlich abgesichert, wie Meinungsforscher Hajek erklärt: "Die FPÖ kann auf ihre verblieben Wähler bauen, 53 Prozent wollen die Blauen ganz sicher wählen. Dafür hat man unter Unentschlossenen (4 Prozent) und Second Choice-Wählern (3 Prozent) nur mehr geringes Potential. Abflusstendenzen gibt es gleichermaßen zu ÖVP und Team Strache." Dominik Nepp habe es "unglaublich schwer", analysiert Hajek, "denn er muss in alle Richtungen abdichten und hat eigentlich ein einziges Wahlziel: den Einzug Straches verhindern. Das ist für die FPÖ auch aus bundespolitischer Sicht von Bedeutung".

Dominik Nepp (FP) hat das schwerste Los aller Spitzenkandidaten.
Dominik Nepp (FP) hat das schwerste Los aller Spitzenkandidaten.
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Strache weiter als Wackelkandidat. "Das Team Strache ist am schwersten einzuschätzen, da es keine aktuellen Vergleichswerte gibt. Die Chancen auf den Einzug in den Gemeinderat sind nach wie vor intakt", sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Unique Research sieht ihn derzeit bei 5 Prozent. Die Wohnsitz-Affäre und laufend neue Enthüllungen haben ihm seit Juni aber ein Prozent gekostet. Außerdem hat er ein zweites Manko: "58 Prozent der Strache-Wähler wollen ihn zwar sicher wählen. Problemstelle: Die Wähler sind derzeit am schwächsten mobilisiert und bei den Unentschlossenen weist Strache mit 2 Prozent das geringste Potential aller Parteien auf", sagt Hajek.

THC-Obmann Heinz-Christian Strache muss weiter zittern.
THC-Obmann Heinz-Christian Strache muss weiter zittern.
Screenshot Facebook

Neos treten auf der Stelle. Die Pinken liegen beim ersten Antreten des relativ unbekannten Spitzenkandidaten Christoph Wiederkehr bei 7 Prozent – also einen Hauch besser als bei der Wahl vor fünf Jahren. Peter Hajek: "Sie sind in den Gewichtungen stabil rund um das Ergebnis der Gemeinderatswahl 2015." Legen Neos und SPÖ jeweils noch leicht zu, ergibt sich neben SPÖ/ÖVP und SPÖ/Grüne eine dritte Koalitionsvariante für Michael Ludwig. Wenn auch realpolitisch so gut wie ausgeschlossen: Dies verschafft dem Stadtchef eine stärkere Verhandlungsposition.

Neos-Frontman Christoph Wiederkehr
Neos-Frontman Christoph Wiederkehr
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Sinkende Wahlbeteiligung. Die voraussichtliche Wahlbeteiligung liegt derzeit mit 65 Prozent deutlich unter der Beteiligung von 2015 (74,8 Prozent). Vor allem die Corona- und Wetterlage zum Wahltag hin könnten hier noch Veränderungen bringen. Nur 62 Prozent der sicheren Wähler beabsichtigen im Virus-Jahr den Gang ins Wahllokal, 27 Prozent wollen per Briefwahl abstimmen, 11 Prozent sind in dieser Hinsicht noch unentschlossen. Peter Hajek fasst zusammen: "Signifikant mobilisiert sind derzeit SPÖ- und Grün-Wähler, unterdurchschnittlich die Strache-Wähler.

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