Kritik am "Regenbogenfisch"

Wurde Kinderbuch jahrzehntelang falsch verstanden?

Auf Social Media wird der Schweizer Kinderbuch-Klassiker "Der Regenbogenfisch" kritisiert. Wieso – und wie Kinder die Geschichte eigentlich wahrnehmen
05.04.2025, 12:00
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Er lebt weit draußen im Meer, sein Schuppenkleid schimmert in Regenbogenfarben – und das schon so lange, dass jedes Kind, dessen Eltern und auch die Großeltern seine Geschichte kennen: "Der Regenbogenfisch" – ein Bilderbuch vom Schweizer Autor Marcus Pfister, das sich seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1992 als internationaler Kinderbuchklassiker etabliert hat.

"Der Regenbogenfisch" in Kürze

Der Regenbogenfisch besitzt besonders auffällige, glitzernde Schuppen, die ihn von den anderen Fischen abheben. Eines Tages bittet ihn ein anderer Fisch um eine dieser Schuppen – doch der Regenbogenfisch weigert sich. Als ihn daraufhin alle anderen Fische meiden und ausschließen, überdenkt er seine Haltung. Er beginnt, seine glitzernden Schuppen zu teilen, bis ihm nur noch eine einzige bleibt. Am Ende sind sowohl er als auch die anderen Fische zufrieden und glücklich.

Die Kritikpunkte

In den sozialen Medien heißt es jetzt aber: Der Regenbogenfisch sei "eines der toxischsten Kinderbücher überhaupt". Konkret werden diese Punkte kritisiert:

1
Anpassungsdruck
Ich dachte immer, die Moral des Buches sei, dass man teilen und nicht egoistisch sein soll», schreibt eine Nutzerin. Eine andere widerspricht: "Teilen sollte sich auf Essen beziehen – nicht darauf, Teile von sich selbst herzugeben." Auch andere Nutzerinnen und Nutzer finden: Das Buch könnte Kindern suggerieren, dass sie sich anpassen müssen, um akzeptiert zu werden.
2
Verlust der Individualität
In den Kommentaren melden sich auch zynischere Stimmen zu Wort: "Dieses Buch ist die Definition von: 'Sie nehmen mir meinen Glanz'", schreibt eine Person und erhält dafür mehr als 13.000 Likes als Zustimmung. Dieser Lesart zufolge impliziert Pfisters Bilderbuch, dass man seine Einzigartigkeit opfern muss, um dazuzugehören.
3
Oberflächliche Freundschaften statt Einsamkeit
"Die anderen Fische sind doch nur eifersüchtig auf den Regenbogenfisch", kommentieren weitere Personen. Die Freundschaft, die der Regenbogenfisch mit den anderen Fischen eingehe, basiere also maßgeblich auf dem Verschenken seiner glitzernden Schuppen. In anderen Worten: Kinder sollen den Eindruck erhalten, dass eine Zweckfreundschaft besser ist, als alleine zu sein.

Einschätzung der Kinderpsychologin: "Zu viel Überpsychologisieren"

Ob kleine Kinder die Geschichte vom Regenbogenfisch wirklich so verstehen, wie Kritiker es behaupten? Das lässt sich schwer direkt von ihnen erfragen. Für die Entwicklungsexpertin Rita Messmer steht jedoch fest: "Aus dem Buch solche Schlüsse zu ziehen – das ist doch Quatsch!"

"Für Kinder ist der Regenbogenfisch einfach ein wunderschöner Fisch, der etwas Wunderschönes verschenkt, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen – und das sind sehr positive Werte", erklärt Messmer, die das Buch auch ihren eigenen Kindern vorgelesen hat.

"Heutzutage übertragen Erwachsene ihre eigenen Weltanschauungen viel zu stark auf Kinder, die Dinge viel unkomplizierter wahrnehmen", sagt Messmer. Die Entwicklungsexpertin nennt das "Überpsychologisieren" und warnt: "Kinder sind nicht der Mittelpunkt der Welt, sondern Teil eines größeren Ganzen – und genau das sollten sie schon früh lernen." Dabei betont die Expertin: "Wer weiß, wie man sich in ein soziales System einfügt, trägt dazu bei, dass es allen besser geht – und damit letztlich auch dem Individuum."

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