Finanzieller Ruin im Neubau

"Zahlen keinen Cent!" Mieter-Kampf gegen Energiepreise

Acht Parteien eines Neubaus in Leopoldsdorf weigern sich, gestiegene Heiz- und Warmwasser-Kosten zu zahlen. "Heute" hat mit ihnen gesprochen.
Aram Ghadimi
03.04.2025, 05:00

"Es war sogar schon das Fernsehen da, aber weder von der Genossenschaft, noch von unserer Abrechnungsfirma gab es eine Reaktion", sagt Nicole Krasser zu "Heute". Die 48-Jährige bewohnt eine von acht Wohnungen in einem Neubau, der sich geschlossen gegen hohe Heiz- und Warmwasserkosten wehrt.

Das gesamte Haus, das östlich von Wien, in der Bahnstraße 1 in Leopoldsdorf liegt, weigert sich seit Monaten, die Nachzahlungen von bis zu 3.500 Euro zu bezahlen – "Heute" hat berichtet.

"Ich zahle keinen Cent!"

Bei einer der Zusammenkünfte mit den aufgebrachten Nachbarn musste Krasser entdecken, dass ihre Vorschreibung von 338 Euro für Heizung und Warmwasser höher ist als die einer dreiköpfigen Familie im selben Haus. Die Rechnungen stimmen hinten und vorne nicht, ist Krasser überzeugt und sagt: "Ich zahle keinen Cent!"

"Sie haben sich beim gesamten Haus um 11.000 Euro verrechnet. Das ist kürzlich meiner Nachbarin aufgefallen", sagt Krasser. Trotzdem mahne die Abrechnungsfirma Ista die Hausparteien weiter.

Nachzahlung über 3500 Euro

Das bestätigt auch ein anderer Nachbar, der eine Nachzahlung von 3.546,63 Euro erhielt. Der 38-Jährige ist Koch, hat in seinem Job täglich mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun.

Er suchte deshalb direkten Kontakt: "Ich und meine Partnerin haben dort persönlich angeklopft. Anders kann man bei der Ista sowieso niemanden erreichen. Da fahre ich auch an meinem freien Tag hin."

Die Partnerin des 38-Jährigen war jene Nachbarin, der ein möglicher Fehler in der Jahresabrechnung aufgefallen ist.

Zuvor hatten die acht Hausparteien mehrfach die Baugenossenschaft GEBÖS, die ihren Neubau 2021 fertigstellte und an die Mieter übergab, sowie das Abrechnungsunternehmen Ista, dazu kontaktiert. Mittlerweile sind die meisten verzweifelt.

Ein bekanntes Problem

"Wir sind 2024 bereits mit einer Unterschriftenliste auf euch (GEBÖS) zugekommen, weil wir einen Anbieterwechsel für dringend nötig halten – hier kam bisher keine Reaktion. Diese Liste hat alle Unterschriften von insgesamt 3 Wohnbauten erhalten", heißt es in einem Schreiben der Mieter an die Baugenossenschaft GEBÖS. Darin beeinspruchen die acht Hausparteien die Jahresabrechnung 2023. Der Brief ist auf den 9. Jänner 2025 datiert.

"Uns sind solche Probleme schon länger bekannt", sagt Lukas Zwieb, Energieexperte bei der Österreichische Energieagentur AEA, einem gemeinnützigen wissenschaftlichen Verein mit Sitz in Wien, der auf wissenschaftlicher Basis Politik, Wirtschaft, Verwaltung sowie internationale Organisationen berät.

Zwieb erklärt: "Typischerweise sind Mieter mit Hausverwaltungen konfrontiert, die sämtliche Energiebelange an Kontraktoren abgeben. Hier gibt es die unterschiedlichsten Modelle, die für die Bewohner völlig intransparent sind. Durch solche Konstrukte entstehen dann Rechnungen, die für die allermeisten Menschen nicht nachvollziehbar sind."

Dreifache Kosten

"Hier sitzen viel mehr Leute im selben Boot, als man annimmt", ist jener Nachbar sicher, der die Ista bereits mehrfach besuchte: "Die Arbeiterkammer hat uns bestätigt, dass unser Verbrauch super ist, aber die Unternehmen die Preise machen", sagt der 38-Jährige und fügt an: "Vor solchen günstigen Genossenschaften wird mittlerweile schon gewarnt."

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Dann ergänzt er: "Jeder, der neu einzieht, wird einmal mit 80 Euro eingestuft. Bei uns sind daraus mittlerweile 240 Euro geworden. Wir zahlen schon das Dreifache. In der neuen Vorschreibung werden sogar 441 Euro gefordert."

Ähnliches berichtet auch Nicole Krasser: "Als ich eingezogen war, zahlte ich im ersten Monat 740 Euro Miete und 82 Euro für Heizung und Warmwasser, doch schon einen Monat später wurde die Miete erhöht."

Heute zahlt Krasser 955 Euro kalt. Aus "82 Euro Heizkosten sind plötzlich 338 Euro geworden. Wo gibt es sowas?", fragt die 48-Jährige entrüstet.

Anbieterwechsel nicht möglich

"Jetzt muss sich jeder seinen Vertrag ansehen!", appelliert Energieexperte Zwieb. Normalerweise können Mieter einfach zum günstigsten Energieanbieter wechseln, doch im Fall der Bahnstraße 1 ist die Baugenossenschaft GEBÖS der Vertragsnehmer – und hat einer langen Laufzeit zugestimmt.

"Ja, das stimmt. Der Vertrag läuft noch bis 2026", sagt die kaufmännische Direktorin der GEBÖS, Stephanie Taurer-Wallner, zu "Heute". Darüber hinaus dementiert sie, dass die Energiepreise in der Bahngasse 1 wesentlich gestiegen seien:

"Wir haben den Grundpreis und den Arbeitspreis von mehreren Anlagen von uns verglichen, auch die Anlage in Leopoldsdorf (Wärmepumpen-Heizung) liegt im Durchschnitt. Die Behauptung, dass der Grundpreis um das 3-fache gestiegen ist, stimmt also nicht." Die Preisgestaltung liege aber beim Energieanbieter.

Mieten stark gestiegen

Als "Heute" Stephanie Taurer-Wallner im März mit den gestiegenen Mieten konfrontierte, sagte diese: "Die Miete errechnet sich aus den Herstellungskosten des Hauses, den Finanzierungsbeiträgen und den Darlehensbedingungen."

"Die extremen Zinssteigerungen des Euribor (der europäische Leitzins, Anm.) haben zu einer Verschreibungserhöhung beim Hypothekardarlehen geführt." Die GEBÖS müsse aber kostendeckend arbeiten, ergänzt sie.

Tatsächlich ist der europäische Leitzins sechs Monate nach dem Einzug der Bewohner um etwa 4 Prozent gestiegen. Seit etwa einem Jahr fällt der Leitzins aber wieder – in den letzten 12 Monaten um 1,5 Prozent. Die Mieten wurden deshalb aber nicht gesenkt.

Dafür sind die Unterstützungsmaßnahmen (Strompreisbremse) ausgelaufen, Ökostromförderkosten werden wieder eingehoben und die Netzkosten sind kräftig gestiegen.

Falsche Abrechnung sorgt für Zuversicht

"Es wird aber eine Korrektur der Heiz- und Warmwasserkosten geben", ist sich der bereits erwähnte Nachbar von Krasser sicher: "Die Ista hat in der Jahresabrechnung den Übertrag zur Gesamtsumme dazugerechnet, also stimmen auch die aktuellen Vorschreibungen nicht."

Natürlich sei noch einmal gemahnt worden, nachdem die Ista bereits zugegeben habe, dass sie einen Fehler gemacht habe. Dabei habe es geheißen, dass es einen Mahnstopp geben werde.

"Ich werde das aber nicht bezahlen", sagt der gelernte Koch in hörbar entspanntem Ton. Er hat beschlossen, auf die Neuberechnung seiner Vorschreibung zu warten.

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 03.04.2025, 10:18, 03.04.2025, 05:00