Drei Jahre Rezession, immer höhere Lebenshaltungskosten und steigende Arbeitslosigkeit: Zunehmend mehr Menschen befinden sich in einer finanziellen Notlage und wenden sich deshalb an Schuldenberatungsstellen.
"In Niederösterreich ist der Anstieg besonders alarmierend", sagt der Geschäftsführer der Schuldnerberatung NÖ, Michael Lackenberger.
"Das gab es seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr", sagt Lackenberger: "Der Druck ist enorm." Niederösterreich erlebt gerade einen Anstieg privater Schulden, der alles in den Schatten stellt, was er bisher, als Chef der Schuldnerberatung, gesehen hat.
"2024 haben wir 9.973 Menschen betreut", sagt Lackenberger, der vor seiner zehnjährigen Tätigkeit für die Schuldnerberatung als Rechtspfleger gearbeitet hat. "Mittlerweile haben wir in Sankt Pölten, Wiener Neustadt und Hollabrunn schon mehr als drei Monate Wartezeit auf einen Beratungstermin. In Zwettl und Amstetten ist es nur wenig besser." Es fehle schlicht an Kapazitäten, um den Anstieg an Hilfesuchenden schneller zu betreuen.
Unter den vielen Ursachen für Schulden ist aber ein Grund von zentraler Bedeutung: "Der Verlust des Arbeitsplatzes ist noch immer die häufigste Ursache für private Verschuldung. Gleich danach kommt die Teuerung", sagt der Chef der Schuldnerberatung.
"Wir sehen den höchsten Anstieg an Hilfesuchenden seit 2009", fügt er an. Die globale Finanzkrise habe zu massiven Verwerfungen geführt: "Die Zinsen auf Erspartes wurden dauerhaft gesenkt und haben sich seither nie mehr erholt."
Für die Betroffenen könne mittlerweile von Sparen aber gar keine Rede mehr sein, sagt Lackenberger, denn: "Die Menschen leben am Limit. Wenn etwas passiert, es zu einem Schaden in der Wohnung kommt, zu einer Trennung oder das Auto kaputtgeht, dann rutschen Menschen schnell in private Schulden."
Das größte Problem ortet Lackenberger darin, dass sich die Verschuldung immer mehr in die sogenannte Mittelschicht verschiebt: "So kam es etwa bei einem unserer Klienten zu einer Energiekostennachzahlung von über 7.000 Euro", erklärt Lackenberger: "Viele der Betroffenen haben sich nie gedacht, dass sie jemals in diese Lage kommen können."
Dann wirft der Geschäftsführer der Schuldnerberatung einen Blick in die Zahlen: Gegenüber 2023 gab es letztes Jahr in Niederösterreich um 7,6 Prozent mehr Erstberatungen. Im Vergleich dazu waren es in ganz Österreich rund 6,8 Prozent.
"Grundsätzlich lag die Zahl der Betreuten über Jahre hinweg immer bei ungefähr 7.500 Personen", erklärt Lackner. Schon dir Corona-Jahre seien eine Ausnahme gewesen. "2022 sehen wir einen leichten Anstieg. Aber 2023 lag die Zahl bereits bei 9.071 Personen. Und letztes Jahr stieg sie um weitere tausend Personen. Heute liegen wir bei fast 10.000 Personen."
Lackenberger fordert deshalb von der neu gebildeten Bundesregierung, sich dringend dieses Problems anzunehmen: "Man muss zuallererst endlich die Inflation in den Griff bekommen."
Der Chef der Schuldnerberatung hat aber auch ganz konkrete Vorschläge: "Ich fordere die Bundesregierung dazu auf, die Regelung zur dreijährigen Entschuldung von Privatpersonen beizubehalten." Derzeit können sich Privatpersonen, unter bestimmten Voraussetzungen, innerhalb von drei Jahren von ihren Schulden befreien. 2026 läuft diese Regelung aus.
Auch die schwarz-blaue Landesregierung sei gefordert. Die Schuldnerberatungsstellen in Niederösterreich seien bereits mehr als gut ausgelastet. Um das zu ändern, benötige man jetzt dringend mehr finanzielle Mittel, etwa um zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, sagt Lackenberger.