Permafrost

"Zombieviren" – Forscher warnen vor neuer Pandemie

Wissenschaftler haben im Permafrost Sibiriens Krankheitserregern gefunden, die möglicherweise die Fähigkeit haben könnten, Menschen zu infizieren.

Heute Life
"Zombieviren" – Forscher warnen vor neuer Pandemie
Das computergestütztes Mikrofoto von einem Virus, das 2014 aus einer 30.000 Jahre alten Permafrostprobe isoliert wurde.
Jean-Michel Claverie/IGS/CNRS-AMU

Der Klimawandel und die globale Erwärmung lassen den Permafrostboden der Arktis-Region auftauen und bringen dadurch nicht Überreste von Mammuts und Säbelzahntigern zum Vorschein. Auch Viren schlummern dort seit zehntausenden von Jahren - und diese könnten Tieren und Menschen immer noch gefährlich werden und könnten sogar eine Pandemie auslösen. Klingt wie ein Science-Fiction-Film, darf aber nicht unterschätzt werden, warnt der französische Forscher Jean-Michel Claverie, Genetiker an der Universität Aix-Marseille.

In den vergangenen Jahren habe die Pandemievorsorge vor allem Erreger im Blick gehabt, "die in südlichen Regionen auftreten und sich dann nach Norden ausbreiten können", zitiert die britische Zeitung "Guardian" den Wissenschaftler. Dagegen würden die Gefahren, die aus dem hohen Norden stammten, bislang weitgehend ignoriert. "Das ist meiner Meinung nach ein Versäumnis", so Claverie.

Permafrost konserviert alles

Grundsätzlich spricht man von Permafrost, wenn ein Boden im Untergrund mindestens über zwei Jahre gefroren bleibt. In der Arktis gibt es Gebiete, in denen 70 Prozent des Untergrundes aus Eis bestehen – beispielsweise im nordöstlichen Sibirien. Dort gab es während der Eiszeit vor 100.000 bis 10.000 Jahren besonders kalte und lange Winter. Gleichzeitig wurde der Boden dort nicht von einem Eisschild geschützt, so dass kalte Luft tief in den Boden eindringen konnte. Bis circa 1,6 Kilometer reicht der Dauerfrost in dieser Region heute ins Erdinnere. Der perfekte Ort zum Konservieren, da es kalt ist und es sich um eine sauerstofffreie Umgebung handelt, in die kein Licht eindringt.

Claverie selbst hat mit einem Team im Jahr 2014 zum ersten Mal lebende Viren aus dem Permafrost Sibiriens freigelegt und gezeigt, dass es immer noch einzellige Organismen infizieren kann. "Die von uns isolierten Viren konnten nur Amöben infizieren und stellen keine Gefahr für den Menschen dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass andere Viren, die derzeit im Permafrost eingefroren sind, nicht möglicherweise Krankheiten beim Menschen auslösen können", erklärte der Genetiker gegenüber der Zeitung.

Pocken- und Herpesviren

Im vergangenen Jahr veröffentlichte Claverie eine weitere Forschungsarbeit in der Fachzeitschrift "Viruses". Sein Team hatte 13 neue Virusstämme an sieben verschiedenen Orten in Sibirien gefunden. Darunter Spuren von Pocken- und Herpesviren. Die älteste Probe war fast 48.500 Jahre alt und trägt den Namen Pandoravirus yedoma. Es ist so groß, dass es bereits mit einem normalen Lichtmikroskop nachgewiesen werden kann, und stammt aus einer Bodenprobe, die 16 Meter unterhalb eines arktischen Sees genommen wurde. Die jüngsten Proben, die im Mageninhalt und im Fell der Überreste eines Wollhaarmammuts gefunden wurden, waren 27.000 Jahre alt.

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    Das "Zombie-Virus" Pandoravirus yedoma (li.) ist ein so genanntes "Riesenvirus", das unter einem normalen Mikroskop sichtbar ist. Es ist 48.500 Jahre alt und stammt aus einer Bodenprobe, die 16 Meter unterhalb eines arktischen Sees genommen wurde.
    Das "Zombie-Virus" Pandoravirus yedoma (li.) ist ein so genanntes "Riesenvirus", das unter einem normalen Mikroskop sichtbar ist. Es ist 48.500 Jahre alt und stammt aus einer Bodenprobe, die 16 Meter unterhalb eines arktischen Sees genommen wurde.
    mdpi.com; iStockphoto.com; Collage: heute.at

    Das Problem, das Claverie hier sieht: Wenn sich im Permafrost ein Virus verbirgt, mit dem wir seit Tausenden von Jahren nicht mehr in Berührung gekommen sind, könnte es sein, dass unsere Immunabwehr nicht ausreicht. Denn die Struktur von solch jahrtausendalter Viren ähnelt keiner, gegen die die heutige Menschheit eine Immunität entwickelt hat bzw. könnte auch die Wissenschaft auf kein Basiswissen für Medikamente zurückgreifen.

    Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern arbeitet er deshalb an einem Überwachungsnetzwerk und Quarantäneeinrichtungen. So sollen frühe Fälle solcher Infektionen lokalisieren, vor Ort Behandelt und sofort eingedämmt werden. "Wir stehen jetzt vor einer konkreten Bedrohung und müssen darauf vorbereitet sein, damit umzugehen."

    red
    Akt.