Gesundheit

Österreich hat ein großes Cholesterinproblem – und du?

Zu hohes Cholesterin ist ein stiller Feind, der dem Gesundheitssystem jährlich 1,2 Milliarden Euro kostet. 8,6 Prozent sterben an Folgeerkrankungen.

Sabine Primes
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Eine simple Blutuntersuchung zeigt den Cholesterinwert und lässt gegebenenfalls gegensteuern, um ernsthafte Folgen zu verhindern.
Eine simple Blutuntersuchung zeigt den Cholesterinwert und lässt gegebenenfalls gegensteuern, um ernsthafte Folgen zu verhindern.
Getty Images/iStockphoto

Die Österreicher haben ein riesiges Problem mit ihren Blutfettwerten. Zu viel Cholesterin ist für 8,6 Prozent aller Todesfälle und für 28 Prozent der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit verantwortlich. Die jährlichen direkten und indirekten Kosten: Rund 1,2 Milliarden Euro. Das hat eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien ergeben. Die Daten wurden am Donnerstag bei einer Pressekonferenz vorgestellt.

Mit Unterstützung des Pharmakonzerns Novartis haben die IHS-Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka, Miriam Reiss und Stephanie Reitzinger erstmals die volkswirtschaftlichen Kosten der sogenannten Hypercholesterinämie für Österreich berechnet. Zu hohe Blutfettwerte, insbesondere an "bösem" LDL-Cholesterin, sind mit dem Rauchen und Bluthochdruck der wesentlichste Risikofaktor für Gefäßverkalkung (Atherosklerose) und damit für Herzinfarkt, Schlaganfall & Co.

Die Hypercholesterinämie ist eine Störung des Fettstoffwechsels. Typisch für diese Erkrankung ist ein erhöhter LDL-Cholesterinwert. Dies spiegelt sich auch in der Namensgebung wider: Die Silbe "Hyper" meint "übermäßig/zu viel". 
Zu hohen Cholesterin merkt man lange nicht, denn er macht keine Beschwerden. Aber auf Dauer kann es schwerwiegende Folgen auf die Blutgefäße haben, denn es lagert sich dort ab (Arteriosklerose) und verengt die Arterien so lange, bis kein Blut mehr durchfließen kann. Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall können die (tödliche) Folge sein. 
Aber nicht jeder Mensch mit mehr Gewicht hat automatisch zu hohen Cholesterin. Umgekehrt können auch dünne Menschen an Hypercholesterinämie leiden. Genetische Faktoren spielen hier eine Rolle. Abklären lässt sich das Cholesterin mit einer einfachen Blutuntersuchung durch den Hausarzt. Liegt zu hohes Cholesterin vor, kommt es auf eine gute Therapie an, um das Risiko gefährlicher Gefäßverkalkungen und damit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. 

Bedenkliche Fakten

Das Manko, so Czypionka: "Es gibt aus Österreich keine repräsentativen Daten über die Hypercholesterinämie aus Reihen-Laboruntersuchungen. Wir mussten auf Deutschland zurückgreifen." Informationen existieren zu den Verschreibungen von Cholesterin-senkenden Medikamenten, demografischen Daten, Todesursachenstatistik etc. Die Berechnungen der Gesundheitsökonomen zeigten für Österreich ausgesprochen bedenkliche Fakten auf. Während man weltweit von einem Anteil zu hoher Blutfettwerte als Verursacher der Sterblichkeit von 7,7 Prozent ausgeht, sind es in Österreich 8,6 Prozent. Das ist auf das höhere Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung zurückzuführen.

An sich sollten Menschen mit einem niedrigen Risiko weniger als 115 Milligramm LDL-Cholesterin pro Deziliter Blut haben. Personen mit einem erhöhten bis hohen Risiko (z.B. Raucher, Diabetiker, Bluthochdruck-Patienten) sollten weniger als 70 Milligramm LDL-Cholesterin aufweisen. Menschen mit höchster Gefährdung hingegen (z.B. nach einem ersten Herzinfarkt etc.) sollten auf nicht mehr als 55 Milligramm LDL-Blutfette pro Deziliter kommen. Das Gesamtcholesterin sollte generell unter 190 Milligramm pro Deziliter Blut betragen. Seit mittlerweile Jahrzehnten gibt es hoch effektive und gut verträgliche Arzneimittel (z.B. Statine) zur einer allfälligen medikamentösen Therapie.

Zu wenige erreichen Zielwerte

Die Zielwerte für das Gesamtcholesterin werden in Österreich aber nur von 74 Prozent der 18- bis 29-jährigen Männer und von 63 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe erreicht. Bei den Männern sinkt danach dieser Anteil bis zum 80. Lebensjahr auf 43 bis 46 Prozent, bei den Frauen sind es unter den 30- bis 44-Jährigen noch 57 Prozent, dann nur noch deutlich unter 40 Prozent. Das bedeutet, dass etwa 166.000 Frauen im Alter über 40 Jahren durch ihren hohen Cholesterin ein Höchstrisiko vor allem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. Unter den Männern dieser Altersgruppe sind es sogar rund 172.000 Personen. Zählt man die Menschen mit einem hohen Risiko hinzu, kommt man gar auf rund 1,2 Millionen Betroffene. "15 Prozent der Bevölkerung haben ein hohes oder sehr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen."

Das hat bedeutende volkswirtschaftliche Auswirkungen: Die direkten medizinischen Kosten für Krankheiten, die durch zu hohen Cholesterin entstehen, machen pro Jahr 834,7 Millionen Euro oder 2,35 Prozent der laufenden Gesundheitsausgaben ohne Langzeitpflege aus. Hinzu kommen 28,3 Millionen Euro direkte nicht-medizinische Kosten (Krankengeld, Pflege, Invaliditätspension etc.). Die indirekten Kosten (Krankenstände, Invalidität, vorzeitige Sterblichkeit etc.) betragen pro Jahr 303,2 Millionen Euro. Insgesamt summiert sich das alles pro Jahr – auf rund 1,2 Milliarden Euro.

Sport und Ernährung helfen nur zu fünf bis zehn Prozent

Ein Gegensteuern – also Screening der Menschen auf zu hohe Blutfettwerte per einfacher Laboruntersuchung und eine entsprechende Behandlung sowie Lebensstiländerung (Ernährung, Bewegung) – würde sich jedenfalls auszahlen, so Czypionka: "Man könnte viel Leid und Kosten ersparen." Es kommt wohl vor allem auf eine wirksame medikamentöse Behandlung bei zu hohen Cholesterinwerten an, weil über Sport und Ernährung das Problem nur zu fünf bis zehn Prozent beeinflussbar ist.

Laut den Berechnungen könnte man der österreichischen Volkswirtschaft allein durch Reduktion zu hoher LDL-Cholesterinwerte um 50 Prozent in der Gruppe der Personen mit erhöhtem Risiko eine jährliche Kostenersparnis um 360 Millionen Euro erzielen. Gelänge das auch bei den Menschen mit der höchsten Gefährdung wären es zusätzlich weitere 131 Millionen Euro.