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Bauer: "Den Schweizer brauchen wir nicht"

Heute Redaktion
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Moritz Bauer zählte in den letzten vier Länderspielen zum Stammpersonal.
Moritz Bauer zählte in den letzten vier Länderspielen zum Stammpersonal.
Bild: GEPA-pictures.com

Moritz Bauer im "Heute"-Interview: Der Legionär spricht über Abneigungen gegen ihn, Panini-Sticker, Willi Ruttensteiner – und Fish & Chips.

Moritz Bauer schwebt auf Wolke sieben. Der 26-jährige Rechtsverteidiger mauserte sich in Rekordzeit zum Stammspieler bei Stoke City und im Nationalteam. Seit Montag schwitzt der gebürtige Schweizer im ÖFB-Camp in Klagenfurt. "Heute" bat ihn zum Interview.

Herr Bauer, vor gut einem Jahr waren Sie noch Schweizer, kickten in Russland. Jetzt sind Sie ÖFB-Teamspieler, glänzen in der Premier League. Hätten Sie diese rasche Entwicklung für möglich gehalten?

"Erwarten kann man das nicht. Es ist wie ein Traum, der nicht aufhört. Der Faden reißt nicht ab."

Vor Ihrem Wechsel von Kazan zu Stoke hagelte es vor allem via Twitter Fan-Kritik. Die ist längst verstummt. Verfolgen Sie diese Dinge?

"Ich habe es mitbekommen, ja. Das war aber auch bei meinem Wechsel zu Kazan so. Und, das muss ich ganz frech sagen, auch beim Nationalteam. Da wurde zum Teil auch gesagt: 'Den Schweizer brauchen wir nicht'. Es gibt bei einem Wechsel immer zwei Meinungen. Wenn man jemanden nicht kennt, ist man oft skeptisch zu Beginn. Ich mache aber niemandem einen Vorwurf, das gehört dazu. Das ist Fußball, da redet jeder gerne mit. Heute ist man der Idiot, morgen ist man der Held. Und übermorgen ist man schon wieder vergessen. Mittlerweile bin ich bei Stoke vier Mal zum Spieler des Tages gewählt worden."

Sie waren in der Schweiz und in Russland aktiv, spielen nun gegen die Stars aus Manchester und London. Macht das aus Ihnen einen besseren Spieler?

"Ich denke schon. Es ist ein anderes Niveau, da habe ich schon den nötigen Respekt. Aber genau dafür spiele ich Fußball. Man will sich mit den Besten messen. Wenn ich mich entscheiden muss, ob ich gegen Manchester City in der Champions League spiele oder ein Freundschaftsspiel gegen ein Team aus der Kreisklasse, würde ich natürlich die Herausforderung wählen. Glücklicherweise ist in der Premier League die Dichte an guten Spielern so hoch. Du hast eigentlich jede Woche Champions-League-Niveau."

Sie sind bei Stoke nicht der einzige deutschsprachige Spieler, haben Kevin Wimmer und Xherdan Shaqiri im Klub. Hilft das bei der Integration?

"Das hilft sicher. Anfangs war es leichter, Fahrgemeinschaften zu finden, oder mal ins Restaurant mitgenommen zu werden. Aber ich spreche fließend Englisch, deshalb habe ich auch schnell Anschluss zu den anderen Spielern gefunden. Glücklicherweise sind Kevin und 'Shaq' in meinem Alter, sind nicht verheiratet und haben keine Kinder. Da ist es leicht, sich am Abend zu treffen."

Landestypisch im Pub auf ein Bier und Fish & Chips?

"Bier ist nicht so mein Getränk und Fish & Chips nicht unbedingt meine Hauptmahlzeit, aber ich bin ein neugieriger Mensch, lerne gerne Neues kennen. Ich würde es auch unendlich bereuen, wenn ich nicht nach Russland gegangen wäre. Man hat natürlich Vorurteile, im Endeffekt war es aber eine der besten Zeiten meines bisherigen Lebens. Genauso dankbar bin ich, dass ich jetzt in England die Erfahrung machen darf. Man sieht viel mehr ins Land rein, wenn man dort arbeitet, nicht nur Urlaub macht. Die Kultur mit den Pubs nach dem Feierabend ist schon fein. Man muss ja nicht unbedingt mittrinken, kann sich einfach dazusetzen. Die Atmosphäre einzuatmen finde ich sehr interessant. Neue Länder, neue Sitten, das bringt einen persönlich weiter. Auch, wenn nicht alles so ist, wie man es sich vorgestellt hat."

Zum Beispiel?

"Von Russland denkt man, es ist alt, rostig, grau. Und bei England denkt man, die fahren halt auf der Straße links, sind aber sonst wie Europäer. Tatsächlich ist die Mentalität aber eine ganz andere, es herrscht ein anderer Vibe. Wenn man eintaucht, lernt man interessante Seiten kennen. Beim Umzug zum Beispiel: Jeder ist freundlich und hilfsbereit, aber extrem unzuverlässig. Die Denkweise ist: Wenn man es für Montag vereinbart hat und es ist bis Ende der Woche erledigt, ist es okay. Nicht böswillig, die Kultur ist einfach so. Das kennt man bei uns natürlich ganz anders."

Sie gelten als Erfindung von Ex-Teamchef Marcel Koller. Stehen Sie noch in Kontakt mit ihm?

"Ich habe ihn, seit sein Vertrag ausgelaufen ist, nicht mehr gesehen. Ich muss Sie auch korrigieren: federführend war der Willi Ruttensteiner. Es wurde immer so dargestellt, als würde der Schweizer Trainer einen Schweizer Spieler holen. Dabei war es anders. Es ging anfangs wirklich nur um den Reisepass. Es ging darum, den österreichischen Pass, also einen EU-Pass, zu beantragen, solange es noch geht. Da gibt es Regeln. Willi hat sich dann unheimlich bemüht, dass ich die Spielgenehmigung bekomme. Ohne ihn wäre ich voraussichtlich nicht hier. Mit Koller hatte ich erst Kontakt, als er mich in das Nationalteam einberufen hat."

Kevin Wimmer kommt bei Stoke derzeit nicht zum Zug. Haben Sie eine Erklärung?

"Er wurde ein wenig Opfer des Trainerwechsels. Es gab das Gerücht, Kevin sei nicht fit. Das kann ich aber absolut nicht bestätigen. Im Gegenteil. Ich trainiere mit ihm, esse mit ihm, sehe ihn auch oben ohne. Glauben Sie mir, er ist fit. Fußball ist nicht immer logisch."

Ein anderer ÖFB-Kollege, nämlich Marko Arnautovic, hat ebenfalls bei Stoke gespielt. Ist er noch immer Thema im Klub?

"Natürlich. Die ehemaligen Kollegen folgen ihm nach wie vor auf Instagram. Das ist ganz normal. Nur die Fans haben bei seinem Wechsel zu West Ham irgendetwas in den falschen Hals bekommen, sie sind nicht so gut auf ihn zu sprechen. Aber 'Arna' ist ein absolut feiner Typ, ein guter Junge, sehr emotional im Spiel. Ich glaube, die Fans vermissen ihn zum Teil auch. Denn einen wie ihn könnten wir ganz gut gebrauchen. Wenn ein Top-Spieler geht, sind die Fans nie erfreut."

Sie trainieren seit Montag mit dem ÖFB-Team in Klagenfurt. Sind Sie zum erstem Mal hier?

"Ja, ich kenne Klagenfurt nur von der EM 2008. Damals habe ich das Stadion ins Panini-Album geklebt."

Teamchef Franco Foda kündigte an, Dreierkette ausprobieren zu wollen. Ist das eine gute Idee?

"Es ist wichtig, dass ein Team mehrere Systeme spielen kann. Das macht uns unberechenbarer. Mir kommt das entgegen, denn ich gehe gerne mit nach vorne. Die Dreierkette habe ich in Kazan ein halbes Jahr lang erlernt, ich freue mich darauf. Man muss dabei ein bisschen mitdenken."

Wer ist Ihr Zimmerkollege beim Team?

"Bis jetzt immer die Torhüter. Erst war ich mit Markus Kuster im Zimmer, dann mit Pavao Pervan. Dieses Mal ist es aber Andi Ulmer. Wir bilden sozusagen die Außenverteidiger-Zange. Ich werde ein bisschen rumgereicht – das meine ich nicht negativ. So lernt man Leute kennen."

Sie kamen im Vorjahr als "Schweizer" zum ÖFB-Team. Wie ist Ihr Standing innerhalb der Mannschaft?

"Ich war damals unheimlich überrascht, was für ein cooler Spirit in der Mannschaft steckt. Ich bin ja keine 17 mehr, bin aus dem Talent-Alter raus, muss nicht mehr gestützt werden. Trotzdem hatte ich schon nach zwei Tagen einen Spitznamen, sagten die anderen: 'Schwyzer, komm mit'. Auch nach dem enttäuschenden Wales-Spiel, bei dem ich nicht mal gespielt habe, haben einige gesagt: 'Setz dich doch zu uns, wir besprechen noch etwas.' Das ist nicht selbstverständlich, wenn man zum ersten Mal dabei ist. Ab der dritten Minute habe ich mich als Teil des Teams gefühlt. Das war wirklich überwältigend."

Video: Arnautovic auf der Suche nach der perfekten Flanke.