Ein neuer Beschluss sorgt im Pferdesport gerade für heftige Diskussionen: Der Weltreiterverband FEI hat bei seiner Generalversammlung in Hongkong entschieden, dass Pferde künftig trotz Blutspuren, etwa im Maul oder an den Flanken, während des Wettkampfs nicht disqualifiziert werden, wie es bisher der Fall war.
Was bis dato ein klares Tabu war, wird ab 1. Jänner 2026 zur Regel: Wenn das Blut "nicht schwerwiegend" ist, kann das Pferd nach einer tierärztlichen Kontrolle wieder an den Start gehen. Beim ersten Mal gibt es nur eine Verwarnung, erst nach mehreren Vorfällen drohen Strafen von rund 1.000 Euro oder ein einmonatiges Startverbot.
Für Österreichs Pferdesportpräsidentin und Olympiasiegerin Elisabeth Max-Theurer (69) ist das ein Skandal: "Ich halte das für einen klaren Rückschritt. Blut - vor allem im Maul oder an den Flanken - darf niemals als akzeptabel gelten. Das Wohl des Pferdes muss immer Vorrang haben." In Österreich bleibt daher alles beim Alten: Sobald ein Pferd blutet, ist Schluss. Kein Weiterreiten, keine Diskussion.
Max-Theurer ärgert sich auch über die Abstimmung: Obwohl viele große Reitnationen wie Deutschland, Schweden oder die Niederlande gegen die Lockerung waren, wurde sie mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Der Grund: Jedes Land hat laut der 69-Jährigen in der FEI nur eine Stimme, egal ob Pferdesport-Gigant oder nicht. Frankreich habe also mit 11.204 registrierten Turnierpferden und 5.391 registrierten Athleten genauso nur eine Stimme, wie beispielsweise Angola oder Äthiopien, die null registrierte Pferde und Athleten aufweisen.
Auch Marketing-Expertin und "EQWO.net"-Gründerin Ruth M. Büchlmann (61) warnt auf der Pferdesport-Plattform vor einem Shitstorm: "Blut am Pferd als 'nicht so schlimm' darzustellen, ist kommunikativ ein Eigentor. Das Signal an die Öffentlichkeit ist fatal - und Sponsoren werden sich genau überlegen, ob sie ihren Namen noch mit solchen Bildern verbinden wollen."
Und obwohl der Reitsport seit Jahren in einer Imagekrise steckt, scheint man aus den zahlreichen Vorfällen nichts gelernt zu haben. "Nach Jahren voller Skandale sendet der Weltverband das völlig falsche Signal. Statt Vertrauen zurückzugewinnen, riskiert man noch mehr Ablehnung", so Büchlmann in ihrem Kommentar.
Die Gegner der neuen Regel befürchten, dass das Tierwohl unter den Tisch fällt, um Wettbewerbe schneller durchzuziehen. "Wenn wir das Pferd als Partner vergessen, verlieren wir die Glaubwürdigkeit unseres Sports", mahnt Max-Theurer.
Tierschutzorganisationen hatten bereits im Vorfeld der FEI-Generalversammlung protestiert und einen Brief an FEI-Präsident Ingmar de Vos gesandt. Die Petition "Pro No-Blood-Rule" auf change.org sammelte über 65.000 Unterschriften.
Die umstrittene "Blood Rule" soll ab 1. Jänner 2026 in Kraft treten. Bis dahin wird wohl weiter über eine Frage mit klarer Antwort gestritten: Wie viel Blut ist im Sport noch vertretbar?